Kommentar
06:04 Uhr, 25.07.2016

Immobilien: Jetzt beginnt die Übertreibung!

Alle Blasen platzen irgendwann einmal. Wann es auf dem Immobilienmarkt soweit ist, kann man noch nicht abschätzen. Dass die Übertreibung beginnt, lässt sich hingegen sehr wohl erkennen.

Ballungszentren dominieren den Preistrend

Bereits vor zwei Jahren äußerte die Deutsche Bundesbank vorsichtige Bedenken, was die Bewertungen von Immobilien anbelangt. Seither ist viel geschehen. Die Zinsen sind noch einmal deutlich gefallen. Die Preise von Immobilien sind hingegen deutlich gestiegen. Das gilt für Deutschland insgesamt, ganz besonders aber für Ballungszentren wie München, Berlin oder Stuttgart.

Die Entwicklung der Preise auf Landesebene, wie sie in Grafik 1 gezeigt wird, sieht eigentlich noch nicht nach einer maßlosen Übertreibung aus. Die Preise sind seit der Finanzkrise immerhin „nur“ 28 % gestiegen. Im Vergleich zu vielen anderen Märkten ist das viel. Die Preise in Irland, Spanien oder auch Frankreich sind noch dabei sich zu erholen bzw. stagnieren.


Hauspreisindizes, die den Durchschnitt eines Landes abbilden, täuschen über die Entwicklungen in einzelnen Regionen hinweg. In München sind teilweise Preissteigerungen von 20 % pro Jahr möglich. In Amsterdam stiegen die Preise zwischen Anfang 2015 und Anfang 2016 ebenfalls um mehr als 20 %.

Die Einkommen steigen nicht annähernd mit

Wenn Preise deutlich schneller steigen als die Einkommen, dann kann es sich nur um eine Übertreibung handeln. In den meisten Ländern stagnieren die Einkommen. In Deutschland steigen sie real leicht an, doch mit dem Anstieg der Immobilienpreise können sie kaum mithalten. Die Folge: immer weniger Menschen können sich eine Immobilie leisten.

Die Preise steigen solange, bis die Liquidität des Marktes austrocknet. Das ist der Punkt, an dem die Preise soweit gestiegen sind, dass sich zu wenige Menschen noch den Kauf leisten können. Da helfen auch ultraniedrige Zinsen nicht.

Niedrige Zinsen helfen zwar den Kauf leistbarer zu machen, doch es geht nicht nur darum, sich die Zinsen leisten zu können. Selbst wenn der Zins irgendwann bei 0 % liegt, kann man eine Immobilie noch immer nicht zu 100 % finanzieren. Man muss schon etwas Eigenkapital mitbringen. Wer ein Haus um 1 Mio. Euro kaufen will, wird zweifelsohne rund 200.000 Euro Eigenkapital mitbringen müssen. Der Durchschnittsbürger hat das nicht.

Selbst wenn jemand 200.000 Euro zur Verfügung hat, muss das Einkommen reichen, um den Kredit bedienen zu können. Die niedrigen Zinsen erleichtern dies, doch jede Zinsbindung läuft einmal aus. Dann kann das böse Erwachen drohen.

Das eine Problem entsteht bei Umschuldung der Kredite in Jahrzehnten...

Derzeit sieht es nicht nach einer Zinswende aus. Vielmehr wird immer absehbarer, dass die Zinsen noch weiter fallen werden und dann für lange Zeit auf diesem niedrigen Niveau verharren. Wer sich jetzt verschuldet, muss sich lange Zeit keine Gedanken über Kreditzinsen machen.

Die Gefahr auf dem Immobilienmarkt liegt auf Sicht der kommenden Jahre bzw. Jahrzehnte nicht unbedingt im Zinsänderungsrisiko. Vielmehr gibt es ein demographisches Risiko, welches sich letztlich als Liquiditäts- und Preisrisiko herausstellt.

Das größere Problem ist aber die Entwicklung der Bevölkerungszahl

Grafik 2 zeigt die Bevölkerungsentwicklung in der EU, der Eurozone und einigen ausgewählten Ländern. Wenn man eine Immobilie kauft oder sie als Investitionsobjekt betrachtet, muss man einen gewissen Weitblick haben. Im Normalfall spricht man von 30 Jahren. Innerhalb der nächsten 30 Jahre wird die Bevölkerung in Deutschland rückläufig sein. Der Prozess hat bereits begonnen. In Europa wird die Bevölkerung in den 20er Jahren zu schrumpfen beginnen. Ab 2046 wird die Bevölkerung in Ländern mit hohem Einkommen zu stagnieren beginnen.

Die Bevölkerung schrumpft in vielen Ländern nicht nur, sie wird auch immer älter. Derzeit geht die Babyboomer Generation in den Ruhestand. In 10 bis 20 Jahren werden sie ihre Immobilien verkaufen müssen bzw. vererben. Es ist von einem Angebotsschub auszugehen. Gleichzeitig wird weniger Wohnraum benötigt.

