Hilfspaket der Fed verfehlt Wirkung
- Lesezeichen für Artikel anlegen
- Artikel Url in die Zwischenablage kopieren
- Artikel per Mail weiterleiten
- Artikel auf X teilen
- Artikel auf WhatsApp teilen
- Ausdrucken oder als PDF speichern
Erwähnte Instrumente
Um zu verdeutlichen, wie außergewöhnlich die Zeiten aus Marktsicht sind, reicht ein Blick auf die Maßnahmen der amerikanischen Zentralbank am Sonntagabend und die darauffolgende Reaktion der Märkte. Die US Federal Reserve (Fed) gab nach ihrer zweiten außerordentlichen Sitzung in diesem Monat bekannt, den Leitzins um einen vollen Prozentpunkt auf das Band 0,00 bis 0,25 Prozent zu senken. Gleichzeitig kündigte sie Anleihekäufe in Höhe von 700 Milliarden Dollar, sowie zahlreiche Maßnahmen zur Stützung der kurzfristigen Liquidität an den Geldmärkten an. Zusammen mit anderen Zentralbanken wurde zudem versucht, den internationalen Bedarf an US-Dollar-Liquidität zu decken. Die Reaktion der Märkte war ernüchternd. Die USBörsen brachen um rund zehn Prozent ein, Europas Börsen lagen Montagvormittag zwischen fünf und zehn Prozent hinten, das Fass Öl der Sorte West Texas Intermediate (WTI) fiel erneut deutlich unter 30 Dollar und auch Gold diente einmal mehr nicht als sicherer Hafen, sondern als Quelle der Liquidität und verlor erneut an Wert. Am deutlichsten ist jedoch die Reaktion auf der Zinsseite. Trotz der massiven Senkung der Fed reagierten die Renditen der zehnjährigen US Treasuries nur mit einem unmittelbaren Abschlag von 0,3 Prozentpunkten, die im Laufe des Tages auf 0,2 Prozentpunkte schrumpfte. Zweijährige rentierten vormittags um weniger als 20 Basispunkte niedriger. Bundrenditen reagierten so gut wie gar nicht. Auch von weiteren Hilfspaketen anderer Zentralbanken (in Japan wurde die Verdopplung der Aktienmarkt-ETF-Käufe auf zwölf Billionen Yen angekündigt und China pumpte 13,2 Milliarden Dollar frisch ins System) ließ sich der Markt nicht beeindrucken. Ein Grund dafür könnte sein, dass die Fed mit ihrer drastischen Kürzung den verbliebenen Aktienanlegern erstens den Ernst der Lage vor Augen geführt hat und zweitens die Fantasie auf weitere Zinssenkungen genommen hat, indem sie nicht nur jetzt um vier Schritte gesenkt hat, sondern darüber hinaus deutlich gemacht hat, dass sie die Nullgrenze nicht unterschreiten wird. Als Stütze der Aktienmärkte sollte die Fed damit vorerst wohl ausfallen. Vielmehr werden die geldpolitischen und fiskalischen Hilfspakete lediglich als notwendiges Mittel gesehen, um das Funktionieren der Märkte und der Wirtschaft im Rahmen der Möglichkeiten zu gewährleisten. Schmerzlinderung, aber keine Krankheitsbekämpfung.
Aus diesen Marktreaktionen könnte man ableiten, dass es den Anlegern derzeit wenig anders als der Gesamtbevölkerung geht: Die Hilfspakete der Zentralbanken und Regierungen können die Negativnachrichten von der CoronaPandemie nicht kompensieren, die Möglichkeiten dieser Institutionen werden als erschöpft angesehen. Aus welcher Richtung könnte also eine Entlastung der Situation erfolgen? Wir denken aus zweien: aus medizinischer Richtung oder aber aus gesellschaftlicher. Mit letzterem meinen wir einen geübteren Umgang mit der Pandemie, ein Arrangieren mit der jetzigen Situation. Denn auf die Rücknahme einmal verhängter Vorsichtsmaßnahmen sollte man so schnell nicht setzen. Sie sind politisch heikel, solange auf medizinscher Seite keine wirklichen Fortschritte erkennbar sind. Doch die Menschen und Unternehmen werden sich im Laufe der nächsten Wochen auf die jetzt noch sehr neue Situation einstellen müssen, was natürlich den zu erwartenden finanziellen Stress für viele Firmen nicht lindern wird.
Die Entlastung auf medizinischer Sicht kann wiederum mehrere Routen nehmen. Zunächst denken wir, dass man sich von einer zu großen Fokussierung auf Zahl der täglichen Neuansteckungen in den verschiedenen Ländern lösen sollte. Die Hoffnung, dass eine einmal eingesetzte Trendumkehr und Eindämmung unumkehrbar sei, könnte verfrüht sein (China, Japan, Singapur, Taiwan und Südkorea). Zumal sich die Umstände in den jeweiligen Ländern stark voneinander unterscheiden. Die Anleger wären gut beraten, sich bereits jetzt darauf einzustellen, dass sich die Höchstmarke der absoluten Neuansteckungen in Europa, und ebenso in den USA, noch einige Monate nach hinten ziehen kann. Zumal es ja das erklärte Ziel der Sicherungsmaßnahmen ist, die Geschwindigkeit der Neuansteckungen abzuflachen, um das Gesundheitssystem nicht zu überfordern. Ein weiterer Kanal ist natürlich ein Impfstoff. Hier sollte man, auch im positiven Sinne, keine Überraschung ausschließen, aber als Kernszenario sollte man wohl nicht vor Ende des Jahres damit rechnen. Schließlich bleibt noch, und das dürfte wohl den zurzeit am meisten unterschätzten Hoffnungsschimmer darstellen, verbesserte medizinische Behandlungsmöglichkeiten für die Covid-19 Patienten. An den unterschiedlichen Mortalitätsraten der verschiedenen Länder lässt sich jetzt bereits ablesen, wie viel Potenzial hier noch steckt. Das Virus verlöre einen Großteil seines Schreckens, gäbe es hier weitere Fortschritte.
