Kommentar
09:46 Uhr, 08.02.2019

Ist das ein neues Wirtschaftswunder?

Das Wort Wirtschaftswunder kommt einem nicht sofort in den Sinn, wenn man an die Konjunktur in Europa denkt. Es ist aber etwas dran.

Ende 2018 haben sich viele Indikatoren nach unten bewegt. Aufbruchsstimmung sieht anders aus. Politik und Wirtschaftsinstitute bestehen trotzdem darauf: es ist lediglich eine Wachstumsdelle und keine Rezession. Im Normalfall kann man davon ausgehen, dass die Rezession dann erst recht kommt.

Ob es dieses Mal anders ist, wissen wir noch nicht. Anfang 2019 hellt sich die Stimmung wieder auf. Das gilt insbesondere für den Konsum. Die Verbraucherstimmung bleibt in einigen Ländern unverändert gut. Das gilt etwa für Deutschland (Grafik 1). In Frankreich, wo es einen der größten Rückgänge gab, kommt es im Januar zu einem stattlichen Rebound. Auch in der EU als Ganzes kommt es zu einer Stabilisierung.

Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer. Italien befindet sich nun offiziell in der Rezession (Grafik 2). Manche Länder haben ihre Wachstumszahlen für Q4 2018 noch nicht veröffentlicht. Dazu zählt auch Deutschland. Ein kleines Plus ist aber möglich (ebenso ein kleines Minus).

Bemerkenswert sind nun aber zwei Dinge. Erstens: in einigen Ländern kommt es zu einem Rebound des Wachstums. Zweitens: die Rezession in Italien hat praktisch keine Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt.

Litauen hat das größte Comeback zu vermelden. Das Quartalswachstum lag zuletzt bei 1,6 %. Es ist das beste Wachstum seit Jahren. Auch Spanien kann wieder zulegen. Mit 0,7 % ist das Wachstum nicht nur robust, sondern geradezu stattlich.

In der EU und der Eurozone hat sich das Wachstum stabilisiert, nachdem es ein Jahr lang gefallen ist. Es ist noch nicht klar, ob sich das Wachstum nur stabilisiert bevor es in diesem Jahr weiter sinkt oder ob hier schon das Tief erreicht ist.

Persönlich halte ich letzteres für möglich. Besonders interessant ist in diesem Zusammenhang der Arbeitsmarkt. Italien wächst seit Jahren notorisch langsam und schrumpft nun das erste Mal seit 2014 wieder. Damals stieg die Arbeitslosenrate von 8 % auf 13 %. Nun ist Italien in der Rezession und die Arbeitslosigkeit steigt nicht. Es gab im Frühherbst einen leichten Anstieg. Inzwischen ist allerdings der Wert wieder erreicht, den es vor dem Abschwung ausweisen konnte.

Eine Rezession hat normalerweise klare folgen. Die Wirtschaft schrumpft nicht nur einfach. Die Arbeitslosigkeit steigt und der Konsum bricht ein. Das ist derzeit nicht der Fall. Der Konsum bleibt überraschend robust. Unternehmen sind zwar schlecht gelaunt, doch dies scheint sich fast ausschließlich auf den Außenhandel zu beziehen.

Die Binnenkonjunktur scheint nach wie vor rund zu laufen. Es fehlt an flächendeckenden Problemen im Inland. Das ist eine sehr gute Neuigkeit. Es mag so in einigen Ländern zu einer Rezession kommen, doch diese ist dann vollkommen abnormal. Die Arbeitslosigkeit dürfte kaum steigen, wenn überhaupt. Es wäre wohl eine der ersten Rezessionen ohne großen Abschwung. Man lernt nie aus...

Clemens Schmale

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4 Kommentare

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  • goldaktie
    goldaktie

    Bezüglich der Konjunktur in der EU sollte man auf die Leitzinsen schauen. Die 0% sind erst seit dem 10.03.2016 in Kraft. Wenn die Konjunktur also jetzt schon zusammensacken würde, wäre das geradezu katastrophal. Die schlechte Stimmung ist berechtigt, wenn man in die Zukunft blickt.

    15:59 Uhr, 08.02.2019
  • Goldstückle
    Goldstückle

    vielleicht kaschiert der demographische Wandel das Bild etwas?

    12:02 Uhr, 08.02.2019
  • tschak
    tschak

    Bill Clinton würde zu Europa sagen: It's the CONSUMER (Spending), stupid.
    Und er hat eventuell Recht, auch wenn dies die ausländischen Investoren NOCH nicht so sehen. Aber die haben ja aktuell keine "rose-coloured glasses" on...

    10:05 Uhr, 08.02.2019
    1 Antwort anzeigen

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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