Kommentar
12:50 Uhr, 20.11.2012

Interview mit dem "Silberjungen" Thorsten Schulte

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  • Silber
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    Aktueller Kursstand:   (JFD Brokers)

Silber ist ein unverzichtbares Industriemetall und wird immer knapper. Wie dramatisch ist die Situation wirklich?

Jetzt wollen die Leute natürlich sehr gerne hören, dass wir enorme physische Knappheiten haben und deshalb morgen der Silberpreis bei 100 Dollar steht. Leider kann ich das heute nicht so positiv darstellen. Ich habe ja hier vor einem Jahr auf der Edelmetallmesse gesprochen und auch damals gesagt, dass ich keine große Silberhausse für die nächsten Monate ankündigen kann und ich will das ganz bewusst auch aktuell nicht tun. Ich bin ein wenig besorgt darüber, dass die Weltwirtschaft in den letzten Monaten aus dem Tritt geraten ist. Viele Frühindikatoren zeigen uns Ungemach an. Ich sehe mir sehr gerne die Geschäftserwartungen der chemischen Industrie in Deutschland an und die sind im letzten Berichtsmonat auf minus 24,5 Prozent gefallen. Dieser Wert wurde seit 1994 nur in fünf Monaten unterschritten. Minus 24,5 Prozent ist ein verdammt schlechter Wert, der niedrigste Wert seit März 2009. Die Chemie steht ja in den Produktionsketten am Anfang und eignet sich daher als sehr guter Frühindikator. Wir haben ja in der vergangenen Woche auch Zahlen von BASF, Dow Chemical und DuPont bekommen. Die amerikanischen Chemiekonzerne DuPont und Dow Chemical bauen ja auch Arbeitsplätze ab. Das ist ja auch kein Zeichen dafür, dass das Geschäft gut läuft. Worauf will ich hinaus? Das hemmt natürlich derzeit die industrielle Nachfrage nach Silber. Hier wachsen momentan die Bäume eben nicht in den Himmel und das muss man auch den Anlegern sagen. Vor diesem Hintergrund sollte man etwas zur Mäßigung mahnen und vor Euphorie warnen. Die Leute sollten ihre Positionen nicht zu stark hebeln und nicht noch Hebelprodukte mit zehnfachem Hebel kaufen, weil man dann eben auch die Abwärtsbewegung gehebelt mitnimmt. Ich hatte ja bei über 35 Dollar meine Position deutlich abgebaut. Habe jetzt aber auch gesagt, dass der mutige Investor bei unter 32 Dollar an schwachen Tagen auch mal wieder etwas aufpicken kann. Das langfristige Bild ist natürlich sehr positiv. Ich bleibe auch dabei, dass wir ab Ende 2013 / 2014 sehr gute Chancen sehen sollten, die 100 Dollar zu überspringen. Allerdings speist sich diese Zuversicht nicht daraus, dass ich mit einem neuen großen Boom in der Weltwirtschaft und bei der industriellen Silbernachfrage rechne. Dies hatte ich ja Mitte 2010 bei der Prognose von 35 bis 50 Dollar geschildert. Hier wird es um die Fluchtbewegung aus dem Papiergeld gehen. Wir sehen noch immer nicht, dass die Zentralbanken zu viel tun, was dann eben auch zu einem starken Inflationsschub führen würde. Aber als aktuelles Beispiel kann man sich Japan ansehen. Japan hat ja jetzt angekündigt, dass es für 11.000 Milliarden Yen, also rund 100 Milliarden Euro, sein Staatsanleihenprogramm ausweiten wird. Das war sogar etwas weniger, als sich der Markt erhofft hatte. Es ist ja ganz interessant, dass im April des kommenden Jahres der japanische Notenbankgouverneur ausgetauscht wird. Wer immer sich da durchsetzen kann, wird eher eine geldpolitische Taube sein als ein Falke, weil es das erklärte Ziel praktisch aller Politiker im japanischen Parlament ist, dass die Notenbank mehr macht. Da sehen wir schon, dass es in Japan letztlich unausweichlich ist, dass die Bank of Japan mehr inflationieren wird. Allerdings müssen sie alles daran setzen, die Renditen der Staatsanleihen unten zu halten, weil inzwischen ich glaube 25 Prozent der japanischen Banken in japanischen Staatsanleihen stecken. In Großbritannien, als weiteres Beispiel, hat die Bank of England inzwischen 29,5 Prozent aller ausstehenden Staatsanleihen in ihren Büchern. Hätte die Notenbank nicht all diese Staatsanleihen erworben, stünde die Rendite garantiert nicht bei 1,7 Prozent wie aktuell.

