Kommentar
12:58 Uhr, 17.04.2023

Höhenflug bei S&P500, Nasdaq und DAX preist schnell heraufziehende US-Rezession ein – Investoren warten auf Zahlen von Tesla und Netflix

Die Überschrift hört sich auf den ersten Blick wie ein Gegensatz an. Das ist allerdings nicht der Fall.

Die Party an den Märkten nimmt immer mehr Fahrt auf: Der DAX (15.809,61  0,01 %)nähert sich zusehends der Marke von 16.000 Punkten und nimmt damit das Rekordhoch vom 5. Januar 2022 bei rund 16.275 Punkten ins Visier. Zudem sind S&P 500 (4.143,950  0,11 %) und Nasdaq Composite (12.123,47  -0,35 %)in die Nähe der Acht-Monats-Hochs geklettert.

An der Aufhellung der Aussichten für die US- und damit die Weltwirtschaft kann das allerdings nicht liegen, werden doch die US-Konjunkturdaten zusehends schlechter und schüren damit Rezessionssorgen. So waren die am vergangenen Freitag veröffentlichten Zahlen zu den US-Einzelhandelsumsätzen schwächer als erwartet. Sie waren im März um 1,0 Prozent gegenüber dem Vormonat gesunken, wohingegen Volkswirte einen Rückgang um lediglich 0,4 Prozent vorhergesagt hatten.


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Zwar waren die Daten zur US-Industrieproduktion für März leicht besser als erwartet. Allerdings nur deswegen, weil die Amerikaner mehr geheizt haben, weshalb das Geschäft bei den Versorgern gebrummt hat. Hingegen war die „reine“ Industrieproduktion, also bereinigt um Bergbau und Versorger, um 0,5 Prozent gegenüber dem Vormonat gesunken.

Wieso sind dann die Zinsen für zehnjährige US-Anleihen am Freitag dennoch gestiegen? Einerseits, weil Fed-Mitglied Christopher Waller gesagt hat, dass die Fed die Geldpolitik weiter verschärfen müsse. Das ist allerdings nichts Neues, oder?

Und andererseits, weil die Quartalszahlen der US-Banken, gerade JPMorgan Chase & Co. (126,00 € 0,24 %), besser waren als erwartet, was Investoren in der Überzeugung bestärkt hat, dass die Bankenkrise vielleicht doch nicht so schlimm ist, weshalb die Fed bei der nächsten Sitzung am 3. Mai den Leitzins erneut um 25 Basispunkte anheben dürfte auf dann 5,0 bis 5,25 Prozent.

Die gestiegenen Zinsen haben dann am Freitag zu ein paar Gewinnmitnahmen geführt, beispielsweise beim Sektor S&P500 Information Technology, der um 0,5 Prozent nachgegeben hat. In dem Umfeld hat die Aktie von Tesla Inc. (169,62 € 1,48 %)die Nachricht, dass der E-Autohersteller erneut die Preise gesenkt hat, diesmal unter anderem in Europa und Singapur, praktisch problemlos weggesteckt – Wahnsinn! Umso spannender wird die Vorlage der Quartalszahlen am Mittwochabend, 19. April nach Börsenschluss in den USA.

Märkte preisen zusehends US-Rezession ein

Wieso bin ich dieser Überzeugung? Weil ansonsten ein KGV von 18,3 absolut keinen Sinn mach. Mit Ausnahme des massiven QE-Gelddruckens während der Pandemie gab es eine derart hohe Bewertung bei dem Index nur selten, beispielsweise im Dezember 2017 als der damalige US-Präsident Donald Trump ein massives Steuersenkungsprogramm unterzeichnet hatte, womit die Wirtschaft im Folgejahr kräftig angekurbelt worden ist, sowie im Februar 2020 kurz vor dem Beginn der Corona-Pandemie. Davor gab es ein derartig hohes KGV letztmals im Sommer 2002, als die riesige Blase bei Technologie-, Medien- und Telekomaktien geplatzt war.

Meiner Meinung nach wetten Investoren derzeit darauf, dass eine Rezession in den USA schnell heraufzieht, woraufhin die Fed – entgegen den Beteuerungen vieler Mitglieder – zuerst die Zinsen kräftig senken und anschließend eine massive QE-Gelddruckrunde starten wird.

