Ist die Talsohle erreicht?
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Wachstumsaktien, Small Caps und Hochzinsanleihen zeigten im Juli eine starke Wertentwicklung. Die Renditen von Inflations- und Benchmark-Staatsanleihen waren gleichbleibend bis leicht steigend und Schwellenländer entwickelten sich unterdurchschnittlich. Wobei chinesische Aktien erneut ihre Diversifikationsqualitäten unter Beweis stellten (rückläufig, während andere Märkte zulegten). Bei Unternehmensanleihen besserte sich die Stimmung mit einer lebhafteren Neuemissionstätigkeit und Credit-Default-Swap-Indizes (CDS), die sich von ihren Höchstständen erholten. Noch haben wir den Höhepunkt der Inflation nicht erreicht, die Europäische Zentralbank (EZB) hat ihren Leitzins direkt von -50 Basispunkten (BP) auf null Prozent angehoben. Die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) steht kurz davor, die Zinsen wieder zu erhöhen und die Berichtssaison für das zweite Quartal hat gerade erst begonnen.
Verlassen des Bärenmarktes
Nach mehr als sechs Monaten fallender Märkte kann es sein, dass die Anleger jetzt der Ansicht sind: Genug ist genug. Bargeld muss investiert werden und eine ganze Reihe von Anlageklassen sind 15 bis 20 Prozent oder sogar noch günstiger als zu Jahresbeginn. Die Bewertungen sind attraktiver und die Erwartungen an den weiteren Verlauf des Zyklus sind zwar nicht gut, aber gereift. Der Markt kehrt zu einer makroökonomischen Sichtweise zurück, die nahe legt, dass eine sanfte Landung möglich ist. Die Arbeitslosigkeit ist überall niedrig und es besteht die Erwartung, dass das derzeit sehr hohe Inflationsniveau auf Jahresbasis zurückgehen wird. Die Zinserwartungen haben sich stabilisiert, die Zentralbanken haben nicht angedeutet, dass ihre finale Zinserwartung höher sein müsste und die Risikofaktoren an den Credit- und Aktienmärkten könnten darauf hindeuten, dass die Bilanzen und Cashflows der Unternehmen nicht so stark in Mitleidenschaft gezogen werden wie in früheren Zyklen.
Warum Growth-Titel?
Interessant ist das Verhältnis zwischen Growth- und Value-Aktien. Nachdem Wachstumstitel seit Anfang des Jahres schlechter liefen als Value, schnitten sie in diesem Monat besser ab. Die Anleger entscheiden sich für Growth, weil diese Aktien in Bezug auf die langfristigen Wachstumsraten und die Resilienz der Erträge eine überlegene Qualität beim Gewinnwachstum aufweisen. Geringe Verschuldung, gesunde Gewinnmargen, wachsende Umsätze und technologische Innovationen unterstützen das. Deshalb sind sie im Vergleich zum Markt relativ teuer. Das Gewinnwachstum wird entweder in Form von Dividenden oder Aktienrückkäufen an die Aktionäre verteilt oder, üblicherweise, reinvestiert, um künftiges Wachstum zu unterstützen. Die Aktienkurse spiegeln das wider.
2020 wurden Growth-Titel teuer, weil die Fed und andere Zentralbanken die Zinsen auf sehr niedrige Niveaus senkten. Der niedrigere Diskontierungssatz steigerte den Gegenwartswert künftiger Erträge und, je höher die Wachstumsrate war, desto mehr trieb dies die Aktienkurse in die Höhe. Seit Ende 2021 geschah das Gegenteil: Die Zinsen kletterten und die Wachstumsprognosen gingen zurück. Die Bewertungsmultiples von Wachstums- und Qualitätstiteln fielen auf den Vor-Covid-Stand und zum Teil auf längerfristige historische Durchschnittswerte.
Niedrigere Bewertungsmultiples
Am US-Markt sind die Multiples in Sektoren wie Informationstechnologie, Verbraucherdienstleistungen und Teilen des Gesundheitswesens zuletzt stark gesunken. Die Frage ist, ob dies eine ausreichende Bedingung ist, um dort das Engagement wieder zu erhöhen. Können sie in einer Welt wachsen, in der die Inflation wahrscheinlich höher sein wird als vor der Pandemie und die Zinsen entsprechend näher am Niveau vor der großen Finanzkrise liegen? Die Antwort sollte ja lauten, denn gute Unternehmen sind in der Lage, unter verschiedenen makroökonomischen Bedingungen zu bestehen. Es handelt sich um Sektoren, die lange Zeit ein starkes und stabiles Ertragswachstum aufweisen – wobei insbesondere die Bereiche Technologie und Gesundheitswesen diese Eigenschaften haben. Der Gewinnrückgang bei diesen Unternehmen war in früheren zyklischen Abschwungphasen begrenzt.