Was wird stärker manipuliert? Das Papiergeld oder der Silberpreis?

Silber wird stärker manipuliert. Was ich meinen Abonnenten sehr gerne zeige, sind die Netto-Leerverkäufe der vier großen Händler. Das sind ja offiziell ausgewiesene Zahlen. Man muss sich nur die Mühe machen und zwei kleinere Berechnungen anstellen, dann kommt man auf diese Zahlen. Wenn ich dann sehe, dass diese Händler binnen weniger Wochen in der jüngsten Zeit beispielsweise 80, 90 oder 100 Millionen Nettoleerverkäufe getätigt haben, dann muss die Frage erlaubt sein, ob hier nicht eine marktbeherrschende Dominanz vorhanden ist, die den Vorwurf der Marktmanipulation als gerechtfertigt erscheinen lässt. Machen wir uns nichts vor: Die Finanzindustrie wie JP Morgan und andere Banken haben doch kein Interesse daran, dass immer mehr Investoren für Silber- und Goldinvestments gewonnen werden. Dann gerät nämlich der Glaube ans Papiergeld in Gefahr. Deshalb sollten sich die Leute auch nicht die Frage stellen, ob die Gold- und Silberpreise manipuliert werden. Natürlich werden sie immer wieder mal manipuliert, allerdings nicht ständig. Man kann es auch nicht ständig machen. Wenn ich beispielsweise Oberbürgermeister von Frankfurt wäre, könnte ich auch nicht von Staats wegen die Mieten um 30 Prozent reduzieren. Denn die Investoren würden einen großen Bogen um Frankfurt machen, so dass das Angebot an Wohnraum eher abnehmen würde und es zu einer Mangelwirtschaft führen würde. Für Silberinvestoren heißt das: Wenn JP Morgan und andere, diese vier großen Player, immer wieder große plötzliche Leerverkäufe tätigen, sorgen sie natürlich dafür, dass der Preis sinkt. Wenn der Preis aber unter seinem normalen Gleichgewichtskurs liegt, wird die physische Nachfrage aber weiter angeheizt. Wenn dann physische Knappheiten entstehen, weil der Markt ja unter den Gleichgewichtspreis gedrückt wurde, werde ich als Manipulator aber irgendwann schwindende Kräfte verspüren und dann kommt Druck. Das sorgt eben auch dafür, dass die Silberpreise über viele Monate enttäuschen, ein Markt völlig langweilig ist, die meisten Investoren dann sich auch von dem Markt abwenden, weil sie einfach enttäuscht sind. Und dann gibt es innerhalb von wenigen Wochen den ganz großen explosionsartigen Anstieg. In diesem Zusammenhang macht es auch Sinn, den Spruch ‚Never short a dull market!‘ wieder ins Gespräch zu bringen.

Ich habe mir diese Silbermünze für unter 30 Euro gekauft und gedacht: Das ist eine gute Investition. Eine Goldmünze hätte mich aber noch mehr gereizt. Die kostet aber 50-mal mehr. Wird es irgendwann so sein, dass sich dieses Verhältnis annähert?

Auf das Verhältnis eins zu eins werden wir nicht kommen. Es ist interessant, dass Bunker Hunt, von den Gebrüdern Hunt, den großen Silberspekulanten der 70er Jahre 1973, ein Gold-Silber-Ration von 5:1 vorgab. Daraus sprach aber bereits die Hybris und Arroganz von Hunt, denn dieses Verhältnis kann man aus Fundamentaldaten nicht ableiten. Wir wissen, dass das historische Verhältnis der Silber- zur Goldproduktion von 1900 bis heute bei einem Verhältnis von 8,3:1 liegt. Es wurde also ungefähr acht Mal so viel Silber gefördert wie Gold. Wir sehen bei den Ressourcen, die momentan wirtschaftlich aus dem Boden geholt werden können, ein Verhältnis von 10:1 oder 11:2. So dass ich mich als Silberjunge auch mit großer Überzeugung hinstelle und sage, dass das Verhältnis von 14:1, das wir gesehen haben 1968 und Anfang der 80er Jahre, mein Ziel ist. Es mag auch sein, dass wir vielleicht auf 10:1 oder 12:1 kommen. Aber wir müssen die Kirche mal im Dorf lassen. Wenn wir auf 15:1 oder 18:1 sinken, sollte man auch darüber nachdenken, Silber zu verkaufen. Es gibt ja auch noch andere Anlagemöglichkeiten.

