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10:13 Uhr, 06.03.2024

IfW senkt Wachstumsprognose 2024 auf 0,1 Prozent

Von Andreas Kißler

BERLIN (Dow Jones) - Deutschlands Weg aus dem Konjunkturtief verlängert sich laut jüngster Prognose des Kiel Instituts für Weltwirtschaft (IfW). Erst nach dem Frühjahr zeichne sich eine moderate Erholung ab, erklärte das Institut. Im Winterhalbjahr dürfte die Wirtschaftsleistung noch schrumpfen und im Gesamtjahr 2024 mit einem Plus von 0,1 Prozent kaum mehr als stagnieren. Damit revidierte das IfW nach eigenen Angaben seine Erwartungen aus der Winterprognose deutlich um 0,8 Prozentpunkte nach unten. Für 2025 ließ das IfW seine Prognose unverändert und sieht den Zuwachs der Wirtschaftsleistung bei 1,2 Prozent.

"In der deutschen Konjunktur drücken zurzeit eine ganze Reihe von Faktoren auf Stimmung und Wirtschaftsdaten. Die Exportwirtschaft leidet unter einer schwächelnden Weltkonjunktur, die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank wirkt restriktiv und dürfte das auch noch bis ins kommende Jahr hinein tun, und die Sparanstrengungen der Bundesregierung kommen zu einem ungünstigen Zeitpunkt und versprühen zusätzlichen Pessimismus", sagte IfW-Präsident Moritz Schularick.

Das Institut betonte, die erwartete Wirtschaftsleistung liege 2025 nur 2 Prozent über dem Niveau, das vor Ausbruch der Corona-Pandemie vor sechs Jahren erreicht worden sei. "Die deutsche Konjunktur fasst zwar im Laufe des Jahres wieder Tritt, große Sprünge sind aber nicht in Sicht", sagte IfW-Konjunkturchef Stefan Kooths. Es mehrten sich die Anzeichen, dass vor allem strukturelle Probleme auf der Wirtschaft lasteten. "Schwachpunkt bleiben die privaten Investitionen, auch weil die Wirtschaftspolitik viel Unsicherheit schürt." Zudem schätze das IfW die unternehmerische Investitionstätigkeit nunmehr deutlich schwächer ein. Die Ausrüstungsinvestitionen dürften im laufenden Jahr um 1,3 Prozent zurückgehen, nächstes sei eine Steigerung um 1 Prozent möglich.

   Inflationsrate sinkt unter 2 Prozent 

Der Aufschwung werde maßgeblich getragen durch eine allmählich einsetzende Belebung des privaten Konsums und ein nach und nach anziehendes Auslandsgeschäft. Die jeweiligen Auftriebskräfte - steigende Massenkaufkraft im Inland dank hoher Lohnabschlüsse bei rückläufiger Inflationsrate sowie eine anziehende Auslandsnachfrage - fielen jedoch schwächer aus beziehungsweise setzten später ein als bislang erwartet. Die Inflationsrate sei rückläufig: Nach 8,2 Prozent im ersten Quartal des Jahres 2023 sei sie im Januar und Februar bereits auf 2,9 respektive 2,5 Prozent gesunken. Für das laufende Jahr rechnet das IfW mit einer Inflationsrate von 2,3 Prozent, für 2025 werde ein weiterer Rückgang auf dann 1,7 Prozent erwartet.

Der Arbeitsmarkt zeige sich in Anbetracht der schwachen wirtschaftlichen Dynamik robust, die Arbeitslosenquote dürfte bei 5,8 Prozent 2024 und 5,6 Prozent 2025 liegen. Die Zahl der Erwerbstätigen erreiche im laufenden Jahr die Rekordmarke von 46,1 Millionen, bevor sie im Zuge des demografischen Wandels auf einen Abwärtstrend einschwenke. Das Finanzierungsdefizit des Staates sei vor allem aufgrund der Konsolidierungsmaßnahmen rückläufig und dürfte von 2,1 Prozent in Relation zum Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2023 auf 0,8 Prozent im Jahr 2025 zurückgehen.

Nach fünf Quartalen im Rückwärtsgang gehe es mit den Exporten ab dem Frühjahr allmählich wieder aufwärts. Aufgrund des schwachen Winterhalbjahrs sinken die Exporte im Durchschnitt des laufenden Jahres aber laut der Prognose noch einmal deutlich um 1,7 Prozent, für 2025 sei dann ein Zuwachs von 2,8 Prozent zu erwarten. Die wenig dynamische, aber insgesamt stabile Weltkonjunktur werde wieder etwas stärker von der Industrieproduktion getragen. Damit überwinde der Welthandel seine Schwächephase und stütze über mehr Aufträge die deutsche Industrie.

Der gestörte Schiffsverkehr im Roten Meer dürfte den deutschen Außenhandel hingegen nur kurz beeinträchtigt haben. "Die Präsidentschaftswahlen in den USA lasten als gewichtiger Unsicherheitsfaktor auf der Weltkonjunktur und den Aussichten für die deutsche Wirtschaft", warnte Kooths allerdings. "Sollte Donald Trump das Rennen machen, drohen neue Handelskonflikte infolge protektionistischer Vorstöße die Erholung des Welthandels zu beeinträchtigen." Diesen Risiken ständen nur sehr geringe Chancen auf Handelserleichterungen, etwa durch neue Freihandelsabkommen, gegenüber.

Kontakt zum Autor: andreas.kissler@wsj.com

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