Kommentar
12:12 Uhr, 10.05.2018

Großbritannien als erstes Land in der Rezession?

Einige haben es im Gefühl. Die nächste Rezession kommt bald. Doch wo wird sie beginnen? – Vermutlich in Großbritannien.

Großbritannien hat es wirklich nicht leicht. Es muss nach wie vor ins EU-Budget einzahlen, darf aber nicht mehr mitreden. Einen Handelsdeal mit der EU nach dem Brexit gibt es nicht. Bis dahin sind die Briten in der EU gefangen und müssen befürchten, dass die USA höhere Zölle auch auf britische Produkte erheben, wenn sich die EU mit den USA nicht einigen kann. Die Möglichkeit eines separaten Deals mit den USA gibt es bis zum tatsächlichen Exit nicht.

Nebenbei kämpft das Land mit vergleichsweise hoher Inflation und wegen der Brexit-Unsicherheit mit sinkenden Investitionen und sinkendem Konsum. Das BIP-Wachstum kühlt sich entsprechend seit mehreren Quartal ab (Grafik 1). Anfang 2018 lag das Wachstum nur noch knapp über 0 %. So schlecht war es seit dem Höhepunkt der Eurokrise nicht mehr.

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Ein Grund für mageres Wachstum ist der Konsum. Die Briten können einfach nicht mehr. Kurz nach dem Referendum ging das Volk noch einmal in die Vollen und konsumierte, was ging. Die Schulden stiegen auf ein Rekordniveau. Inzwischen sind die Kreditkarten ausgereizt.

Die begrenzte Möglichkeit, die Schulden weiter aufzubauen, ist aber nur ein kleiner Teil der Wahrheit. Die Löhne sind real in diesem Aufschwung kaum gestiegen (Grafik 2). Der Reallohnindex erreichte Anfang 2008 sein zyklisches Hoch. Bis 2014 fielen die Reallöhne. Immerhin konnten sie dann für 2 Jahre ansteigen.

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Inzwischen sind die Löhne wieder um fast 2 % gefallen. Wer real nicht mehr verdient, kann auch nicht mehr konsumieren. Das geht nur, wenn zusätzliche Schulden aufgenommen werden. Das geht nun aber fast nicht mehr. Der Konsum wird vorerst schwach bleiben.

Dass die Reallöhne nicht gestiegen sind, wundert nicht. Der Reallohn kann nur steigen, wenn auch mehr mit der gleichen Arbeitskraft produziert wird. Produktivitätswachstum ist zuletzt Mangelware gewesen. Das letzte Mal sank die Produktivität vor über 100 Jahren so stark wie jetzt (Grafik 3).

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Produktivität wird vor allem durch Investitionen getrieben. Neue und bessere Maschinen, Software usw. steigern die Effizienz. Wegen der Brexit-Unsicherheit wird weniger investiert. Ein Rebound der Produktivität ist daher nicht zu erwarten.

Für die Reallöhne bedeutet das auf absehbare Zeit bestenfalls Stagnation. Der Konsum kann dadurch nicht anspringen. Die Schulden sind ohnehin überall zu hoch, sei es bei Konsumenten oder dem Staat. Die niedrigen Zinsen der Notenbank nutzen wenig. Sie sorgten lediglich dafür, dass das Pfund nach dem Brexit stark an Wert verlor und zur Inflation beitrug.

Nun haben wir den Salat. Auf der positiven Seite: kommt wirklich der nächste, breitangelegte Abschwung in Europa und den USA, dann wissen wir es diesmal früher, denn Großbritannien wird wohl zuerst in die Rezession abrutschen, bevor es die anderen Länder tun.

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2 Kommentare

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  • kingkong007
    kingkong007

    Mittwoch, 25.04.2012 Spiegel Online

    Vor dem Brexit.

    Großbritannien rutscht in die Rezession

    Die britische Währung rutschte nach Bekanntwerden der Konjunkturdaten ab. Für ein britisches Pfund mussten zeitweise nur noch 1,6078 Dollar gezahlt werden.

    13:16 Uhr, 10.05.2018
  • Markus Krizsmann
    Markus Krizsmann

    Guten Tag Herr Schmale,

    Guter Beitrag! Das deckt sich auch mit dem Fidelity Business Cycle: https://institutional.fidelity...Sollte der Link nicht funktionieren, dann einfach in Google Suche "Fidelity Business Cycle Update" eingeben.

    Aber sollte nicht zuvor der FTSE 100 Schwaeche anzeigen. Der scheint mir aber sehr robust und auch noch attraktiv bewertet zu sein. Es sollte sich zumindest eine Abkuehlung im Aktienindex bemerkbar machen aber auch die englischen Unternehmen haben eigentlich gute Ergebnisse vorgelegt soweit ich das verfolgt habe... also scheint mir das Ganze aus dieser Perspektive nicht ganz stimmig.

    Was meinen Sie dazu?

    Beste Gruesse

    12:46 Uhr, 10.05.2018

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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