Kommentar
08:21 Uhr, 01.05.2019

Heimlicher Zinsanstieg: Verliert die Fed die Kontrolle?

Verbal hat die Fed die Zinsen fast schon gesenkt und die Bilanznormalisierung steht vor dem Ende. Trotzdem steigen die Zinsen. Verliert die Fed die Kontrolle?

In den letzten Wochen ist etwas geschehen, das so eigentlich geschehen sollte. Die Zinsen sind gestiegen. Das betrifft vor allem Banken, obwohl die Notenbank den Zins seit Ende 2018 nicht mehr angerührt hat. Was ist da also geschehen?

Zunächst lohnt ein Blick auf das, was die Fed überhaupt erreichen will. Sie gibt ja nicht mehr einen einzelnen Zinssatz an, sondern ein Zielband. Dieses Zielband liegt derzeit bei 2,25 % bis 2,5 %. Innerhalb dieser Range befinden sich zwei weitere Zinssätze.

Wegen der QE-Programme sitzen Banken auf Überschussreserven. Sie haben mehr Reserven als sie aus regulatorischer Sicht benötigen. Damit diese Reserven nicht zu einem beliebigen Zinssatz ausgeliehen werden, schöpft die Notenbank diese Reserven ab, indem sie darauf Zinsen zahlt.

Der Zinssatz auf diese Überschussreserven liegt derzeit bei 2,4 %. Eine Bank würde keinen Kredit zu einem niedrigeren Zinssatz vergeben. Sie kann ja 2,4 % bei der Notenbank einsammeln – und das ohne jegliches Risiko.

Nun hat aber nicht mehr jede Bank Überschussreserven. Diese Banken leihen sich bei Banken mit Überschussreserven für die Dauer eines Tages Geld. Dafür zahlen sie den Übernachtsatz bzw. die effektive Fed Funds Rate. Diese ist also eine Art Marktzinssatz zu dem sich Banken untereinander Geld leihen.

Genau dieser Zinssatz ist in den letzten Wochen deutlich über den Zinssatz angestiegen, den die Notenbank auf Überschussreserven zahlt (Grafik 1). Obwohl die Notenbank immer taubenhafter geworden ist, ziehen die Zinsen an.


Das ist bemerkenswert, denn eigentlich halten Banken insgesamt noch immer fast 1,5 Billionen an Überschussreserven. Dass dennoch Geld geliehen wird und das zu höheren Zinsen, deutet auf eine Knappheit an Reserven bei einigen Banken hin.

Diese Knappheit ist neu. Die Fed Funds Rate ist erst vor wenigen Wochen über den Reservesatz gestiegen (Grafik 2). Der Spread ist nun negativ (Banken zahlen wieder mehr fürs Ausleihen von Geld). Der Spread hat sich zudem in den letzten Monaten radikal verkleinert und ist dann invertiert.

Nun schrumpft die Fed-Bilanz bis September weiter. Das führt automatisch dazu, dass die Überschussreserven weiter fallen. Dadurch kann eine Knappheit an Reserven entstehen. Banken müssten sich untereinander wieder mehr Geld leihen. Per se ist das kein Problem. Es wird nur dann zum Problem, wenn sie das zu einem Zinssatz tun, der über der vorgegebenen Bandbreite liegt.

Genau darauf steuern wir derzeit zu. Die Fed verliert damit die Kontrolle über die Zinsen. Sie kann sie nur wiedergewinnen, wenn sie wieder mehr Reserven zur Verfügung stellt, also praktisch wieder QE betreibt.

Noch ist es nicht soweit und die Anomalie kann wieder verschwinden. Tut sie es nicht, deutet das auf einen Engpass und Stress im Bankensystem hin. So klein und unauffällig dieser Zinsanstieg sein mag, er ist es nicht.

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2 Kommentare

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  • Junitrader
    Junitrader

    Verständnisfrage: wenn die Reserven einiger Banken nicht ausreichen heißt es dann nicht, dass mehr Geld verleihen wird? Also leiht jemand zu höheren Zinsen Geld. Dieses Geld kann dann in Häuser, Autos usw fließen und damit doch die Konjunktur ankurbeln....

    14:46 Uhr, 01.05. 2019
  • Kasnapoff
    Kasnapoff

    Es knirscht im Gebälk der internationalen Finanzarchitektur und die von Ihnen beschriebene Zinsdifferenz ist ein weiterer Mosaikstein in diesem Bild. Die „generöse“ Lage an den Aktienmärkten täuscht über die Unbalanciertheiten im System hinweg. Letztlich fehlt den Finanzmärkten im Vergleich zu den vergangenen Jahren deutlich Liquidität, denn die 180 Grad Kehrtwende von Powell war zunächst ja rein verbal, die Bilanzreduzierung läuft noch bis in den Herbst und es gibt auch noch kein neues QE. Sollte der Dollar-Index weiter ansteigen, dürfte sich die angespannte Liquiditätslage weiter verschärfen. Das würde weder den Banken und wohl auch nicht den Aktienmärkten zum Vorteil gereichen.

    11:50 Uhr, 01.05. 2019

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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