Das würde ja bedeuten, dass der Silberpreis auf 100 Dollar oder höher steigt.

Ja, aber das ist eh alles relativ. Die Menschen und Medienvertreter wollen immer wieder, dass ich die 100 Dollar in den Raum werfe. Wesentlich interessanter ist aber die Frage, wie die Welt dann aussieht. Wie viel bekomme ich denn dann für 100 Dollar? Viel interessanter ist es, den Menschen Historien zu zeigen, beispielsweise zum DAX-Kursindex. Wie viele Unzen Silber brauche ich, um den DAX-Kursindex zu kaufen?

Vor kurzem kam ein älterer Herr zu mir, der 80 Prozent seines Vermögens in Gold und Silber investieren will. Ist das eine gute Idee?

Mir ist schon wichtig, gerade den Menschen in Deutschland zu sagen, dass man nicht alles in Edelmetalle stecken darf. Selbst ich habe gewisse Vorkehrungen getroffen. Generell werbe ich dafür, keine Klumpenrisiken zu haben. Wenn der Silberjunge also, der einen Abonnentenservice zu Silber betreibt, zwei Edelmetallbücher geschrieben hat und Vorträge zu Silber hält, auch noch sein gesamtes Vermögen in Silber investieren würde, dann hätte auch ich ein Klumpenrisiko aufgebaut, und das ist nicht gut. Wofür ich immer werbe: Silber bietet nachweislich den besten Inflationsschutz, aber Silber würde natürlich bei Deflation oder einem großen Einbruch der Weltwirtschaft unter die Räder geraten. Ich halte einen Einbruch wie 2008 momentan noch nicht für möglich, aber völlig ausschließen will ich das gegenwärtig nicht, angesichts der Aussagen, die ich schon heute getätigt habe zu den Frühindikatoren der Chemie. Ich habe heute zwar auch gelesen, dass die Einkaufmanagerindizes in Taiwan und Südkorea auf über 47 Punkte oder so angestiegen sind, aber sie liegen damit noch immer unter der Wachstumsgrenze von 50 Punkten. Wir hoffen natürlich darauf, dass die Japaner mehr tun und wir hoffen, dass die chinesischen Kommunisten nach dem 18. Parteitag die Schatulle aufmachen. Es gibt ja auch einige Besserungstendenzen in der Geldpolitik der Peoples‘ Bank of China. Noch ist Hoffnung im Spiel. Ich sehe mir ja viele Frühindikatoren an, und man sieht momentan noch nicht, dass die wirklich drehen. Weder bei den OECD-Frühindikatoren, noch bei denen, die ich eben angerissen habe. Deshalb bin ich momentan auch noch etwas vorsichtig. Aber ich möchte nochmal betonen, dass die großen Anstiege der Edelmetall in den nächsten ein bis zwei Jahren nicht kommen werden auf der Basis einer Boomphase der Weltwirtschaft, die dann zur aufkeimenden Inflationsangst führte, sondern hier wird es darum gehen, dass die Realwirtschaften bestenfalls mit Stagflation konfrontiert sind und die Notenbanken alles tun, dass das Ganze nicht deflationär kollabiert. Die Notenbanken werden also immer mehr Geld ins System geben und damit aber auch zunehmend eine Fluchtbewegung auslösen, die wir ja hier in Deutschland schon seit zwei bis drei Jahren beobachten können.

Im Sommer waren die Orderbücher von Silber-Aktien fast völlig ausgetrocknet. Jetzt ist es etwas stärker geworden. Ist es aktuell immer noch ein guter Zeitpunkt, um Silber-Aktien zu kaufen, oder ist Silber physisch besser?

