Kommentar
13:26 Uhr, 10.11.2022

Inflationsbekämpfung: Gut oder schlecht für Aktien?

Anleger zittern vor jedem Zinsentscheid einer Notenbank. Inflationsbekämpfung wirkt daher, als ob sie den Markt belasten würde. Das greift zu kurz.

Auf den ersten Blick belastet die Inflationsbekämpfung den Aktienmarkt. Höhere Zinsen und Liquiditätsentzug sind nichts, aus dem Anlegerträume entstehen. Das geht nicht nur Aktionären so, sondern auch der Wirtschaft und Politik. Höhere Zinsen machen zusätzliche Verschuldung nicht nur teurer, sondern auch unwahrscheinlicher. Großbritannien erlebt ein Debakel, als die Regierung die Schuldenaufnahme erhöhen wollte.

In der Wirtschaft wiederum sorgen höhere Zinsen zuerst für eine Abkühlung auf dem Immobilienmarkt. Höhere Kosten für Kredite dämpfen Investitionen. Am Ende kommt es zu Stagnation oder Rezession und höherer Arbeitslosigkeit. Aus diesem Blickwinkel betrachtet sind höhere Zinsen, ob zur Inflationsbekämpfung oder nicht, eigentlich immer unerwünscht.

Trotzdem wird die Notenbank nicht müde zu betonen, dass es sein muss. Inflation darf nicht über einen längeren Zeitraum zu hoch sein. Kurzfristig sorgt Inflationsbekämpfung in Form höherer Kreditkosten, geringeren Wachstums und höherer Arbeitslosigkeit für Schmerz. Langfristig ist es notwendig, damit es stabiles Wachstum und hohe Beschäftigung gibt.

Ob die Behauptung (niedrige und stabile Inflation ist eine Voraussetzung für Beschäftigung und Wachstum) stimmt, lässt sich nicht ohne jeden Zweifel beweisen. Es lässt sich aber erahnen, dass die Notenbank nicht ganz Unrecht hat. Ein Blick auf den Langfristchart des Aktienmarktes genügt. Grafik 1 zeigt den inflationsbereinigten Kursverlauf.


Langfristig zeigt der Trend nach oben. Zeitweise ist der Aktienmarkt über bzw. unter dem langjährigen Aufwärtstrend. Sucht man nach Gründen, weshalb es zu diesen Abweichungen kommt, erkennt man schnell eine Gemeinsamkeit. Der Markt fällt unter den Trend, wenn etwas mit der Inflation nicht stimmt.

In Zeiten stabiler und niedriger Inflation liegt der Markt tendenziell über Trend, in Zeiten hoher und volatiler Inflation darunter. Grafik 2 zeigt dazu einen kürzeren Ausschnitt, zusammen mit der Inflationsrate. Der kürzere Ausschnitt hat damit zu tun, dass die US-Notenbank erst 1913 gegründet wurde und gleich zu Beginn genau das tat, was man nicht tun sollte.


Kurz nach Gründung begann der Erste Weltkrieg. Die Notenbank finanzierte den Krieg durch Anleihekäufe fleißig mit. Staatsfinanzierung durch die Notenpresse ist die größte Sünde, die eine Notenbank begehen kann. Während der Großen Depression wurde die Geldpolitik gestrafft und während des Zweiten Weltkrieges wurden die Zinsen und Renditen von Anleihen sehr tief gehalten.

Einige dieser Fehler wurden 2020 wiederholt. Dennoch lässt sich erkennen, dass die Notenbank nach den Anfangsfehlern großen Erfolg hatte. Die Entwicklung der Inflationsrate wurde mit der Zeit immer stabiler (Grafik 3). Inflation ist ein Abbild der Wirtschaft. Besonders hohe, tiefe oder volatile Inflation sind ein Symptom einer Schieflage in der Wirtschaft.


Die Notenbank hat recht, wenn sie sagt, dass Stabilität eine Voraussetzung für langfristig solides Wachstum und hohe Beschäftigung ist. Inflation ist dabei ein wichtiger Grund, wenn auch nicht der einzige. Die Inflationsbekämpfung mag kurzfristig schmerzhaft sein, auch für Anleger. Die Alternative ist allerdings nicht besser, sondern schlechter. Langfristig sollten Anleger Inflationsbekämpfung begrüßen.

Clemens Schmale

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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