Kommentar
15:11 Uhr, 12.06.2015

Ist die Happy Hour an den Finanzmärkten vorbei?

Aufgehellte Konjunkturprojektionen in der Eurozone - auch die Weltbank hat die Wachstumsprognose 2015 von 1,1 auf 1,5 Prozent angehoben - und steigende Inflationserwartungen machen sich in wieder steigenden Renditen bei Staatsanleihen der Euro-Länder bemerkbar. Und angesichts der vermeintlich erfolgreichen reflationierenden Wirkung der Anleiheaufkäufe der EZB wird bereits über deren vorgezogenes Ende spekuliert.

Bislang hatte die Liquiditätshausse der EZB die Attraktivität von Zinsanlagen immer mehr geschmälert, damit den Euro abgewertet und eine beispiellose Aktien- bzw. Exporthausse losgetreten. Im II. Quartal jedoch hat sich der Umkehrschwung eingestellt. Die Entwicklungen von Bund Future, Euro/US-Dollar-Wechselkurs und DAX seit dessen Höchststand am 10. April sprechen eine deutliche Sprache.

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Für besondere Marktunsicherheit sorgen Bemerkungen von EZB-Präsident Draghi selbst, wonach sich die Anleihemärkte an Phasen mit höherer Renditevolatilität gewöhnen müssten. Für viele Marktteilnehmer zieht die EZB damit ihre eigene Rettungsmission in Zweifel. Damit leitet ausgerechnet Draghi Wasser auf die Mühlen US-amerikanischer Anleihemanager, die seit Wochen auf die Renditewende in der Eurozone wetten. Als Ausdruck der Verunsicherung zeigt sich die Renditevolatilität im Bund Future bereits wieder auf einem Niveau wie zuletzt im Jahr der Euro-Staatsschuldenkrise 2012.

Quartals-Volatilität am deutschen Rentenmarkt (Basis Bund Future), annualisiert in Prozent und Deutscher Rentenmarkt (Bund Future)

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Für eine nachhaltige Renditewende nach oben fehlen die fundamentalen Argumente
Eine nachhaltige Inflationsbeschleunigung in der Eurozone, die das Ende der geldpolitischen Lockerung begründen würde, ist aber nicht zu erwarten. Zwar dürfte die Preissteigerung - aktuell 0,3 Prozent zum Vorjahr - ihr Tal durchschritten haben. Hintergrund ist insbesondere die Erholung des Rohölpreises seit Jahresbeginn. Grundsätzlich dürfte dieser bis Jahresende zwar noch weiter steigen. Mit Blick auf ausbleibende Produktionskürzungen der OPEC ist jedoch keine drastische Ölpreiserhöhung und damit auch kein deutlicher Inflationseffekt zu erwarten.

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Im Gegensatz zum Ölpreis hat die steigende Liquiditätsausstattung in der Eurozone noch keinen entsprechenden Effekt auf die Preissteigerung. Im Gegenteil, um das Inflationsziel der EZB von zwei Prozent zu erreichen, ist die langfristige Fortsetzung der Liquiditätszuführung dringend erforderlich.

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Ohnehin bleibt ein nachhaltiger Wirtschaftsaufschwung in der Eurozone, der auch die Inflation antriebe, Utopie. Ein massives Handicap bleibt die schwache Kreditvergabe an Unternehmen und private Haushalte. Nach dem dramatischen Einbruch in Folge der Euro-Staatsschuldenkrise zeigt sich zwar eine Verbesserung, doch im Vorjahresvergleich bauen Kreditinstitute netto immer noch Kreditengagements ab. Die konjunkturelle Unterstützung der Eurozone seitens der EZB ist ein Marathonlauf, kein Sprint.

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Nicht nur in der Eurozone und Deutschland zeigt sich die Konjunkturstimmung zuletzt verhaltener. Auch in Asien, Japan und den USA überwiegen laut Finanzdatenanbieter Sentix für die kommenden sechs Monate eher moderatere Konjunkturtöne.

