Kommentar
08:38 Uhr, 26.10.2016

Inflation kehrt zurück: Was das für Anleger bedeutet

In den kommenden Monaten gibt es für Anleger wohl eine böse Überraschung. Die Inflation steht vor der Tür und das hat Auswirkungen auf jedes Portfolio.

Wer Dividenden liebt und sich mit Dividendentiteln eingedeckt hat, steht möglicherweise vor einer bösen Überraschung. Dividenden galten mehrere Jahre als die neuen Zinsen, doch damit ist nun womöglich Schluss. Das Sentiment dreht und Dividendentitel werden verkauft.

Besonders deutlich wird der Trend und die Gefahr, wenn man den US-Versorgersektor betrachtet. Grafik 1 zeigt den Dow Jones Utilities Average im Vergleich mit der Inflationsrate. Es zeigt sich ein klarer Zusammenhang. Je höher die Inflation ist, desto tiefer fielen die Aktien der Versorger.

Der Grund dafür liegt auf der Hand. Versorger haben ein stabiles Geschäftsmodell, haben dafür aber begrenzte Wachstumsperspektiven. Ein Großteil des Gewinns fließt in Form von Dividenden an Anleger zurück. Versorgeraktien haben somit einen gewissen Anleihecharakter. Dieser Charakterzug wird dem Sektor nun zum Verhängnis.

Versorger können ihre Dividenden nicht einfach unbegrenzt erhöhen, wenn die Inflation steigt. Steigt aber die Inflation und bleibt die Dividende gleich, dann liegt die reale Dividendenrendite plötzlich sehr viel tiefer. Genau das scheinen Anleger nun zu befürchten. Während der Gesamtmarkt seit Monaten relativ stabil ist, haben Versorger im Durchschnitt an die 10 % Kursverlust zu verbuchen.

Steigt die Inflation nun in den kommenden Monaten weiter an, trifft dies nicht nur Versorgeraktien, sondern alle Aktien, die hohe Dividenden zahlen, aber kaum Perspektive auf Wachstum haben. Dazu gehört etwa auch der Immobiliensektor, wo Fonds und ETFs in den letzten Jahren hübsche Renditen gebracht haben. Diese Party geht nun so langsam zu Ende.

Man kann sich nun trefflich darüber streiten, ob ein Inflationsanstieg überhaupt nachhaltig ist. In den USA bewegt sich die Inflation langsam wieder Richtung 2 %. Soweit ist es in der Eurozone noch lange nicht, doch auch hier zeigt sich eine Belebung. Dank steigender Rohstoffpreise gab es zuletzt immerhin eine Teuerungsrate von 0,4 %. Das wirkt nicht sensationelle, ist aber immerhin der höchste Wert seit zwei Jahren.

In China steigt die Inflation ebenfalls. Nach einem langen Abwärtstrend feierte die Inflation ihr Comeback, indem sie gleich von 1,3 % auf 1,9 % nach oben sprang. In Kanada und Australien scheint die Inflation ebenfalls einen Boden auszubilden. Selbst in der Schweiz, die seit zwei Jahren in der Deflation steckt, kratzt die Teuerungsrate wieder am positiven Bereich. Kurz gesagt: weltweit deutet sich eine Trendumkehr an. Ausnahme ist lediglich Japan. Hier fällt die Inflation nach wie vor.

Als wäre ein Inflationsanstieg für Dividendenaktien nicht schon schlimm genug, kommt noch ein zweiter Belastungsfaktor hinzu. Nicht nur die Inflation arbeitet an einer Trendwende, sondern auch die Zinsen. In den USA kehrten die Langfristzinsen bei ihrem bisherigen Tief aus dem Jahr 2012 wieder um. Es besteht Grund zu der Annahme, dass sich dadurch nun die vier Jahre andauernde Bodenbildung der Vollendung nähert.
Selbst wenn sich der Inflationstrend nicht so fortsetzt wie in den letzten Monaten, so bleibt immer noch der Belastungsfaktor Zinsen. Ein nachhaltiger Inflationsanstieg begünstigt eine beschleunigte Zinswende, doch selbst ohne Inflation dürften Zinsen nicht weiter fallen.

Die US-Notenbank ist mehr oder minder fest entschlossen die Zinswende fortzuführen. In Japan hat die Notenbank das Ziel ausgegeben, dass Langfristzinsen nicht weiter fallen dürfen und in Europa wird deutlich, dass die EZB bald die Abwicklung ihres QE Programms verkünden wird.

