Analyse
11:50 Uhr, 19.11.2013

Hat Deutschland den Goldpreis-Crash ausgelöst?

Stecken Hugo Chavez und Angela Merkel hinter dem Goldpreisrutsch? Eine steile These, die aus angelsächsischen Medien jetzt verbreitet wird. Aber was ist hier wirklich dran? Lässt sich das beweisen?

Erwähnte Instrumente

  • Gold
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    Aktueller Kursstand:   (JFD Brokers)

Insbesondere Anleger am Goldmarkt haben ein besonderes Faible für Informationen über Entwicklungen, die im Hintergrund gesponnen werden und gerade im Bezug auf die Goldpreiskorrektur in diesem Jahr sind längst noch nicht alle Fragen beantwortet. Während man auf der Internationalen Edelmetall- und Rohstoffmesse (Doku-Video hier) offizielle Interventionen der amerikanischen Regierungen, der US-Notenbank und der dortigen Großbanken für den Rutsch der Goldpreise verantwortlich macht, geht Grant Williams, Chefinvestmentstratege von Mauldin Economics, in seinem neuesten Newsletter einen Schritt weiter. Er macht Deutschlands und Venezuelas Forderung nach einer physischen Auslieferung der eigenen Goldvorräte verantwortlich für den Rückgang in den Goldpreisen. Nur so sei es den Zentralbanken in London und Washington möglich gewesen, das Gold noch günstig zu erwerben, das dann anschließend nach Deutschland und Caracas ausgeliefert werden soll. Nur so hätte der Schein gewahrt bleiben können, dass das Gold schon längst nicht mehr in den Hallen der Zentralbanken lagere, sondern schon verkauft sei. Venezuela, das am 17. August 2011 seine 99 Tonnen Gold, die bei der Bank of England offiziell lagerten, einforderte, sei noch relativ überschaubar gewesen. Als dann aber Deutschland die in New York bei der Federal Reserve gelagerten 365 Tonnen Gold eingefordert hätte sei aber ein Problem entstanden, so Graham.

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Die Linie 1 zeigt das Datum von Hugo Chavez' Forderung nach einer Lieferung seines Goldes, die Linie 2 den Zeitpunkt der deutschen Forderung. Laut Graham habe man kurz nach Chavez' Forderung einen Hochpunkt im Goldpreis erzeugt, um ihn dann bis auf rund 1500 fallen zu lassen. Als dann Deutschland auch noch sein Gold eingefordert habe, habe man den Goldpreis dann weit niedriger ansetzen müssen, um die benötigten Mengen noch am Markt bekommen zu können.

Meine Meinung:

Ich finde Graham bringt hier eine interessante, aber auch steile Theorie. Allerdings sind die Beweise ziemlich dürftig. Er bezieht sich auf einen Brief, den die niederländische RBS-Tochter ABN Amro an ihre Kunden versendet hatte. Das war allerdings, wie ich selbst aus erster Hand weiß, nichts weiter als dass da damals die Verwahrstelle geändert wurde, um neue Kunden anzusprechen, vor allem Pensionsfonds, die in keine Rohstoffprodukte investieren dürfen, die physisch gedeckt sind. Das Volumen war auch nicht besonders groß in diesem ETC. Graham verwendet dies aber als definitiven Beweis dafür, dass hier Großbanken plötzlich kein Gold mehr ausgeliefert hätten. Das entspricht nicht der Tatsache. Man hätte bei der ABN und überall anders auch zu diesem Zeitpunkt große Mengen Gold ungehindert erwerben können. Ein zweiter Beweis, der von Graham ins Feld geführt wird, sind die fallenden Lagerbestände an der amerikanischen Terminbörse COMEX. Dass diese hier auch herhalten müssen für diese Theorie ist ja noch okay, aber die fallenden Lager haben meiner Meinung nach eher damit zu tun dass große Banken und Händler, die an der COMEX überhaupt etwas mit dem physischen Handel zu tun haben, in Zeiten fallender Goldpreise keine übermäßig hohe Lagerhaltung betreiben wollen. Wer will schon Gold im Lager haben, das täglich ein paar Prozent günstiger wird. Also wird es losgeschlagen. Es gibt meiner Auffassung nach KEINE Knappheit an Gold, wie hier suggeriert wird. Also denke ich, dass Deutschland und Venezuela eher nichts mit dem Goldpreisrutsch zu tun haben.

Ich glaube man muss es sich nicht so schwer machen, um den Rutsch im Goldpreis zu erklären. Stichwort Realzinsen. Offiziell ist die Inflation niedrig, in der Eurozone bei 0,7 % und in den USA auch deutlich unter der Zielzone des Fed von 2 %. Inoffiziell liegen die Zahlen zumindest in den USA nach der Berechnungsmethode des Jahres 1980 aber bei rund 10 %. Also denke ich, dass die Wahrheit irgendwo dazwischen liegen wird, vielleicht bei 5 %. Da ich heute als Sparer dank Nullzinspolitik der EZB (fast) und der Fed (bereits erreicht) keine Kompensation mehr für diese Geldentwertung mehr bekomme und weil ich das auch auf absehbare Zukunft auch nicht erwarten kann muss ich irgendwie eine Kompensation finden. Inflationsgeschütze Anleihen sichern mir aber nur die offizielle Inflation aus dem heutigen Güterkorb des CPI-Index. Meine Lebenswirklichkeit sieht aber anders aus und ich sehe eher Inflationsraten um 5 %. Also muss ich irgendwie 5 % erwirtschaften, sonst werde ich in sechs Jahren mehr als ein Viertel meiner Kaufkraft verloren haben. Die leute sehen, dass die Aktienmärkte laufen und diese 5 % (Dividenden nicht vergessen!) bringen können. Also gehen sie in den Aktienmarkt, und haben aus Gold dorthin umgeschichtet. Ich glaube das ist mit der wichtigste Grund für die Goldpreiskorrektur.

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Über den Experten

Jochen Stanzl
Jochen Stanzl
Chefmarktanalyst CMC Markets

Jochen Stanzl begann seine Karriere in der Finanzdienstleistungsbranche als Mitbegründer der BörseGo AG (jetzt stock3 AG), wo er 18 Jahre lang mit den Marken GodmodeTrader sowie Guidants arbeitete und Marktkommentare und Finanzanalysen erstellte.

Er kam im Jahr 2015 nach Frankfurt zu CMC Markets Deutschland, um seine langjährige Erfahrung einzubringen, mit deren Hilfe er die Finanzmärkte analysiert und aufschlussreiche Stellungnahmen für Medien wie auch für Kunden verfasst. Er ist zu Gast bei TV-Sendern wie Welt, Tagesschau oder n-tv, wird zitiert von Reuters, Handelsblatt oder DPA und sendet seine Einschätzungen über Livestreams auf CMC TV.

Jochen Stanzl verfolgt einen kombinierten Ansatz, der technische und fundamentale Analysen einbezieht. Dabei steht das 123-Muster, Kerzencharts und das Preisverhalten an wichtigen, neuralgischen Punkten im Vordergrund. Jochen Stanzl ist Certified Financial Technician” (CFTe) beim Internationalen Verband der technischen Analysten IFTA.

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