Highlights vom 42. ASCO Kongress 2006
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Von Thomas D. Szucs, VR Präsident, BB Biotech AG
Der 42. Kongress der amerikanischen Gesellschaft für klinische Onkologie fand vom 2. bis 6. Juni 2006 in Atlanta statt. Mehr als 29000 Teilnehmer Wie jedes Jahr wird dieser Anlass mit grossem Enthusiasmus aus der klinischen Welt sowie aus Finanzkreisen erwartet. Grund genug, also, aus Sicht des Autors, die wesentlichen Ergebnisse und Erkenntnisse darzustellen. Diese Darstellung ist keineswegs abschliessend, sondern widerspiegelt eher den subjektiven Eindruck eines Kongressjahrganges der besonderen Art.
Erstmals Erfolg mit kleinen Molekülen in der Therapie des fortgeschrittenen NierenzellkarzinomsBei den Krebstherapien gibt es zwei wesentliche Ansätze: die Antikörper, die ausserhalb der Zelle an Rezeptoren andocken, und die sogenannten "kleinen Moleküle", die in die Zelle eindringen und dort die Kommunikation der Krebszellen stören. Beispiel eines solchen Moleküles ist Sutinib. Sunitinib wirkt an verschiedenen Schaltern der Zellkommunikation und wurde kürzlich zur Behandlung des gastrointestinalen Stromatumors (GIST) zugelassen. Neue Ergebnisse einer randomisierten Phase III zeigten erstaunliche Ergebnisse bei der Therapie des fortgeschrittenen Nierenzellkarzinoms. In einem direkten Vergleich zu Alpha Interferon bestand das progressionsfreie Überleben mit Sunitinib 47.3 Wochen dagegen nur 24.9 Wochen mit Interferon alpha. (p<0.000001). Auch die objektiven Ansprechraten waren eindrücklich: 35.7% versus 8.8% (p<0.000001). Für das Nierenzellkarzinom wird die Zulassung in naher Zukunft erwartet. Sunitinib lässt sich oral einnehmen. Die Substanz blockiert verschiedene Zellsignale, auf die Krebszellen in ihrem malignen Tun angewiesen sind. In einer weiteren Studie wurde Sunitinib bei therapierefraktären nichtkleinzelligem Lungenkarzinom untersucht. Insgesamt erhielten 63 Patienten mindestens einen Zyklus mit Sunitinib. 46 erhielten zwei Zyklen, 33 drei, 6 vier und ein Patient bereits fünf Zyklen. 10% der Patienten befanden sich in Stadium IIIb, 90% in Stadium IV. Im Augenblick ist bei 9,5% der Patienten ein Ansprechen des Tumors erreicht, bei ebenso vielen eine Teilremission, bei 43% eine stabile Tumorsituation. Bei der Mehrheit der Patienten nahm die Tumorgrösse ab. Das sind erstaunliche Ergebnisse bei einer Gruppe von Patienten mit einer so therapierefraktären Situation. Die Patienten hatten vorausgehend ein bis zwei Chemotherapieregimina mit oder ohne einen EGFR-Inhibitor erhalten. Sollten sich die Ergebnisse in dieser noch laufenden Studie bestätigen, öffnet sich hier eine weitere Therapieoption für weit fortgeschrittene NSCLC-Tumoren.
Erste Ergebnisse eines mTOR Hemmers in der Behandlung des fortgeschrittenen Nierenzellkarzinoms
Temsirolimus (CCI-779) ist ein neuer Inhibitor der mTOR-Kinase und stellt einen innovativen Therapieansatz in der Behandlung des metastasierten Nierenzellkarzinoms dar.
Insgesamt wurden 626 Patienten mit schlechter Prognose in die Studie eingeschlossen. Die Patienten erhielten entweder Interferon alleine, Temsirolimus oder eine Kombination der beiden Substanzen. Ziel der Studie war es, herauszufinden, welche der Gruppen zur längsten Überlebenszeit führt. Patienten unter Temsirolimus überlebten 10.9 Monate, diejenigen mit Interferon plus Temsirolimus 8.4 Monate und die Patienten mit einer alleinigen Interferontherapie 7.3 Monate. Das mediane Überleben in der Temsirolimus Montherapiegruppe war 49% besser als unter Interferontherapie. Typischerweise ist das Überleben von Patienten mit dieser prognostisch ungünstigen Erkrankung um die 6 Monate. Der Zusatz von Interferonen lieferte keinen zusätzlichen Vorteil.