In der vergangenen Woche bestätigte Draghi, dass die EZB weder über ein Ende, noch über eine Verlängerung des QE Programms diskutiert habe. Ein abruptes Ende sieht er jedoch auch nicht. Im Klartext heißt das: QE läuft bis März 2017. Danach werden die monatlichen Käufe wahrscheinlich zurückgefahren, bis das Programm 9 bis 12 Monate später komplett eingestellt wird. Unter diesen Bedingungen sind weiter fallende Zinsen kaum denkbar.

Die große Zinswende – nachdem die Zinsen 35 Jahre lang fielen – wird immer offensichtlicher. Für Aktien bedeutet das, dass eine große Sektorrotation stattfinden wird. Dividendentitel werden tendenziell weniger gut performen als Wachstumswerte und zyklische Werte.

Clemens Schmale

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7 Kommentare

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  • tschak
    tschak

    Rational gedacht wollen die "normalen" Anleger immer in den Sektor/Assets, wo sie mit RELATIV (zu anderen Asset-Klassen und Subkategorien) geringem Risiko die möglichst hohe Rendite - eben zu angemessenem Risiko - erhalten. Eindeutig -insbesondere- in ZEITEN WIE DIESEN, wo Wirtschaftswachstum unsicher ist - Richtung WACHSTUMSWERTE, die auch relativ konjunkturunabhängig stark (überhaupt rel. sicher) wachsen können. WER IST DAS WOHL? Industrie 4.0, Social Media, Online etwa????? *grübl grübl* *ggg*

    09:28 Uhr, 27.10.2016
  • Jo1807
    Jo1807

    Herr Schmale, meine Vorredner haben es schon gesagt, trotzdem möchte ich Ihnen nochmal widersprechen: Wesentlich höhere Zinsen kann es in diesem Einbahnstraßen-Finanzsystem nicht mehr geben. Das würde in kurzer Zeit zur Pleite vieler Staaten führen, allen voran den EU-Südländern. Und Herr Draghi hat ja nur dieses Ziel: "Seine" Südländer zu retten - und das geht nur mit Mini-Zinsen und fortlaufendem QE. Wer soll denn sonst all die zinsschwachen Staatsanleihen mit hohem Ausfallrisiko kaufen ???!

    17:36 Uhr, 26.10.2016
  • Joey-the-bee
    Joey-the-bee

    Herr Schmale ich finde Ihren Bericht sehr gut. Ob nun regulatorische Maßnahmen das mittelfristig zulassen ist wiederum eine andere Frage. Früher oder später müssen sich jedoch steigende Zinsen alleine aufgrund der maßgeblich erhöhten Geldmenge durchsetzen.

    10:35 Uhr, 26.10.2016
  • RoadyO
    RoadyO

    Eine mittelfristige Steigerung an normale Zinsniveaus wird es nicht geben weil es dies einfach nicht möglich ist. Dabei ist die Frage was ist "normal" 2%? 4%? 6%?

    Wir sollten uns daran gewöhnen, dass the new normal ein Maximalzins bei 2% oder darunter liegen ist und das auf Sicht von Jahrzehnten.

    Die weltweite Verschuldung besonders der Staaten lässt mehr einfach nicht zu, es sei denn es gibt irgendwann ein Wirtschaftswunder das nicht auf Ausbau von Kapazitäten besteht oder das aktuelle System platzt vorher.

    Ich persönlich finde die Idee des Negativzinses sogar richtig gut! Die müsste aber global der Fall sein und es müsste global einheitliche Versteuerungen auf Anlagekapital geben.

    Denn das Kernproblem dieses Systems sehe ich in der doch skurrilen Verteilung des Vermögens.

    Versteht mich nicht falsch, ich bin Kapitalist! Aber die teilweise riesigen Vermögen die über Generationen vererbt werden und oft aus Verbrechen an der Menschheit resultieren sind für mich ein Unding und müssen "bekämpft" werden.

    Leider wird sich daran aber nichts ändern, denn VOTE FOR HILARY! Die nur eine Marionette genau dieser Schergen ist.

    10:08 Uhr, 26.10.2016
  • bembes
    bembes

    Herr Schmale......Sie glauben, dass das QE am 31.3.2017 ausläuft...wie kommen Sie denn darauf...Draghi sagt was ganz anderes und muss vorher noch Italien retten. Wenn die Zinsen in Europa steigen würden, wäre es schlecht um die Südländer sowie Italien und Frankreich bestellt. Auch Super-Schäuble hätte dann Probleme, höhere Zinszahlungen und dann noch die Wohltaten für die vielen Asylanten und Wirtschaftsflüchtlingen sowie die Nachzüge zu fingenzieren...aber der blöde Deutsche wirds schon richten ( wir sind ja ein reiches Land ) !!!

    09:57 Uhr, 26.10.2016
    2 Antworten anzeigen

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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