Kommentar
08:04 Uhr, 27.08.2013

Interview mit Matthias Horx: Downaging statt Vergreisung

Zukunftsforscher Matthias Horx hat im Interview mit der BörseGo AG über die Chancen der demografischen Wende gesprochen.

Herr Horx, welche Megatrends zeichnen sich ab?

Megatrends markieren die großen Veränderungen der Gesellschaft, sie wirken global, langfristig, tiefgreifend, und sie haben immer einen rekursiven Effekt, das heißt, sie verändern ihre eigenen Grundlagen. Die Globalisierung etwa wird in der nächsten Runde zur „GloKALisierung“, weil wieder mehr Produkte und Produktionen im regionalen Raum entstehen. Die soziokulturellen Megatrends, wie Individualisierung, der Rollenwandel der Frauen oder der demographische Wandel, verändern die Gesellschaft von innen heraus. Alterung heißt auch, dass es riesige neue Gesundheitsmärkt gibt, aber nicht nur für die Alten - Gesundheit bekommt vielmehr einen neuen Charakter als gesellschaftlicher Leitwert. Die Alterung erzeugt auch eine massive Nachfrage nach neuen Arbeits- und Bildungsformen. Was wiederum die Megatrends „New Work“ und „Neue Bildung“ anfeuert. Die Welt wird weiblicher, chinesischer, vielfältiger, städtischer, gebildeter und grüner.

Welche Branchen haben in Zukunft die größten Wachstumschancen?

Die Marktstrukturen der Zukunft entwickeln sich in zwei Richtungen: in den Bottom-of-the-Pyramid-Märkten herrscht eine große Nachfrage nach billigen Nahrungsmitteln, Wohnressourcen und Kommunikationsanbietern. Währenddessen evolutionieren traditionelle Industriemärkte in Richtung auf die neuen Synthesebranchen:Smart Logistics, Green Industries, Care & Providing-Sektor, Restoration Management, Smart Logistics, Neuer Bildungssektor. Diese Branchen überschreiten die alten Genres und Markt-Grenzen zugunsten konsequenter Kunden- und Nachfrageausrichtung.

Welche besondere Rolle kommt zukünftig der sich verschiebenden Altersstruktur zu?

Alterung wird oft missverstanden als „Vergreisung“ der Gesellschaft. Aber darin liegt ein Denkfehler, denn die erweiterten Lebensspannen führen auch zu generell anderen Biographie-Modellen. Lange Lebensspanne bedeutet nicht zwangsläufig langes Siechtum, wie es uns in den öffentlichen Angstbildern suggeriert wird. Studien zeigen vielmehr, dass sich unter bestimmten Umständen die Fitheits-Grenze einfach ins höhere Alter verschiebt. Dieser Rekursions-Prozess lässt sich als DOWNAGING beschreiben: Während wir altern, bleiben oder WERDEN wir immer jünger. 50jährige von heute ähneln in ihren soziokulturellen Verhaltensmustern eher 40jährigen, 60jährige verhalten sich wie 45jährige und so fort.

Die Erweiterung der Lebensspanne ist zudem das eigentliche Einfallstor für echte Individualisierung. Weil das Leben länger wird, können wir unsere Pläne ganz anders verwirklichen, und ein Stück weit von alten Lebenszwängen befreien. Wenn man mit 50 noch einmal einen Neuanfang wagen kann, dann entwickelt das Leben ganz andere Perspektiven.

Auf welche Zukunftstrends sollten Anleger ganz besonders achten?

Diese Frage führt uns mitten in ein Paradox: Was zukunftsweisend ist, ist im Anlegermarkt oft ein Flop. Durch den so genannten „Opportunismus-Faktor“ wird nämlich aus einem Zukunftsmarkt immer eine Blase und damit ein programmierter Absturz. So ging es zum Beispiel bei den alternativen Energien, in der Biotechnik, bei den Schwellenländer-Anlagen: der Kapitalmarkt hat sich völlig von den Realmärkten abgelöst. Menschen werden wahrscheinlich immer denselben Fehler machen. Wenn die Börsen in einem bestimmten „angesagten“ Sektor steigen, kaufen sie, und am meisten kaufen sie, wenn alle kaufen, also kurz vor dem Absturz. So sind wir nun mal – wir sind soziale Kopierwesen. Wirklich erfolgreiche Geldanlage ist immer antizyklisch und diskret. Das heißt, es darf eigentlich keiner wissen, worin man investiert, weil es dann sofort eine Blase gibt, wenn sich das herumspricht.

Die Fragen stellte Helge Rehbein.

Matthias Horx gilt als einflussreichster Trend- und Zukunftsforscher im deutschsprachigen Raum. Nach einer Laufbahn als Journalist (bei der Hamburger ZEIT, MERIAN undTEMPO) gründete er zur Jahrtausendwende das „Zukunftsinstitut”, das heute zahlreiche Unternehmen und Institutionen berät. Horx‘ Bücher wie „Anleitung zum Zukunftsoptimismus” oder „Das Buch des Wandels” wurden Bestseller. Seit 2007 lehrt Horx Prognostik und Früherkennung als Dozent an der privaten Zeppelin-Universität in Friedrichshafen.

Das Interview ist in der jüngsten Ausgabe des PortfolioJournals erschienen, das Sie hier kostenfrei abonnieren können.

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