Kommentar
18:52 Uhr, 09.04.2006

Iranische Ölbörse: Ein Kriegsgrund?

In den letzten Wochen wird relativ unbemerkt von der breiten Öffentlichkeit über den Start einer neuen Börse im Iran debattiert. Die so genannte „Iranian Oil Bourse“ (IOB) soll ab Anfang April in der iranischen Hauptstadt Teheran neben den „Weltbörsen“ für Erdöl - der ICE in London und der Nymex in New York - etabliert werden und zunächst den iranischen, mittelfristig aber auch den OPEC-Ölhandel abwickeln. Das Ziel der iranischen Regierung: Unabhängigkeit von den Finanzplätzen London und New York beim Handel von Öl. Das besondere: Der Handel an der IOB soll nicht mehr wie üblich in Dollar, sondern in Euro abgewickelt werden. Sollte die IOB sich etablieren, wäre sie neben der elektronischen Handelsplattform in Dubai die zweite Börse im Mittleren Osten, jedoch eben mit dem Unterschied, dass die IOB in Euro und nicht wie Dubai in Dollar fakturiert.

Wer kann daran nun Interesse haben bzw. wer hat davon Nutzen? Auf der Verkäuferseite die OPEC-Länder, die ihre Währungsreserven aus unterschiedlichen Motiven diversifizieren wollen. Irans Energiepartner China könnte die einseitige Dollarabhängigkeit ein wenig abbauen, der Tendenz im arabischen Raum, Vermögen aus den USA abzuziehen und andere Anlagemöglichkeiten zu suchen, würde dies in die Karten spielen und auch die europäischen Erdölkäufer hätten bei Bezahlung in eigener Währung mit dem Verzicht auf Währungssicherungsgeschäfte einen Kostenvorteil.

Die Stabilität des Dollar basiert grundsätzlich vor allem auf der Tatsache, dass ihm diese Eigenschaft von allen Seiten zugestanden wird und er von fast allen Ländern weltweit auf Grund fehlender Alternativen als nahezu alleinige Währungsreserve gehalten wird. Gerade weil die Dollargewichtung in den weltweiten Zentralbankreserven so hoch ist, können diese auf der einen Seite kein Interesse daran haben, dass der Dollar „zusammenbricht“. Die verheerende Folge wäre eine Abwertung des Dollars und diese mündet ceterus paribus in stark steigenden langfristigen US-Zinsen. Der größte Verlierer wären dann die asiatischen Länder, die im großen Stil US-Staatsanleihen halten. Diese würden parallel zum Dollar stark an Wert verlieren, wenn die langfristigen Zinsen steigen. Dieser Umstand bzw. diese Gefahr wiederum begründet auf der anderen Seite gerade die dringend notwendige Diversifikation der hohen Dollar-Bestände, da auch die Wirtschaft in den USA keinesfalls mehr auf den unumstößlich sicheren Beinen steht. Hier seien nur kurz das hohe Zwillingsdefizit und die latente Gefahr der hohen Immobilienbewertung genannt. Jede Währung ist langfristig immer das Spiegelbild der wirtschaftlichen Verfassung eines Landes.

Eine weitere Hürde für die IOB ist das Handelsvolumen. Eine Börse ist erst dann interessant, wenn sie ausreichende Liquidität bietet. Jeder Anleger, der einmal in illiquiden Aktien gehandelt hat, kennt die Unannehmlichkeiten, die durch fehlendes Handelsvolumen entstehen können. Hohe Spreads (Differenz Ver- zu Ankaufkursen) und Orderausführungen jenseits von Gut und Böse sind die Folge. Der Börsenplatz Teheran ist im Vergleich zu London und New York in fast jeder Hinsicht unterlegen, sei es in technologischer, juristischer, politischer oder finanzieller Hinsicht. Eine wirkliche Konkurrenz für die westlichen Börsenplätze kann nur unter der Voraussetzung entstehen, dass die IOB der ICE und Nyse überlegen ist, und selbst dann bleibt immer noch die Hürde, welche die Euro-Geldmenge darstellt. Sie ist zu gering, um einen mit New York und London vergleichbaren Handel zu gewährleisten. Das ist auch der Grund, warum sämtliche Rohstoffe, von den Metallen über Gold bis hin zu Getreide und Soft-Commodities weltweit nur gegen Dollar-Bezahlung gehandelt werden.

Eine schrittweise Ausweitung des Handels an der IOB ist trotz der vorhandenen Hürden im Bereich des Möglichen. Der Iran deckt nur einen kleinen, wenn auch wachsenden Anteil des chinesischen und indischen Energiebedarfs. Sollten sich allerdings auch andere OPEC-Länder dazu entschließen, ihr Öl und Gas über die IOB anzubieten, so könnte sich die Situation durchaus verschärfen. Dann könnte sich ein wachsender Anteil der Nachfrage Chinas und Indiens auf die IOB verlagern. Die IOB wäre eine willkommene Möglichkeit für viele Länder, Euro-Reserven zu bilden und würde auch der gestiegenen negativen Einstellung einiger Länder gegenüber den USA entgegen kommen. Grundsätzlich würde die Euronachfrage in diesem Szenario steigen, was den Euro positiv beeinflussen würde, während der Dollar tendenziell zur Schwäche neigen würde. Wir werden die Entwicklung als ein Mosaik in den vielschichtigen weltweiten Machtverhältnissen, sozialen Verwebungen und wirtschaftlichen Verflechtungen im Mittleren Osten im Auge behalten.

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Über den Experten

Jochen Stanzl
Jochen Stanzl
Chefmarktanalyst CMC Markets

Jochen Stanzl begann seine Karriere in der Finanzdienstleistungsbranche als Mitbegründer der BörseGo AG (jetzt stock3 AG), wo er 18 Jahre lang mit den Marken GodmodeTrader sowie Guidants arbeitete und Marktkommentare und Finanzanalysen erstellte.

Er kam im Jahr 2015 nach Frankfurt zu CMC Markets Deutschland, um seine langjährige Erfahrung einzubringen, mit deren Hilfe er die Finanzmärkte analysiert und aufschlussreiche Stellungnahmen für Medien wie auch für Kunden verfasst. Er ist zu Gast bei TV-Sendern wie Welt, Tagesschau oder n-tv, wird zitiert von Reuters, Handelsblatt oder DPA und sendet seine Einschätzungen über Livestreams auf CMC TV.

Jochen Stanzl verfolgt einen kombinierten Ansatz, der technische und fundamentale Analysen einbezieht. Dabei steht das 123-Muster, Kerzencharts und das Preisverhalten an wichtigen, neuralgischen Punkten im Vordergrund. Jochen Stanzl ist Certified Financial Technician” (CFTe) beim Internationalen Verband der technischen Analysten IFTA.

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