Wie weiter mit Patienten mit fortgeschrittenem Nierenzellkarzinom?Auf Grund der bestehenden neueren Datenlage dürfte sich die Situation wie folgt darstellen:
Sunitinib in der Anfangstherapie (first-line) von Patienten mit günstigem oder mittelschwerer Prognose
Temsirolimus für die Anfangstherapie (first-line) bei Patienten mit schlechter Prognose
Sorafenib (Nexavar®) – zugelassen durch die FDA im Jahre 2005 für die Zweittherapie (second-line) bei Patienten, welche zuvor mit anderen Biologika behandelt wurden.
Künftige Studien werden die Kombination dieser Moleküle untersuchen um herauszufinden, ob dieser besser sind als die Monotherapie bei Patienten mit metastasierender Erkrankung.
Lapatinib bei Herceptin-refraktären Brutskrebspatienten
Lapatinib, ebenfalls ein kleines Molekül, wurde in Phase-I- und Phase-II-Studien bereits mit Erfolg bei fortgeschrittenem Brustkrebs geprüft. Nun wurden die Ergebnisse eine Phase III Studie bei 321 Patientinnen die therapierefrakärem, fortgeschrittenem, ErbB2-positiven Brustkrebs präsentiert. Fast alle Patientinnen waren resistent auf eine zuvor durchgeführte Therapie mit Herceptin (98%). Lapatinib in Kombination mit Capecitabine im Vergleich zu Capecitabine alleine zeigte ein Ansprechrate von 22.5% im Vergleich zu 14.3%.(p=n.s.) Die mediane Zeit bis zur Progression war 36.9 Wochen im Vergleich zu 19.7 Wochen, eine Reduktion von 49% (p=0.00016). Das Progressionsfreie Überleben unter Kombinationstherapie war ebenfalls unter Kombination besser: 36.9 Wochen versus 17.9 Wochen (Reduktion um 52%, p=0.000045). Die Therapie wurde gut toleriert. In der Kombinationstherapie führten 22 unerwünschte Ereignisse zu einem Therapieabbruch, wogegen in der Monotherapiegruppe 16 Ereignisse zum Abbruch führten. Die Gesamtüberlebensdaten stehen noch aus, werden aber in kürze erwartet. Insgesamt gab es bisher 29 Todefälle pro Gruppe.
Impfen auch gegen Vaginal- und Vulvakarzinom wirksam
Bei Zervixkarzinom wurden bereits gute Ergebnisse mit einer Impfung gegen das humane Papillomavirus (HPV) erreicht. Jetzt zeigen Ergebnisse, dass diese Impfung auch bei Vaginal- und Vulvakarzinom gleich effektiv sein könnte. Bei 80% der Vulva- und Vaginalkarzinome in den USA lässt sich das humane Papillomavirus nachweisen, das demnach nicht nur mit dem Zervixkarzinom assoziiert ist. Da die Behandlung der Genitalkarzinome schwierig ist, kommt der Prävention eine hohe Bedeutung zu. In der FUTURE-II-Studie wurden die Daten von drei Untersuchungen zusammen, die insgesamt 18'150 jungen Frauen im Alter zwischen 16 und 26 Jahren aus Europa und den USA einschloss, zusammengefasst. Die Studienteilnehmerinnen erhielten doppelblind randomisiert entweder Plazebo oder die quadrivalente Vakzine gegen HPV 16 und 18 (die das Risiko für Genitalkarzinome erhöhen) und gegen HPV 6 und 11 (die Genitalwarzen hervorrufen). Die Vakzination erfordert drei Impfungen über 6 Monate. Die Frauen wurden über zwei Jahre beobachtet. In dieser Zeit entwickelte sich keine einzige vaginale oder vulväre Präkanzerose in der Verumgruppe. Dagegen liessen sich in der Plazebogruppe 24 histologisch gesicherte neu aufgetretene Präkanzerosen im Vagina- und Vulvabereich nachweisen. Diese Ergebnisse lassen erwarten, dass die quadrivalente Impfung das Risiko für Vulva- und Vaginalkarzinom deutlich senken kann.
