Kommentar
21:56 Uhr, 09.03.2009

Großbritannien im Abwärtsstrudel - Wirtschaftskrise trifft die Briten besonders hart

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Das einstige Musterland Europas Großbritannien steckt tief in der Rezession. Um satte 1,5% – und damit so stark wie seit 1980 nicht mehr – schrumpfte das Bruttoinlandsprodukt im vierten Quartal, nachdem es bereits in den drei Monaten bis Ende September um 0,7% zurückgegangen war. Ein Grund für den starken Rückgang war die Kaufzurückhaltung der Verbraucher: Der private Konsum sank um 0,7% und damit so deutlich wie seit 1991 nicht mehr. Der Einbruch der Industrieproduktion erreichte im Dezember mit -9,4% im Jahresvergleich seinen bisherigen Höhepunkt, nachdem bereits seit Mai negative Wachstumsraten ausgewiesen worden waren.

Hinzu kommen die Probleme im britischen Bankensektor: Die Finanzkrise trifft Großbritannien härter als andere EU-Staaten, denn Banken und Versicherungen machen auf der Insel ein Fünftel der Wirtschaftsleistung aus. Der Anteil der Industrie am Bruttoinlandsprodukt lag dagegen 2007 nur noch bei 12,6%. Um die Banken des Landes vor der Pleite zu bewahren, legte die Regierung bereits zwei Milliarden-Rettungspakete auf. Nachdem die Rekapitalisierung der Banken im Herbst mit staatlichen Hilfsspritzen nicht die erhoffte Wirkung gebracht hatte, brachte die britische Regierung jüngst das „Asset Protection Scheme“ auf den Weg. Dieses besagt, dass die Banken ihre „toxischen“ Posten, von faulen Hypothekenkrediten bis hin zu unverkäuflichen Derivaten aus ihren Büchern ausklammern und außerhalb parken dürfen. Die Risiken versichert dabei die Regierung, wobei sie im Gegenzug Anteile der angeschlagenen Banken erhält. Mit der Royal Bank of Scotland und Lloyds TSB, die diesen Rettungsanker ergreifen mussten, ist damit der Anfang der Verstaatlichung britischer Banken gemacht (Staatsbeteiligung bei 68% bzw. 77%). Die abgesicherten faulen Papiere allein dieser beiden Banken belaufen sich auf 700 Milliarden GBP. Damit haben die versicherten Risiken nur dieser beiden Institute bereits ein größeres Volumen als die insgesamt im britischen Staatshaushalt eingeplanten Ausgaben im Fiskaljahr 2008/2009 von 618 Milliarden GBP.

Dabei war der Wandel von der Industrie- zur modernen Dienstleistungsgesellschaft einst die Triebfeder, die den wirtschaftlichen Aufschwung Großbritanniens Ende des 20. Jahrhunderts vorangetrieben hatte. Neue Steuerquellen belohnten die Staatskasse für diese Weichenstellung. Noch 2007 entfielen 20% des Steueraufkommens auf den Finanzplatz London; er war zum Rückgrat von Englands neuem Reichtum geworden und erlaubte der Regierung, in Schulen und Krankenhäuser zu investieren und ein reformfreudiges Image zu pflegen. Doch mit der Finanz- und Bankenkrise zerplatzte in Großbritannien auch der Traum vom Wirtschaftswunder.

Mittlerweile nähert sich die Zahl der Arbeitslosen im Königreich der Zwei-Millionen-Marke. Ende Dezember 2008 waren nach Angaben der britischen Statistikbehörde 1,97 Millionen Briten ohne Job. Das war die höchste Zahl seit der Regierungsübernahme der Labour-Partei im Jahr 1997. Im letzten Quartal 2008 stieg die Zahl der Arbeitslosen um 146.000, die Arbeitslosenquote erreichte mit 6,3 Prozent ein Neunjahreshoch – und das Ende der Fahnenstange dürfte noch lange nicht erreicht sein.

Ein düsteres Bild zeichnete auch der Chef der Bank of England (BoE) Mervyn King. Nach seiner Einschätzung wird die Wirtschaft im Jahr 2009 um 4% schrumpfen. Um die Wirtschaft anzukurbeln, hat die BoE ihren Leitzins sukzessive auf nunmehr nur noch 0,50% gesenkt. Die konventionellen Maßnahmen der Geldpolitik sind damit ausgeschöpft; eine weitere Absenkung in Richtung Null-Prozent-Marke bringt kaum noch einen wirtschaftlichen Stimulus. Die BoE hat daher das nächste Kapitel aufgeschlagen und sich auf den Pfad des so genannten „Quantitative Easing“ begeben. Dies bedeutet nichts anderes als eine Ausweitung der Geldmenge durch den Aufkauf von Staatsanleihen. Angekündigt wurde zunächst der Erwerb von mittel- und langfristigen Gilts in Höhe von 75 Milliarden GBP. Der Effekt ist folgender: Durch den Anleihenkauf werden den Banken zusätzliche 75 Milliarden GBP zur Verfügung gestellt. Diese, so hofft man, werden wiederum als Kredite an die Wirtschaft vergeben. Ob diese Maßnahmen greifen oder die Ankurbelung der Kreditvergabe durch Liquiditätsbereitstellung möglicherweise nur ein frommer Wunsch bleibt, weil der Bankensektor die zusätzlichen Mittel eher zur Sanierung der eigenen Bilanzen nutzt denn sie an die Wirtschaft weiterzugeben, bleibt offen.

Für das britische Pfund ist diese Gemengelage – tiefe Rezession und Ausweitung der Geldmenge – Gift. Denn ein Anwerfen der Notenpresse birgt auch Risiken: Langfristig, wenn die rezessiven Tendenzen abnehmen und es wirtschaftlich wieder aufwärts geht, könnte die erhöhte Geldmenge die Inflation antreiben. Einen tiefen Absturz des Pfunds verhindert lediglich die Tatsache, dass es anderen Ländern zurzeit kaum besser ergeht – wenn auch die Probleme beispielsweise in der Eurozone ein wenig anders gelagert sind. Man denke hier nur an die Probleme in Osteuropa und das starke Engagement westeuropäischer Banken in dieser Region sowie die schlechte Haushaltsverfassung einiger Mitgliedsländer der Eurozone.

Die Parität dürfte für EUR/GBP daher weiterhin ein unerreichbares Ziel bleiben. Erholungen in Richtung 0,95er-Marke sehen wir als eine gute Verkaufsmöglichkeit mit Ziel einer Rückkehr zunächst in den niedrigen 0,90er-Bereich. Bei GBP/USD sind die Vorzeichen klar negativ: Fällt „Cable“ unter die 1,3500, dürfte ein Test der runden 1,3000 nicht lange auf sich warten lassen.

Tomke Hansmann
FXdirekt Bank

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