Kommentar
10:14 Uhr, 01.12.2018

Griechenland: Warum nur ein Schuldenerlass wirklich helfen kann

Im Schatten all der Diskussionen rund um Italien geht ein Thema etwas unter. Griechenland steht schon wieder an der Klippe.

Es ist nur wenige Monate her, da wurde das Ende des dritten Hilfspakets gefeiert. Endlich sollte Griechenland wieder frei sein. Auf der anderen Seite freuten sich die Gläubiger, dass sich die Haftungen nicht immer weiter erhöhen würden. Pustekuchen.

Das jetzige Problem lässt sich mit einem Wort beschreiben: Banken. Das Problem hat sich lange angedeutet, doch jetzt wird es ernst. Entsprechend kommt es auch jetzt erst zur Aufregung. Angefangen hat alles mit dem Bankenstresstest. Hier wurde festgestellt, dass griechische Banken Kapital benötigen bzw. ihre Bilanzen bereinigen müssen.

Kapital bekommen griechische Banken nicht so leicht. Wer kauft schon Aktien von Instituten, die seit Jahren pleite sind? Niemand. Auch über Anleihen, die als Eigenkapital angerechnet werden können, will niemand reden. Diese Anleihen sind fast so toxisch wie die Aktien.

Trotz der Unmöglichkeit der Kapitalbeschaffung und Bilanzbereinigung wurde genau das vereinbart. Griechische Banken müssen den Anteil fauler Kredite bis 2021 unter 20 % drücken. Das ist leichter gesagt als getan. Derzeit gelten 50 % aller Kredite als notleidend (Grafik 1). Eine Reduktion auf 20 % würde bedeuten, dass Banken über 50 Mrd. an faulen Krediten loswerden müssen.

Es ist vollkommen unmöglich, eine solche Reduktion aus eigener Kraft vorzunehmen. Das wiederum liegt am Wirtschaftswachstum. Würde die Wirtschaft boomen, könnten Schuldner endlich wieder ihre Schulden bedienen. Das Wachstum ist inzwischen wieder positiv, aber immer noch unterdurchschnittlich (Grafik 2).

Wachstumsraten von weniger als 2 % sind zu wenig, um das Schlamassel zu beseitigen. Wachstum gibt es aber nur, wenn der Wirtschaft Kredit zur Verfügung steht. Da die Banken schwach sind, können sie keine neuen Kredite vergeben. Die Gesamtsumme aller Kredite ist nach wie vor rückläufig.

Es ist ein Paradoxon. Banken brauchen Wirtschaftswachstum, damit Schuldner ihre Schulden bedienen und Banken neue Kredit vergeben können. Diese werden für das Wachstum benötigt, gibt sie aber nicht, weil die Schuldner nicht liefern.

Banken bleibt nur ein Ausweg. Irgendjemand muss ihnen die Papiere abnehmen, damit sie endlich wieder Kredit vergeben können und aus dem Teufelskreis ein positiver Rückkopplungseffekt wird. Nun muss man aber erst einmal jemanden finden, der die faulen Kredite abnimmt. Genau diese Kredite haben für hohe Verluste gesorgt (Grafik 3). Es ist also vollkommen klar, dass z.B. eine Bad Bank horrende Verluste schreiben wird.

Eine Bad Bank braucht daher Kapital. Der Staat hat kein Geld, um dieses Kapital bereitzustellen. Überhaupt ist der Staat größtenteils für die Misere verantwortlich. 2011 gab es einen Schuldenschnitt. Dieser trug maßgeblich zum Jahresverlust der Banken von über 40 Mrd. bei. Hätten die Banken diese enorme Summe nicht abschreiben müssen, wären die faulen Kredite heute ein sehr viel kleineres Problem.

Es braucht zwischen 20 und 30 Mrd. an frischem Geld. Ohne den Schuldenschnitt hätte es dieses Loch nie gegeben. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie das Geld aufgetrieben werden kann. Es sind noch Gelder aus dem dritten Hilfspaket übrig. Diese könnten eingesetzt werden. Denkbar ist auch, dass man eine Bad Bank über Verlustvorträge der Banken kapitalisiert. Wegen der hohen Abschreibungen in den vergangenen Jahren haben Banken hohe Verlustvorträge. Gewinne können damit gegengerechnet werden, sodass die Steuerlast sinkt.

Welche Lösung am Ende auch gewählt wird, Griechenland steht auch danach noch vor einem Scherbenhaufen. Der Gedanke, dass gesunde Banken wieder Kredit vergeben können, liegt auf der Hand. Insgesamt ist das Land aber viel zu hoch verschuldet. Die Bankbilanzen haben selbst nach jahrelanger Schrumpfkur gerade einmal das Niveau von Ende 2007 wieder erreicht (Grafik 4). Das Bankensystem ist trotz allem im Vergleich zur Wirtschaft immer noch maßlos aufgebläht.

Neues Kreditwachstum wäre eine Fortsetzung dessen, was Griechenland in die Misere gebracht hat. Zwischen 2002 und Beginn der Krise lag das Kreditwachstum bei mehr als 15 %. Es ist schon wahnsinnig, wenn man jetzt das gleiche noch einmal versucht und ein anderes Resultat erwartet. Am Ende gibt es nur eine Lösung: ein Schuldenerlass. Ansonsten hat Griechenland nicht nur ein verlorenes Jahrzehnt hinter sich, sondern ein verlorenes Jahrhundert vor sich.

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4 Kommentare

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  • Lois
    Lois

    Kompliment! Wirtschaftsblogging at its best. Wer will kann was draus lernen für etwaige politische Debatten aber ...

    20:17 Uhr, 03.12. 2018
  • feloh
    feloh

    Wir brauchen ein neues Rettungspaket aus deutschen Steuergeldern.

    Schnell!!

    14:40 Uhr, 03.12. 2018
  • Bigdogg
    Bigdogg

    Ja, die sind pleite. Und das nicht erst seit gestern - was ist hier die Neuigkeit??

    10:00 Uhr, 03.12. 2018
  • wolp
    wolp

    Guter Artikel! Sehr informativ. Vielen Dank

    21:58 Uhr, 01.12. 2018

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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