Wenn man sich zum Beispiel die Leerverkäufe von Silver Wheaton ansieht, ist sehr schön feststellbar, dass acht Millionen Aktien verkauft waren Ende Februar. Wir wissen genau, was da war, nämlich das Silberhoch in diesem Jahr bei 37,50 Dollar. Es waren im Sommer aber nur noch zwei bis drei Millionen Aktien leerverkauft. Aktuell sind vier Millionen leerverkauft. Wir sind also von den warnenden Höhen Ende Februar noch deutlich entfernt. Aber ich kann mich natürlich nicht wie bei 26 oder 28 Dollar hinstellen und mit meiner tibetanischen Gebetsmühle wiederholen: Leute kauft. Das kann ich heute nicht, denn der Optimismus ist nicht so niedrig wie Mitte des Jahres. Beim 20-Wochendurchschnitt der Silberoptimisten lagen wir auf einem historischen Tief seit 2004, und das war genau in der Phase, als bei 26, 27 oder 28 Dollar wieder jeder sagte: Silber enttäuscht, seit Monaten geht es nur noch nach Süden. Das war dann ein sehr guter antizyklischer Kaufzeitpunkt. Ich werbe auch jetzt dafür, dass man antizyklisch investiert. Langfristig ist mein Optimismus unerschütterlich, aber das heißt nicht, dass wir nicht auch immer wieder Rückschläge sehen werden. Die Einbahnstraße gibt es nicht.

Wie sind Sie selbst investiert in diesem Umfeld?

Ich will nur sagen: Ich würde auch eine vierjährige Deflation wie 1929 aushalten. Dazu ermahne ich auch meine Leser immer wieder, dass man sich so aufstellt. Wenn man das tut, kann man auch massiver in Silber investieren. Dann kann man eben auch viel mehr als 10 oder 20 Prozent seines liquiden Gesamtvermögens in Edelmetalle stecken. Ich habe selbst natürlich wesentlich mehr als 10, 20 oder 30 Prozent meines Vermögens in Edelmetalle angelegt, weil ich auch einen deflationären Schock aushalten könnte. Ich setze bei meinem Edelmetall-Exposure hauptsächlich auf Silber, habe aber auch ein wenig Platin und Palladium. Sowohl bei Platin und Palladium haben wir allerdings eine hohe Abhängigkeit von Auto-Katalysatoren. Das macht natürlich jetzt diese Metalle verwundbar, wenn die Autoindustrie einem Tief entgegen geht. Deshalb bin ich kein großer Freund von Platin und Palladium und rate auch dazu, Silber deutlich überzugewichten, auch im Vergleich zu Gold. Wir sind aktuell beim Gold-Silber-Ratio von 53. Ein Verhältnis von 14:1 ist mein festes Ziel für die nächsten drei bis fünf Jahre, und wenn ich das vor Augen habe, investiere ich natürlich deutlich stärker in Silber als in Gold. Außerdem ist die Gefahr eines Goldverbots auf Sicht der nächsten drei bis fünf Jahre keine theoretische.

Vielen Dank für das Gespräch.

Die Fragen stellte Jochen Stanzl.

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Über den Experten

Jochen Stanzl
Jochen Stanzl
Chefmarktanalyst CMC Markets

Jochen Stanzl begann seine Karriere in der Finanzdienstleistungsbranche als Mitbegründer der BörseGo AG (jetzt stock3 AG), wo er 18 Jahre lang mit den Marken GodmodeTrader sowie Guidants arbeitete und Marktkommentare und Finanzanalysen erstellte.

Er kam im Jahr 2015 nach Frankfurt zu CMC Markets Deutschland, um seine langjährige Erfahrung einzubringen, mit deren Hilfe er die Finanzmärkte analysiert und aufschlussreiche Stellungnahmen für Medien wie auch für Kunden verfasst. Er ist zu Gast bei TV-Sendern wie Welt, Tagesschau oder n-tv, wird zitiert von Reuters, Handelsblatt oder DPA und sendet seine Einschätzungen über Livestreams auf CMC TV.

Jochen Stanzl verfolgt einen kombinierten Ansatz, der technische und fundamentale Analysen einbezieht. Dabei steht das 123-Muster, Kerzencharts und das Preisverhalten an wichtigen, neuralgischen Punkten im Vordergrund. Jochen Stanzl ist Certified Financial Technician” (CFTe) beim Internationalen Verband der technischen Analysten IFTA.

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