Zur Erinnerung: Nachdem die Volkswirte der Fed zuletzt im Fed-Protokoll für den Jahresverlauf eine „leichte Rezession“ ins Spiel gebracht hatten, hat Citigroup-Chefin Jane Fraser am vergangenen Freitag bei der Zahlenvorlage ins gleiche Horn gestoßen.

Im Klartext: Die Investoren ignorieren nicht etwa die heraufziehende US-Rezession, sondern vielmehr wetten Investoren auf eine US-Rezession und gerade die Reaktion der Fed auf die Rezession!

Welche Aktien laufen am Besten in einem QE-Umfeld?

Wie entwickeln sich üblicherweise die Zinsen für zehnjährige US-Anleihen im Umfeld einer QE-Runde? Wenn Investoren davon ausgehen, dass eine bald kommen könnte, oder sie angekündigt wird, sinken die Zinsen nicht etwa, sondern steigen, weil durch die neue, zusätzliche Liquidität, die in das Finanzsystem und damit teilweise in die Realwirtschaft fließt, die Konjunktur angekurbelt wird. 6 bis 9 Monate vor dem Ende der QE-Runde drehen die Zinsen aber wieder nach unten, weil die Konjunktursorgen der Investoren wegen des bevorstehenden Endes der Liquidität zunehmen.

Welche Aktie favorisieren Investoren normalerweise in einem Umfeld steigender Zinsen? Value-Aktien und Zykliker, weshalb der DAX mit seinen zahlreichen Value-Aktien und Zyklikern auf der Überholspur ist. In den USA haben Investoren hingegen seit Mitte März bei Growth- und bei Value-Aktien gleichstark zugegriffen, sprich der S&P500 Growth Index und der S&P500 Value Index sind ähnlich stark gestiegen.

Umso genauer gilt es die Zinsen für zehnjährige US-Anleihen weiter zu beobachten. Im Umfeld einer heraufziehenden US-Rezession müssten die Zinsen für zehnjährige US-Anleihen eigentlich auf Talfahrt sein. In der Erwartung einer neuen QE-Gelddruckrunde müssten die Zinsen aber steigen, zumal sich der Ölpreis zuletzt kräftig erholt hat und damit die Inflation anheizt. Umso genauer werde ich die Zinsen für zehnjährige US-Anleihen weiter im Auge behalten.

Wenn Investoren auf eine neue QE-Runde spekulieren, müsste zudem der Rückgang des Dollar weitergehen, beispielsweise gegenüber dem Euro. Dabei sollte eigentlich jedem Investor klar sein, dass wenn die Fed erst einmal eine neue QE-Runde gestartet hat, dass die EZB dann schnell dem „Vorbild“ der Fed hinterherhecheln dürfte, womit der Euro unter Druck kommen müsste.

Ein sinkenden Dollar sollte zudem den Ölpreis beflügeln. Daher gilt es die Preise von WTI und Brent genau im Auge zu behalten.

Außerdem sollte in einem QE-Umfeld der Goldpreis kräftig auf dem Weg nach oben sein, wenn die Fed mit dem QE-Gelddrucken die Inflation kräftig anheizt. Hingegen sollten die anfänglich steigenden Zinsen für zehnjährige US-Anleihen den Goldpreis weniger belasten, als er durch den Rückgang des Dollar nach oben getrieben wird.

Nun warten Investoren auf eine Reihe von Konjunkturdaten, gerade aus den USA.

US-Neubaubeginne im Fokus

Am Dienstag wird um 11 Uhr der ZEW Index veröffentlicht.

Um 16 Uhr kommen aus den USA die Daten zu den Neubaubeginnen. Laut dem Konsens der Volkswirte sollen sie im März etwas gesunken sein auf eine Jahresrate von 1,4 Mio. Einheiten, nach 1,45 Mio. für Februar. Die Baugenehmigungen sollen deutlich stärker zurückgegangen sein, auf 1,43 Mio. Einheiten für März, nach 1,524 Mio. für Februar.