Doch vorerst dürften die Anleger noch auf andere Signale, und seien diese auch widersprüchlich, reagieren. Positiv werden die rückgängige Anzahl der Neuansteckungen in China, derzeit nur noch zweistellig, absolut, gesehen. Ebenso wie die Beispiele Japan, Singapur und Südkorea, wo sich die Neuansteckungskurve stark abgeflacht haben. Wie bereits erwähnt, warnen wir davor, hier zu viel auf Parallelen zu setzen. Ebenfalls positiv bewerten viele Marktteilnehmer auch die Aussagen des Generaldirektors der Weltgesundheitsorganisation (WHO), wonach das Virus durchaus kontrollierbar sei, und entsprechend nicht erst eine Herdenimmunität vorliegen muss, um einen Rückgang der Neuansteckungen zu erreichen.
Genau andersherum kann man die Aussagen von Bundeskanzlerin Merkel sowie vom obersten Gesundheitsberater der britischen Regierung verstehen, die davon ausgehen, dass zunächst die Mehrheit der Bevölkerung, rund zwei Drittel, dem Virus ausgesetzt gewesen sein muss, bevor er eingedämmt werden könne. Ebenfalls auf der negativen Seite muss die absolute Zahl der Neuansteckungen in Italien gewertet werden, auch wenn die Wachstumsrate der Infektionen binnen zweier Wochen von 35 auf zuletzt knapp unter 20 Prozent zurückging. Sollten die verschärften Maßnahmen der Regierung hier nicht schnell zu einem starken weiteren Rückgang der Ansteckungsgeschwindigkeit führen, könnte in wenigen Wochen die Ansteckungszahl bei einigen Hunderttausend liegen.
Ungeachtet einer möglichen positiven Wendung scheint jetzt bereits absehbar, dass der weitgreifende Stillstand des Großteils des öffentlichen Lebens sowie die Grenzschließungen zu einem deutlichen Rückgang der Wirtschaftsleistung in Europa und auch in den USA dieses Jahr führen dürfte. Verschärft werden könnte dies noch durch Zahlungsengpässe, die von keiner noch so schnell agierenden Zentralbank oder Regierung (via Förderbank) verhindert werden können. Das Ausmaß des Wirtschaftseinbruchs ist noch nicht abzusehen und hängt von der Länge und dem Umfang weiterer Sicherheitsmaßnahmen ab. Wie sehr sich Ökonomen schon im Falle Chinas verrechnet hatten, zeigt sich in den jüngsten Daten: die Industrieproduktion sank im Januar und Februar zusammengerechnet um 13,5 (3,0) Prozent, Einzelhandelsumsätze um 20,5 (4) Prozent und Anlageinvestitionen um 24,5 (2) Prozent (in Klammern die jeweilige Konsensschätzung der Analysten).
Zurück zu den Märkten. Die unvermindert hohe Volatilität, sowie die Geschwindigkeit und Dimension der Marktkorrektur dürfte unseres Erachtens dazu führen, dass zahlreiche Portfolioumschichtungen noch vollzogen werden müssen, was das Marktgeschehen der nächsten Tage weiterhin erratisch lassen sollte. Bei deutlicher Ausschöpfung der Risikobudgets, aufgrund der gemessenen höheren Risiken, werden viele Anleger weiter daran arbeiten müssen, sich von Aktien und Unternehmensanleihen zu trennen. Auch die Hilfspakete der Zentralbanken können daran nur wenig ändern. Sie lindern zumindest den Druck hochgehebelter Marktteilnehmer, sich sofort von Anlagen in größerem Ausmaße trennen zu müssen.
Der Stoxx Europe 600 hat sich mittlerweile um 37 Prozent gegenüber seinem Hoch vom 20. Januar verbilligt. Damit befindet sich der Index auf dem Stand von Ende 2012, beim Dax entspricht er dem von Mitte 2013. Der S&P 500 wiederum notierte trotz massiven Einbruchs am Montag immer noch auf dem Stand, den er erstmals im Sommer 2017 erreicht hatte. In Europa liegen die Indexstände mittlerweile nahe den Niveaus, die den aggregierten Buchwerten der darin gebündelten Titel entspräche. Dies diente zumindest 2003 und 2009 als Boden. Angesichts der sehr dynamischen Nachrichtenlage würden wir ein kurzfristiges Unterschießen dieser Niveaus sicherlich nicht ausschließen.
ich denke mal...........Kernschmelze der Vermögenswerte....!!!