Rotation beim Ausgabeverhalten
Letztlich kommt es darauf an, was die Menschen kaufen. Das Einkommen wird verwendet, um höhere Preise für Energie und Lebensmittel sowie höhere Zinsen auf Schulden zu bezahlen. Deshalb sind die Gewinne der Energieunternehmen und Banken hoch. Diese Kosten können mit der aktuellen Geschwindigkeit nicht unbegrenzt weiter steigen, sonst kommt es zu einer schweren Rezession und viele Verbraucher und andere Unternehmen stehen vor dem Ruin. Es gibt Anzeichen dafür, dass die Energiepreise in den USA ihren Höchststand erreicht haben könnten, während die Lebensmittelpreise sinken. Die Kreditkosten für die Verbraucher haben ihren Höhepunkt vielleicht noch nicht erreicht, werden ihn aber kurz nach den Marktzinsen erreichen. Gleichzeitig steigen die nominalen Einkommen, so dass die Möglichkeit besteht, dass sich der Konsum ab irgendeinem Punkt wieder auf die diskretionären Ausgaben verlagert. Die Verbraucher ersetzen weiter ihre Handys oder streamen Filme und TV-Shows. Und die Unternehmen haben nicht aufgegeben, ihr operatives Geschäft weiter zu digitalisieren. Diese Themen sind langfristig angelegt und untermauern die längerfristigen Ertragsaussichten.
Die Bedeutung des Momentum
Manche Anleger mögen Growth, manche mögen Value. Letztlich mögen Anleger aber Aktien, mit denen sie vertraut sind – Apple, Microsoft, Netflix und so weiter. Und die Märkte sind nicht effizient, was jene Leute verrückt macht, die Aktienkurse aus rein fundamentaler Sicht betrachten. Die tatsächliche Anzahl der Apple-Aktien am Markt ist in den vergangenen Jahren in der Tat zurückgegangen. Und das gilt auch für eine Reihe anderer beliebter US-Titel. Doch die Menge an Geld, die hinter diesen Aktien her ist, hat zugenommen. Das Momentum ist also sehr wichtig – die Bewertungsprämien für diese Art von Unternehmen sind langfristiger Natur. Wenn diese Prämie sinkt, sehen diese Aktien werthaltiger aus. Apple, Adobe, PayPal, Salesforce – um nur einige zu nennen – haben ein aktuelles geschätztes Kurs-Gewinn-Verhältnis für die kommenden zwölf Monate, das unter oder nahe dem Wert vom Februar 2020 liegt. Jedoch haben sie seitdem ihre Gewinne gesteigert.
Möglicherweise müssen wir eine andere, vorsichtigere Sichtweise einnehmen, wenn die vollständigen Ergebnisse für das zweite Quartal vorliegen oder wenn es noch schlechtere makroökonomische Nachrichten zur Inflation oder zur Energiesituation in Europa gibt. Die EZB zeichnete in ihrem Kommentar nach der Leitzinserhöhung von -0,5 Prozent auf null Prozent ein besorgniserregendes Bild für die Aussichten in der Eurozone. Aber die Märkte wissen das. Sie gehen nicht davon aus, dass die Zentralbanken die Zinsen so stark erhöhen können. Die Zinserwartungen haben also ihren Höhepunkt erreicht. Dies trägt dazu bei, dass sich die Aktienmärkte wieder ausbalancieren und Unternehmensanleihen beginnen, positive Renditen zu liefern. Andererseits haben sich einige Aktiensektoren parallel zu einem starken zyklischen Gewinnaufschwung gut entwickelt. Dieser zyklische Gewinnaufschwung wird aber schwer aufrechtzuerhalten sein, wenn sich das Wachstum abschwächt. Es wäre überraschend, wenn der Energiesektor seine Performance aufrechterhalten kann, während der breitere Industrie- und Rohstoffsektor ebenfalls stärker von Gewinnrückgängen bedroht ist.
Es scheint, als wollten die Märkte dem Bärenmarkt nicht mehr hinterher jagen. Anleihen erholten sich nach der EZB-Sitzung, weil schwächere US-Daten anzeigen, wohin sich die Wirtschaft entwickelt. Eine zyklische Verlangsamung ist garantiert, aber es scheint mehr Vertrauen in eine sanfte Landung zu geben. Nach Rückgängen von 15, 20 und 25 Prozent in verschiedenen Anlageklassen könnte es sein, dass wir die Talsohle erreicht haben. Es handelt sich vielleicht nicht um eine Rallye, die durch bessere makroökonomische Aussichten gerechtfertigt ist, aber Cash könnte der Sichtweise folgen, dass es nicht noch schlimmer wird!
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