Kommentar
07:20 Uhr, 24.11.2017

Inflation: Das ökonomische Rätsel

Notenbanker zeigen sich immer wieder verwundert über die Vorgänge in der Wirtschaft. Bisweilen erwecken sie gar den Eindruck, dass die Theorie keinen Sinn mehr macht.

Janet Yellen machte vor zwei Monaten eine etwas ungeschickte Bemerkung, die noch immer nachhallt. Sie gestand, dass ihr die niedrige Inflation ein Rätsel ist. Das wirkte so, als ob sie im Dunkel herumtappen würde und nicht weiß, wo was ist. Dieser Eindruck täuscht.

Was Notenbanker verwundert ist der derzeit schwache Zusammenhang aus Wirtschaftswachstum, Arbeitslosigkeit, Löhnen und Inflation. Bei niedriger Arbeitslosigkeit sollten die Löhne stärker steigen. Ist Arbeit knapp, die Nachfrage aber groß, muss der Preis steigen, also die Löhne. Das ist Angebot und Nachfrage.

Löhne steigen nur leicht - noch

Die Löhne wollen aber trotz niedriger Arbeitslosigkeit kaum steigen. Entsprechend bleibt auch die Inflation insgesamt ungewöhnlich niedrig. Das ist verglichen mit früheren Konjunkturzyklen tatsächlich verwunderlich, aber keinesfalls ein Rätsel. Weder die USA, noch andere Länder, existieren ganz für sich alleine.

Global ist das Angebot an Arbeitskraft noch immer groß. Das hält die Inflation nicht alleine niedrig. Nur weil in Griechenland die Löhne gerade nicht steigen, verlegt ein Unternehmen seine Produktion ja nicht von heute auf morgen dorthin. Der Faktor Arbeit lässt sich nicht von heute auf morgen durch die Verlegung der Produktion in andere Länder substituieren. Dafür kann etwas anderes ausgewechselt werden und zwar relativ schnell: die Produkte selbst.

Die weltweiten Produktionskapazitäten stiegen bereits vor 2008 und mitten in der Krise – Konjunkturprogrammen sei Dank – stiegen sie noch weiter. Diese Überkapazitäten werden nur langsam abgebaut. Erst wenn das geschehen ist, können auch die Preise und Löhne wieder nachhaltig und schneller steigen.

Japan legt los - besser spät als nie

Die ökonomische Theorie hat sich noch nicht als falsch erwiesen. Man kann sogar das Gegenteil behaupten. In Japan sehen wir wie das geht. Japan befindet sich in einem Boom wie es ihn schon lange nicht mehr gab. Das wirkt bei Wachstumsraten von 1 % zwar hochgegriffen, doch für ein Land, dessen Bevölkerung schrumpft, ist das viel.

Die Wirtschaft läuft derzeit über Potential (Grafik 1). Das lässt sich anhand des Output Gap erkennen. Ist dieses positiv, dann liegt die Wirtschaftsleistung über ihrem Potential. Sind die Werte negativ, liegt es darunter. Wächst eine Wirtschaft über Potential, zeigt sich das unter anderem daran, dass die Ressourcen knapp werden, in diesem Fall die Produktionskapazität. Japanische Unternehmen sehen erstmals seit 2008 wieder Engpässe.

Solche Engpässe machen es schwierig noch höheres Wachstum zu erzielen. Ein wenig Luft nach oben hat Japan allerdings noch. Grafik 2 zeigt die Kapazitätsauslastung und das Wachstum. Es geht noch knapper, bevor das Wachstum zu leiden beginnt.

Knappheit (höhere Nachfrage als Angebot) sollte mit höheren Preisen einhergehen. Das hat in der Vergangenheit tatsächlich so funktioniert (Grafik 3). Waren die Produktionskapazitäten ausgelastet, stiegen auch die Preise. 2014 war eine Ausnahme, da eine Mehrwertsteuererhöhung die Inflation nach oben trieb und nicht knappe Kapazität.

Nun wird Kapazität wieder knapp. Preiswunder darf man nicht erwarten. Gewisse Trends wie die schrumpfende Bevölkerung wirken der Inflation entgegen. Nichtsdestotrotz zeigt sich eine erste vorsichtige Regung bei den Preisen. Bleibt der Boom bestehen, kann Japan tatsächlich noch einmal 2 % Inflation erreichen. Mehr liegt wahrscheinlich nicht drin, auch wegen globalen Substitutionseffekten. Diese schaffen Inflation aber nicht ab, sie dämpfen sie lediglich. Theorie und Praxis gehen immer noch Hand in Hand.

Clemens Schmale

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3 Kommentare

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  • pilly
    pilly

    " Bei niedriger Arbeitslosigkeit sollten die Löhne stärker steigen. Ist Arbeit knapp, die Nachfrage aber groß, muss der Preis steigen, also die Löhne"

    Kapiere ich nicht,also müssen die Löhne immer steigen?!

    11:05 Uhr, 24.11.2017
    1 Antwort anzeigen
  • Löwe30
    Löwe30

    "Sie gestand, dass ihr die niedrige Inflation ein Rätsel ist. Das wirkte so, als ob sie im Dunkel herumtappen würde und nicht weiß, wo was ist. Dieser Eindruck täuscht."

    Dieser Eindruck täuscht nicht. Denn die Notenbanker tappen tatsächlich im Dunkeln. Das wird deutlich, wenn man folgende Überlegungen zugrunde legt:

    „Die Marktwirtschaft als solche respektiert keine politischen Grenzen. Ihr Bereich ist die Welt.[43]… Es ist nicht „Amerika“, das Champagner von „Frankreich“ kauft. Es handelt sich immer um einen individuellen Amerikaner der ihn von einem individuellen Franzosen kauft. … Solange es noch Handlungsspielräume für Individuen gibt, soweit es privaten Besitz und Handel mit Gütern und Dienstleistungen gibt, gibt es keine Volkswirtschaft. Nur wenn es eine völlige Regierungskontrolle anstelle der Wahlmöglichkeiten der Individuen gibt, gibt es eine Volkswirtschaft als reale Einheit.“[44]

    "Alle Methoden, die vorgeschlagen werden, um die Änderungen der Kaufkraft einer Geldeinheit zu messen, basieren, mehr oder weniger unbeabsichtigt, auf der illusorischen Einbildung eines unsterblichen und unveränderbaren Wesens, das vermittels eines unabänderlichen Standards die Menge der Befriedigung festlegt, die ihm eine Geldeinheit bringt. … Nur wenn Menschen die gleichen Dinge immer gleich bewerten würden, könnten wir Preisänderungen als einen Ausdruck der Änderung der Kaufkraft des Geldes ansehen.“[45]

    Ludwig von Mises: Human Action, [43] pg 319 [44] pg 323, [45] pg 221.

    09:47 Uhr, 24.11.2017

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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