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Weltweit ist das Problem eher De- weniger Inflation
Damit bleibt auch weltweit der Inflationsdruck begrenzt. Dafür sorgt auch die Rohstoffpreisentwicklung insgesamt. Nach deutlichem Rückgang von ihrem Hoch im September 2011 von 5,2 Prozent hat sich laut IWF die Welt-Inflationsrate zuletzt nur leicht auf etwa 2,7 Prozent stabilisiert.

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Die konjunkturell und rohstoffseitig bedingt schwache Inflation ist eine Sorge der internationalen Notenbanken. Sie fürchten einen Rückfall in die Deflation, der sie mit reflationierenden Zinssenkungen entgegenwirken wollen. Der Welt-Notenbankzins - gemessen als gleichgewichteter Durchschnitt der Leitzinsen der Eurozone, Japans, der USA, des Vereinigten Königreichs, Kanadas, China und Indiens - hat sich weiter abgeschwächt.

Ein besonderes Inflationssorgenkind ist China. Das Land zeigt seit Mitte 2013 eine klar rückläufige Preisentwicklung. Die Inflation liegt für eine der bedeutendsten Weltkonjunktur-Lokomotiven auf ungewöhnlich niedrigem Niveau von zuletzt 1,2 Prozent. Auch um die chinesische Tripleblase - Immobilien-, Kredit- und Aktienblase - nicht zum Bersten zu bringen, hat die chinesische Notenbank ihren Leitzins auf ein historisch tiefes Niveau gesenkt.
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Ein besonderes Inflationssorgenkind ist China. Das Land zeigt seit Mitte 2013 eine klar rückläufige Preisentwicklung. Die Inflation liegt für eine der bedeutendsten Weltkonjunktur-Lokomotiven auf ungewöhnlich niedrigem Niveau von zuletzt 1,2 Prozent. Auch um die chinesische Tripleblase - Immobilien-, Kredit- und Aktienblase - nicht zum Bersten zu bringen, hat die chinesische Notenbank ihren Leitzins auf ein historisch tiefes Niveau gesenkt.

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Neben dem IWF betonte zuletzt ebenso die Weltbank die Gefahren einer US-Leitzinswende für die Volkswirtschaften in den Schwellenländern. Sie könnte zu einem investitionsunfreundlichen Kapitalabzug in die USA führen. Über die globale Bedeutung ihrer Zinspolitik ist sich die US-Notenbank sehr bewusst. Dies ist auch ein Grund, warum sich Fed-Präsidentin Janet Yellen in ihren Zinsäußerungen nach allen Seiten biegsam - wie eine Schlangenfrau - zeigt. Sie will sich alle Zins-Hintertürchen offen halten.

Ist die Happy Hour an den Finanzmärkten vorbei?

Aufgehellte Konjunkturprojektionen in der Eurozone - auch die Weltbank hat die Wachstumsprognose 2015 von 1,1 auf 1,5 Prozent angehoben - und steigende Inflationserwartungen machen sich in wieder steigenden Renditen bei Staatsanleihen der Euro-Länder bemerkbar. Und angesichts der vermeintlich erfolgreichen reflationierenden Wirkung der Anleiheaufkäufe der EZB wird bereits über deren vorgezogenes Ende spekuliert.

Bislang hatte die Liquiditätshausse der EZB die Attraktivität von Zinsanlagen immer mehr geschmälert, damit den Euro abgewertet und eine beispiellose Aktien- bzw. Exporthausse losgetreten. Im II. Quartal jedoch hat sich der Umkehrschwung eingestellt. Die Entwicklungen von Bund Future, Euro/US-Dollar-Wechselkurs und DAX seit dessen Höchststand am 10. April sprechen eine deutliche Sprache.

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  • Andreas Hoose
    Andreas Hoose

    Wenn steigende Inflationserwartungen nicht der Grund für den Renditeanstieg bei europäischen Staatsanleihen sein können, wie das im Artikel schlüssig dargelegt wird, dann landet man sofort bei der Frage, was stattdessen dahintersteckt.

    Sollte das Vertrauen in die Rettungsprogramme der EZB und die Rückzahlungsfähigkeit der Staaten der eigentliche Grund sein, dann stehen wir vor einem Gezeitenwechsel. Eine Zinswende zur Unzeit dürfte mittelfristig für erhebliche Turbulenzen sorgen.

    10:28 Uhr, 15.06.2015