Kommentar
08:08 Uhr, 06.06.2007

Inflationsprognose 2008 ist der Schlüssel für die weitere Leitzinsentwicklung

1. EZB-Kompass: Der bei 50 Punkten neutrale EZB-Kompass stieg im Mai auf 69,0 Punkte. Der April-Wert wurde auf 68,2 Punkte heraufrevidiert. Sowohl die monetäre Säule (92,9 nach 93,5 Punkten) als auch die wirtschaftliche Säule (61,0 nach 59,7 Punkten) sprechen für ein restriktives Zinsniveau. Bei beiden Säulen erwarten wir für die nächsten sechs Monate eine Seitwärtstendenz, sodass die Argumente für steigende Leitzinsen bestehen bleiben. Vor allem die höheren Werte der wirtschaftlichen Säule haben dazu geführt, dass wir die bislang von uns für Dezember prognostizierte Erhöhung auf 4,25 % nun bereits im September erwarten.

2. Der Anstieg des Scores der wirtschaftlichen Säule im Vergleich zum Vormonat ist auf einen Anstieg der Industrieproduktion und des Economic Sentiments sowie auf eine höhere Consensus- Inflationserwartung zurückzuführen. Bei der monetären Säule bleiben die Signale seit Monaten gleich. Vor allem die Kreditvergabe signalisiert, dass die konjunkturelle Dynamik stark bleibt. Allerdings verunsichern die nationalen Unterschiede. In keinem Land der EWU steigen die Unternehmens- und privaten Wohnungsbaukredite so schwach wie in Deutschland mit 2,5 % yoy bzw. 0,4 % yoy. Die privaten Konsumentenkredite sind mit - 1,7 % yoy sogar rückläufig. In der Kreditstatistik lässt sich folglich nicht erkennen, dass der Euroland- Aufschwung in starkem Maße von Deutschland getragen wird. Stattdessen nehmen die Kreditvolumen in Italien und Spanien weiterhin mit zweistelligen Raten zu.

3. Für die weitere Zinspolitik werden die Revisionen der Inflations- und Wachstumsprognosen des Mitarbeiterstabes des ESZB sehr wichtig werden. Die BIP-Prognosen dürften von 2,5 % und 2,4 % für 2007 und 2008 auf 2,7 % und 2,5 % hoch revidiert werden. Für den Rentenmarkt kritischer dürften die Inflationsprognosen sein, die zuletzt bei 1,8 % für dieses und bei 2,0 % für nächstes Jahr lagen. Wir erwarten eine Revision der Prognose für 2007 auf 1,9 % und eine unveränderte Prognose für 2008 von 2,0 %. Das größte Risiko für den Rentenmarkt besteht darin, dass die EZB ihre Inflationsprognose für 2008 auf einen Wert von über 2,0 % anhebt. Dies würde signalisieren, dass die EZB bei dem aktuellen Niveau der Zinsstrukturkurve, die bereits einige Leitzinserhöhungen eingepreist hat, ihre Inflationsnorm auch mittelfristig nicht erreichen kann. Es würde die Notwendigkeit weiterer Leitzinserhöhungen sehr deutlich und eine längere Zinspause nach einer Erhöhung auf 4,25 % unwahrscheinlich machen. Die Erhöhung der Consensus- Inflationserwartungen für dieses Jahr auf 1,9 % hat glücklicherweise nicht zu einer Erhöhung der mittelfristigen am Kapitalmarkt eingepreisten Inflationserwartungen geführt. Die folgenden Grafiken zeigen, dass der Anstieg der Nominalzinsen in Euroland in den letzten Quartalen fast vollständig auf steigende Realzinsen zurückzuführen ist.

