Kommentar
16:18 Uhr, 28.08.2007

ifo Geschäftsklima - Wettstreit zwischen außen- und binnenwirtschaftlichen Kräften nimmt zu

1. Das deutsche ifo Geschäftsklima für die gewerbliche Wirtschaft gab im August zum dritten Mal in Folge nach und sank von 106,4 auf 105,8 Punkte. Die Mehrzahl der von Bloomberg befragten Analysten hatten – wie auch wir – angesichts der aktuellen Finanzmarktprobleme mit einem etwas stärkeren Rückgang gerechnet (Bloomberg: 105,4 Punkte; DekaBank: 105,3 Punkte). Interessanterweise geht die Eintrübung allein auf eine Verschlechterung der Geschäftserwartungen für die kommenden sechs Monate zurück: Diese gaben von (um 0,1 Punkte nach unten korrigierten) 101,7 auf jetzt 100,4 Punkte nach. Die Beurteilung der Geschäftslage fiel dagegen – gänzlich unerwartet – mit 111,5 Punkten sogar um 0,2 Punkte besser aus als noch im Juli.

2. Insgesamt scheint es jetzt zu einem verstärkten Wettstreit zwischen außen- und binnenwirtschaftlichen Kräften zu kommen. Denn im exportorientierten verarbeitenden Gewerbe trübte sich das Geschäftsklima merklich ein (von 23,5 auf 21,5 Saldenpunkte). Vertreter des ifo Instituts sprachen in diesem Zusammenhang davon, dass sich die Exportaussichten der Unternehmen der Branche im Vergleich zum Vormonat verschlechtert hätten. Das mag einerseits am seit dem Frühjahr kräftigen und jüngst wieder aufwertenden Euro liegen sowie an den zuletzt eher schwachen Zahlen zur Bruttoinlandsentwicklung in ganz Euroland. Andererseits ist dies sicherlich auch auf die aktuelle Immobilienkrise in den USA und die hieraus resultierenden Finanzmarktturbulenzen zurückzuführen – denn beides hat eine demnächst schwächere Nachfrage aus den USA (und somit u.U. auch anderer Weltregionen) wahrscheinlicher werden lassen. Gleichzeitig hellte sich aber das Geschäftsklima im von der inländischen Nachfrage abhängigen Einzelhandel wieder auf (von -5,4 auf -4,2 Saldenpunkte), was darauf hoffen lässt, dass sich der private Konsum nun im zweiten Semester vom Mehrwertsteuerschock zu Jahresbeginn nachhaltig erholt. Damit könnten die binnenwirtschaftlichen Wachstumskräfte die außenwirtschaftlichen – endgültig und fast schon lehrbuchmäßig – ablösen.

3. Auf den sowohl vom verarbeitenden Gewerbe als auch vom Einzelhandel abhängigen Großhandel hatten die oben beschriebenen Entwicklungen insgesamt so gut wie keinen Effekt: Das Klima verbesserte sich hier unmerklich von 8,0 Punkten auf 8,1 Saldenpunkte. Schließlich ging der Normalisierungsprozess beim Geschäftsklima des Bauhauptgewerbes nach den mehrwertsteuerbedingten Sondereffekten um die Jahreswende und dem äußerst milden Winter weiter. Es sank von -15,3 auf -17,5 Saldenpunkte.

4. Ein dritter Rückgang in Folge zeigt bei einem Stimmungsindikator normalerweise eine Trendwende an. Beim ifo Geschäftsklima ist dieses Phänomen heute aufgetreten. Dennoch wollen wir noch nicht das Ende des Aufschwungs ausrufen. Denn weiterhin wird die Geschäftslage von den 7.000 vom ifo Institut befragten Unternehmen so gut eingeschätzt wie zuletzt zu Zeiten der Wiedervereinigung. Auch die (von uns angepasste) ifo-Uhr zeigt weiterhin auf „Boom“. Und zudem scheinen die Geschäftserwartungen zurzeit – aufgrund der aktuellen Sondersituation an den Finanzmärkten – ein wenig nach unten verzerrt. Das lässt sich daran ablesen, dass sich die Schere zwischen Lagebeurteilung und Erwartungen atypischer Weise weiter geöffnet hat. Dennoch bleibt festzuhalten: Die kräftigste Phase des derzeitigen Aufschwungs liegt allem Anschein nach bereits hinter uns. Und Gefahren lauern nach wie vor auf den US-Immobilien- wie auch auf den Weltfinanzmärkten.

Quelle: DekaBank

Die DekaBank ist im Jahr 1999 aus der Fusion von Deutsche Girozentrale - Deutsche Kommunalbank- und DekaBank GmbH hervorgegangen. Die Gesellschaft ist als Zentralinstitut der deutschen Sparkassenorganisation im Investmentfondsgeschäft aktiv. Mit einem Fondsvolumen von mehr als 135 Mrd. Euro und über fünf Millionen betreuten Depots gehört die DekaBank zu den größten Finanzdienstleistern Deutschlands. Im Publikumsfondsgeschäft hält der DekaBank-Konzern einen Marktanteil von etwa 20 Prozent.

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Über den Experten

Thomas Gansneder
Thomas Gansneder
Redakteur

Thomas Gansneder ist langjähriger Redakteur der BörseGo AG. Der gelernte Bankkaufmann hat sich während seiner Tätigkeit als Anlageberater umfangreiche Kenntnisse über die Finanzmärkte angeeignet. Thomas Gansneder ist seit 1994 an der Börse aktiv und seit 2002 als Finanz-Journalist tätig. In seiner Berichterstattung konzentriert er sich insbesondere auf die europäischen Aktienmärkte. Besonderes Augenmerk legt er seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 auf die Entwicklungen in der Euro-, Finanz- und Schuldenkrise. Thomas Gansneder ist ein Verfechter antizyklischer und langfristiger Anlagestrategien. Er empfiehlt insbesondere Einsteigern, sich strikt an eine festgelegte Anlagestrategie zu halten und nur nach klar definierten Mustern zu investieren. Typische Fehler in der Aktienanlage, die oft mit Entscheidungen aus dem Bauch heraus einhergehen, sollen damit vermieden werden.

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