Nach Börsenschluss in den USA legt Netflix Inc. (309,10 € 0,50 %)die Quartalszahlen vor. Der Umsatz soll um 3,9 Prozent auf 8,17 Mrd. Dollar gestiegen sein, womit sich das Wachstum gegenüber dem Vorquartal beschleunigen würde. Allerdings soll der Gewinn je Aktie auf 2,85 Dollar einbrechen.

Eurozone-Inflation auf Agenda

Am Mittwoch werden um 11 Uhr die endgültigen Inflationsdaten für die Eurozone veröffentlicht und damit die vorläufigen bestätigen. Demnach war die Inflationsrate im März auf 6,9 Prozent zurückgegangen, nach 8,5 Prozent für Februar. Hingegen war die Kernrate, also bereinigt um Nahrungsmittel und Energie, leicht gestiegen auf 5,7 Prozent, nach 5,6 Prozent für Februar.

Um 16.30 Uhr werden die Daten zu den US-Öllagervorräten bekanntgegeben.

Um 20 Uhr veröffentlicht die Fed ihren Konjunkturbericht Beige Book.

Nach Börsenschluss in den USA legt Tesla Inc. (169,62 € 1,48 %)die Ergebnisse vor. Der Umsatz soll um 24,4 Prozent auf 23,34 Mrd. Dollar nach oben schießen. Hingegen soll der Gewinn je Aktie auf 0,86 Dollar einbrechen.

US-Verkäufe bestehender Häuser im Blick

Am Donnerstag werden um 8 Uhr die Erzeugerpreise für Deutschland veröffentlicht. Sie sollen im März um 0,2 Prozent gegenüber dem Vormonat gesunken sein. Im Jahresvergleich soll die Rate hingegen auf 10,0 Prozent zurückgehen, nach 15,8 Prozent für Februar.

Um 14.30 Uhr wird der Einkaufsmanagerindex der Notenbank von Philadelphia, üblicherweise einer der wichtigsten Frühindikatoren der USA, bekanntgegeben. Er soll sich im April etwas erholt haben auf minus 19,5 Punkte, nach minus 23,2 Punkte für März. Mich würde es nicht überraschend, wenn der Index – entgegen der Erwartung der Volkswirte – gesunken wäre.

Um 16 Uhr folgen die US-Verkäufe bestehender Häuser. Sie sollen im März leicht gesunken sein auf eine Jahresrate von 4,485 Mio. Einheiten, nach 4,58 Mio. für Februar.

Zur gleichen Zeit werden die Frühindikatoren des Conference Board veröffentlicht. Nach dem Einbruch der vergangenen Monate sagen Volkswirte für März einen weiteren Rückgang um 0,4 Prozent vorher, womit der Indikator auf Talfahrt bleiben würde.

Einkaufsmanagerindizes für Deutschland, Eurozone und USA auf Agenda

Am Freitag gibt SAP SE (116,38 € 0,36 %)um 7 Uhr die Quartalszahlen bekannt.

Um 9.30 Uhr wird der Einkaufsmanagerindex von S&P Global für Deutschland veröffentlicht. Jener für die Industrie soll sich im April leicht erholen von 44,7 auf 45,5 Punkte, würde als Wert unter der 50er-Marke damit allerdings weiterhin einen Rückgang der Wirtschaftsleistung in dem Sektor widerspiegeln. Hingegen soll der Index für den Dienstleistungssektor leicht zurückgehen auf 53,4 Punkte, nach 53,7 Punkte für März.

Um 10 Uhr folgen die Indizes von S&P Global für die Euro-Zone. Jener für die Industrie soll sich im April auf 48,0 Punkte erholt haben. Hingegen soll jener für den Dienstleistungssektor leicht gesunken sein auf 54,5 Punkte.

Um 15.45 Uhr stehen die Indizes für die USA im Fokus der Investoren. Jener für die Industrie soll leicht sinken auf 49,1 Punkte, zudem soll jener für den Dienstleistungssektor von 52,6 auf 51,5 Punkte nachgeben

In meiner Sendung "Euer Egmond" analysiere ich wöchentlich die Märkte!

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