Unsere Prognose für die Inflationsrate 2008 bleibt bei 1,9 %, da wir davon ausgehen, dass der starke Anstieg der Lohnstückkosten sich 2008 nicht weiter fortsetzt. Dank eines stärkeren Produktivitätswachstums, das wir stärker als beispielsweise die EU-Kommission einschätzen, erwarten wir 2008 Raten um lediglich rund 1,0 % (s. Schaubild). Damit wären Preissteigerungen aufgrund einer Margenerhöhung zwar weiterhin möglich, jedoch nicht zu zwingend. Schließlich liegt der Outputgap auch nur leicht im positiven Bereich.

4. Kommunikationsprognose: Wir erwarten, dass Präsident Trichet auf der Pressekonferenz davon abrückt zu sagen, die Geldpolitik sei auf der akkomodierenden Seite. Stattdessen könnte er mit einer weicheren Formulierung wie „wahrscheinlich eher akkomodierend“ darauf hinweisen, dass das Leitzinsniveau von 4,0 % schon leicht restriktiv wirken könnte. Dies würde der EZB mehr Freiraum für eine Zinserhöhungspause liefern und käme denjenigen im EZB-Rat entgegen, die den Arbeitsmarkt in Euroland stärker und länger unterstützen möchten.

5. Rentemarktprognose: Aktuell ist am Geldmarkt bis März 2007 eine Zinserhöhung auf 4,5 % eingepreist. Die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen ist heute auf 4,48 % gestiegen. Sowohl das Geldmarkt- als auch das Kapitalmarktniveau liegen damit am oberen Ende der Spanne, die wir bei der aktuellen Lage im Konjunkturzyklus für vertretbar erachten. Sollte der Aufschwung auch 2008 und 2009 sich mit einer ähnlichen wie der aktuellen Dynamik fortsetzen, sind sicherlich auch höhere Renditeniveaus möglich. Der Rentenmarkt unterschätzt derzeit aber die Möglichkeit, dass der Aufschwung nicht sofort zu Inflationsgefahren führt und dass die EZB sich daher bei weiteren Zinserhöhungen etwas mehr Zeit lassen kann. Wir bleiben daher bei unserer Drei- und Sechsmonatsprognose von jeweils 4,4 % für zehnjährige Bundesanleihen und erachten die aktuellen Renditeniveaus folglich als attraktiv.

Quelle: DekaBank

Die DekaBank ist im Jahr 1999 aus der Fusion von Deutsche Girozentrale - Deutsche Kommunalbank- und DekaBank GmbH hervorgegangen. Die Gesellschaft ist als Zentralinstitut der deutschen Sparkassenorganisation im Investmentfondsgeschäft aktiv. Mit einem Fondsvolumen von mehr als 135 Mrd. Euro und über fünf Millionen betreuten Depots gehört die DekaBank zu den größten Finanzdienstleistern Deutschlands. Im Publikumsfondsgeschäft hält der DekaBank-Konzern einen Marktanteil von etwa 20 Prozent.

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Über den Experten

Thomas Gansneder
Thomas Gansneder
Redakteur

Thomas Gansneder ist langjähriger Redakteur der BörseGo AG. Der gelernte Bankkaufmann hat sich während seiner Tätigkeit als Anlageberater umfangreiche Kenntnisse über die Finanzmärkte angeeignet. Thomas Gansneder ist seit 1994 an der Börse aktiv und seit 2002 als Finanz-Journalist tätig. In seiner Berichterstattung konzentriert er sich insbesondere auf die europäischen Aktienmärkte. Besonderes Augenmerk legt er seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 auf die Entwicklungen in der Euro-, Finanz- und Schuldenkrise. Thomas Gansneder ist ein Verfechter antizyklischer und langfristiger Anlagestrategien. Er empfiehlt insbesondere Einsteigern, sich strikt an eine festgelegte Anlagestrategie zu halten und nur nach klar definierten Mustern zu investieren. Typische Fehler in der Aktienanlage, die oft mit Entscheidungen aus dem Bauch heraus einhergehen, sollen damit vermieden werden.

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