Das sind Faktoren, die in 2016 noch keine Rolle spielen und keinen Einfluss auf die Preise haben. Im Gegenteil sogar, der Wohnraum ist in einigen Gegenden knapp. Der Zuzug in Ballungszentren ist nach wie vor intakt. Das treibt die Preise nach oben. Zu allem Überfluss sind die Zinsen so niedrig und Menschen wollen ihr Geld irgendwo parken, dass sie Immobilien kaufen. Beide Faktoren verstärken den Preisauftrieb.

Alle wollen kaufen und zwar JETZT

Würde der Nachfrageanstieg nach Immobilien nicht so plötzlich stattfinden, sondern über viele Jahre, dann sähe die Entwicklung ganz anders aus. Es wollen aber gerade jetzt alle eine Immobilie, weil die Zinsen so niedrig sind. Es entsteht eine ungewöhnlich große Nachfrage. Das Angebot kann da nicht mithalten.

Die Preise steigen. Das wiederum macht es attraktiv neue Wohnungen zu bauen, also für mehr Angebot zu sorgen. Spult man nun 10 Jahre vor, dann ist das Angebot plötzlich relativ groß, während der demographische Wandel für einen Nachfrageknick und zusätzlichen Angebotsschub sorgt. Man muss kein besonders begnadeter Immobilienfachmann sein, um zu erkennen, dass das langfristig nicht gutgehen wird.

In 10-20 Jahren ist das Angebot deutlich höher und die Nachfrage niedriger

Selbst in Ländern wie Italien, in denen die Preise derzeit eher stagnieren, baut sich eine Blase auf. Man stelle sich das aktuelle Preisniveau einfach bei einer 10 % kleineren Bevölkerung vor. Ist der Preis dann noch angemessen? – Wohl kaum. Die Preise müssten eigentlich sinken, anstatt zu steigen. Da sie das nicht tun, laufen die Bewertungen und die gesellschaftlichen Realitäten immer weiter auseinander. Es braucht nicht einmal einen Zinsanstieg, um dieses Ungleichgewicht irgendwann zum Kippen zu bringen.

Clemens Schmale

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22 Kommentare

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  • manfred37
    manfred37

    Hallo Herr Schmale,

    Sie haben in Ihrem Artikel nicht berücksichtigt,dass zum einen die gewünschte Wohnfläche je Einwohner seit Jahren steigt.Zum anderen haben wir einen Bevölkerungszuwachs durch Flüchtlinge und dauernd bleibende " Gastarbeiter"

    Ich würde gerne wissen inwieweit Sie daseingerechnet haben.

    mfg manfred37

    11:31 Uhr, 25.07.2016
    1 Antwort anzeigen
  • Mitdenker
    Mitdenker

    Jetzt beginnt die Übertreibung????? Ich sehe die Übertreibung seit 3 Jahren!!! Besonders in Ballungszentren... Und weiß jemand wie hoch der Anteil fauler Kredite in Italien an Hyphotheken ist??????

    07:40 Uhr, 25.07.2016
  • angola_murksel
    angola_murksel

    der Demografie-Pabst Prof. Meinhard Miegel sagte in Büchern und Vorträgen Mitte der Neunziger für das Jahr 2020 bereits einen Bevölkerungsrückgang von 82Mio. auf 76Mio in Dtld. voraus. Wie falsch das war, kann man anhand der aktuellen Bevölkerungszahlen sehen. Es gibt keinen Grund derzeit, anzunehmen, daß die Bevölkerungszahl in Dtld. in Zukunft abnehmen werde, eher das Gegenteil, wenn man mit einer gewissen Logik die Probleme der Welt analysiert.

    Was die aktuellen Preise für Immobilien anbelangt: Um grundsätzlich für Gesamt-Deutschland von einer Blase zu sprechen muß man auch gesamtdeutsch die Immobilienpreise betrachten und nicht nur in ausgewählten Ballungszentren. Sie bekommen in großen Teilen Niedersachsens, Brandenburgs, Meck-Pomms. oder Sachsens und Sachsen-Anhalts, sowie in kleinerern Regionen Thüringens und Bayerns für 100.000 € Häuser und Höfe, für die man in den Zentren gut und gerne das Zehnfache oder noch mehr bezahlen muß. Also wenn ich 20km von Greifswald ( Universitätsstadt, 50.000 Einwohner, Ostseestadt ) ein Bauernhaus bekomme, mit Nebengelaß und 5000m² Wind ums Haus, sicherlich renovierungsbedürftig, dann ist das sicherlich keine Blase. Die Blasen gibt es regional begrenzt und deren Platzen wird wohl durch den weiteren Zuzug in die Zentren verhindert werden, auch wenn die Fakten, die Herr Schmale anführt, irgendwie wirken werden. Billiger wird es dort trotzdem nicht.

    13:24 Uhr, 24.07.2016
  • S_o_r_o_s
    S_o_r_o_s

    Was 2007 in Amerika passiert ist, das geschieht (in abgemilderter Form, weil hier die Leute kreditwürdig sein müssen) gerade in Deutschland.