Kombination von Avastin plus Tarceva und Avastin plus Chemotherapie verbessern das progressionsfreie Überleben im fortgeschrittenen nichtkleinzelligen Lungenkrebs
Ermutigende Ergebnisse einer Phase II Studie zeigte, dass die Kombination von Avastin plus Tarceva und Avastin plus Chemotherapie das progressionsfreie Überleben im fortgeschrittenen nichtkleinzelligen Lungenkrebs verbessern. Insgesamt wurden 120 Patienten in drei Gruppen untersucht: Avastin plus Tarceva, Avastin plus Chemotherapie und Chemotherapie alleine. Die entsprechenden medianen progressionsfreien Überlebenszeiten waren 4.8, 4.4 und 3.0 Monate. Die Kombination Avastin plus Chemotherapie reduzierte somit das Risiko um 34% im Vergleich zur alleinigen Chemotherapie. Die Kombination Avastin plus Tarceva senkte das Risiko dagegen um 28%. Diese Ergebnisse sind preliminär und erlauben noch keine endgültigen Schlussfolgerungen und verfügen noch nicht über eine statistische Signifikanz. Auf jeden Fall ist die Verträglichkeit eindrücklich: in der Gruppe mit der Kombination Avastin plus Tarceva hatten 33%, in der Gruppe Avastin plus Chemotherapie 40% und in der Chemotherapie Gruppe 53% der Patienten schwerwiegende Nebenwirkungen.
Neues von Revlimid: Ende der Fahnenstange nicht in Sicht
Mit grossen Engagement werden gegenwärtig neue Studien in verschiedenen neuen Indikationen initiiert und sukzessive rapportiert. Revlimid, ein Derivat des Thalidomid, ist ein spezifischer Immunmodulator, der für einen bestimmten Untertyp des myelodysplastischen Syndrom zugelassen ist. Die Zulassung für das fortgeschrittene Multiple Myelom ist bei der FDA hängig und sollte im Laufe dieses Jahres erfolgen. Eine spezifische Analyse der Zulassungsstudien zum multiplen Myelom haben gezeigt, dass Revlimid in Kombination mit Dexamethason wirksamer ist als Dexamethason plus Placebo, unabhängig einer vorausgegangenen Therapie mit Thalidomid in Patienten mit fortgeschrittenem Myelom. Dies ist eine wichtige Erkenntnis für eine allfällige Zulassung als Ersttherapie. In diesem Zusammenhang erwähnenswert sind die Ergebnisse einer Studie mit 196 Patienten, welche die Überlegenheit von Melphalan/Prednison plus Thalidomid gegenüber Melphalan/Prednison resp. Hochdosistherapie mit Melphalan und anschliessender Stammzelltransplantation gezeigt hat. Die mediane Überlebenszeit betrug in der ersten Gruppe 53.6 Monate und 32.2 Monate in der zweiten Gruppe. In der Transplantationsgruppe betrugt das mediane Überleben 38.6 Monate. Diese Ergebnisse waren so überwältigend, dass die Studie vorzeitig gestoppt werden musste. Neben diesen ersten Indikationen wird Revlimid nun für die folgenden Krankheiten untersucht: Amyloidose, Osteomyelofibrose, chronisch lymphatische Leukämie, Nierenzellkarzinom, non Hodgkin Lymphom sowie hormonrefraktärem Prostatakrebs. Erste Phase I und II Untersuchungen in diesen Bereichen wurden an der Konferenz vorgestellt. Über eine endgültige klinische Weiterentwicklung in einem dieser Indikationen kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt nur spekuliert werden.
FazitInsgesamt war die 42. ASCO Konferenz ein solider Jahrgang mit interessanten Facetten, aber nicht wirklich vielen grossen und klinischen Durchbrüchen. Zwei Aspekte sind aber besonders erwähnenswert. In diesem Jahr kamen seit langem erstmals wieder die Big Pharma Konzerne mit Eigenentwicklungen (Sunitinib, Lapatinib, Temsirolimus, Nilotinib) zum Zug. Anderseits wurden Daten für Tumorerkrankungen gezeigt, für die es lange keine signifikanten Ergebnisse und Fortschritte zu berichten gab, beispielsweise Nierenzellkarzinome oder aber für Tumore, die eine Resistenzen für die bestehenden Therapien aufweisen. Sicherlich kann man jedoch sagen, dass die Zukunft der zielgerichteten Therapie mit kleinen Molekülen vielversprechend sind dürfte.
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