    Die niedrigen Zinsen werden für viele der heutigen Häuslebauer noch fatale Folgen haben.

    12:38 Uhr, 24.07.2016
  • S_o_r_o_s
    S_o_r_o_s

    Ein weiteres Problem, was zum Platzen der Immobilienblase führen wird ist, dass einfach zu viele Leute bauen, die sich das mit Ach und Krach gerade so leisten können.

    Ich sehe es bei uns in der Stadt:

    Ende der 90er wurde plötzlich überall gebaut und es entstanden neue Baugrundstücke am Stadtrand. Zwei Jahre später bin ich da spazieren gegangen und an jedem 10. Haus stand "zu verkaufen", teilweise im Rohbau.

    Bei vielen Bauherren ist es doch so:

    Beide verdienen gutes Geld und solange beide gut verdienen funktioniert die Finanzierung. Sollte der deutsche Wirtschaftsmotor mal in Stottern geraten und einer (oder Schlimmstenfalls beide!) verlieren den gutbezahlten Job, wird es richtig eng.

    Da kann man dann zuschauen, wie etliche Häuser gleichzeitig auf den Markt geschossen werden und die Preise zu purzeln beginnen.

    Momentan wird hier wirklich jedes Stück Acker, was irgendwo frei wird als teures Bauland verkauft. In solchen Situationen sollte man sich stark zurückhalten, denn es ist wie an der Börse - die Masse liegt immer falsch.

    Geht mal in zwei, drei Jahren durch die neuen Baugebiete. Schnäppchen auf Schnäppchen ;)

    12:35 Uhr, 24.07.2016
    2 Antworten anzeigen
  • Bullen-Helga
    Bullen-Helga

    f

    09:47 Uhr, 24.07.2016
  • Gargol
    Gargol

    Für mich ganz einfach:

    knappe Güter steigen im Preis,

    alternativlose Güter werden noch teurer,

    in Krisenzeiten der letzten Jahrhunderte haben Gold, Silber und Immobilien überlebt,

    heute würde ich bestimmte Aktien auch noch als relativ krisenfest sehen, aber

    Immobilien gehören bei jeder Geldanlage dazu ohne ein Klumpenrisiko zu produzieren.

    Stimme oben zu, Deutschland ist

    Zuwanderungsland, alleine 2 Millionen letztes Jahr und der Trend zu Singlehaushalten und mehr QM pro Person hält an. Altimmobilien steigen auch im Wert mit

    zunehmender Verschärfung gesetzlicher Bestimmungen und den damit verbundenen drastischen Baukostensteigerungen bei den Neubauten.

    Immobilien sind in Extremzeiten bei Nullzins oder inflationären Zeiten immer eine gute Geldanlage, wenn man die richtigen besitzt.

    Der aktuelle Immonbilienboom mag nicht so weitergehen, aber die Umschichtung von Geldvermögen im Immobilien hält so lange an, wie unsere Geldpolitik so weiter macht. Und da sehe ich noch keine Ende, das jedoch als Ende mit Schrecken noch kommen wird.

    So lange wir noch keine Kolchosen und Genossenschaften haben, sind für mich Immobilien nach wie vor ein Muss, aber selbst hier wurden Enteignungen zum Teil rückgangig gemacht, auch wenn es dann erst den Kindern hilft.

    09:16 Uhr, 24.07.2016
  • Kasnapoff
    Kasnapoff

    Wie sagt der schlaue Großbauer Obersteiger zu seinem heiratswilligen Sohn Max, der die Wahl hat zwischen einer hässlichen Reichen und einer armen Schönen: Liebe vergeht, Grund und Boden besteht. Drum prüfe wer sich ewig bindet, ob Bimbes sich zu Kohle findet..........

    20:36 Uhr, 23.07.2016
  • Schnutzelpuh
    Schnutzelpuh

    Grund und Boden und Immobilien werden immer seinen Wert haben. Das bei uns die Bevölkerung schrumpfen wird, ist immer wieder das Ammenmärchen, das gegen Immobilien aus dem Hut gezaubert wird. Die Völkerwanderung hat jetzt erst begonnen. Mit dem jetzt schon absehbaren Klimawandel wird das in Zukunft noch verstärkt, da wird Deutschland immer einen gewissen Anziehungspunkt haben. Ich jedenfalls fühle mich mit meinen vermieteten Immobilien sauwohl. Das sind wahre Sachwerte, die noch einigermaßen Zinsen (Mietzinsen) abwerfen.

    Zu den Immobilienpreisen in den Ballungszentren kann ich nur soviel sagen, dass immer erzählt wird, dass aber jetzt die Grenze erreicht ist. Ich wohne seit 1983 in München und damals wurde schon erzählt die Preise können nicht mehr steigen. Das Ergebnis ist jedem bekannt und sie werden weiter steigen. Zu den Megastädten wie London und New York usw. ist noch viel Luft.

    18:58 Uhr, 23.07.2016

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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