Kommentar
12:17 Uhr, 23.05.2012

Griechenland: Mit dem "Geuro" aus der Krise

Deutsche Bank-Chefvolkswirt Thomas Mayer hält in Griechenland die Einführung einer Parallelwährung zum Euro für wahrscheinlich. Dadurch könnte Griechenland seine Wettbewerbsfähigkeit verbessern und weiter in der Eurozone bleiben, argumentiert Mayer. Die neue Währung soll aus Schuldscheinen bestehen, die die griechische Regierung ganz nach Bedarf drucken kann, um damit ihre laufenden Ausgaben zu bezahlen. Da die Schuldscheine auch weitergegeben werden könnten, entstünde mit der Zeit ein Parallelkreislauf. Die zusätzlichen Zahlungsmittel würden zu einer Abwertung führen und damit die Wettbewerbsfähigkeit der griechischen Wirtschaft erhöhen, ohne dass Griechenland den Euro verlassen müsste.

Mayer betrachtet die Einführung einer Parallelwährung als wahrscheinlichste Lösung der Griechenland-Krise, da die Mehrheit der Griechen einerseits den Euro behalten will, andererseits aber die internationalen Sparauflagen ablehnt und deshalb ein Zahlungsstopp durch EU und IWF droht. Griechenland wäre auch nach der "Geuro"-Einführung auf internationale Hilfe angewiesen, zum Beispiel um seine in Euro denominierten Anleihen zu bedienen, aber in geringerem Umfang als bisher.

Die Einführung von Parallelwährungen ist nichts völlig Neues. Das Dritte Reich finanzierte die Aufrüstung für den Zweiten Weltkrieg zum Teil, indem es nicht in Banknoten bezahlte, sondern Wechsel annahm, die von der Rüstungsindustrie ausgestellt wurden. Diese sogenannten Mefo-Wechsel dienten dazu, das Ausmaß der Aufrüstungsmaßnahmen zu verschleiern und trotz stark gestiegener Staatsausgaben ein Anziehen der Inflation zu vermeiden. Die Mefo-Wechsel wurden von Industriebetrieben untereinander auch als Zahlungsmittel verwendet und konnten bei Banken angelegt werden, erfüllten damit also zumindest zum Teil die Kriterien für eine Parallelwährung. Aber auch in Friedenszeiten gibt es Parallelwährungen, die zum Teil seit geraumer Zeit existieren und eine hohe Akzeptanz in der Bevölkerung genießen. In Papua-Neuguinea kann neben der gesetzlichen Währung auch das traditionelle Muschelgeld im Alltag verwendet werden. Der Gebrauch des alternativen Zahlungsmittels wird von einigen Provinzregierungen gefördert, teilweise ist sogar die Zahlung von Steuern per Muschelgeld erlaubt. In Japan gibt es eine ganze Reihe von überregionalen Komplementärwährungen. Weit verbreitet ist das Fureai-kippu-System. Es handelt sich dabei um Zeitkonten, auf denen geleistete Hilfe für ältere Menschen gutgeschrieben wird. Die so erworbenen Zeitguthaben können auch auf andere Menschen übertragen werden. So können Japaner ältere Familienmitglieder unterstützen, auch wenn diese in großer Entfernung leben.

Der Vorschlag zur Einführung einer Komplementärwährung in Griechenland bedeutet nichts anderes, als dass die griechische Regierung das Geld, das sie zum Bestreiten der laufenden Ausgaben benötigt, selbst druckt. Das kann vorübergehend gut gehen, ist aber keine dauerhafte Lösung. Auch mit einer Zweitwährung gibt es langfristig keine Alternative zu einem strikten Sparkurs. Denn würde die griechische Regierung zügellos neue Schuldscheine drucken, um ihre Ausgaben zu finanzieren, würde die Abwertung der neuen Währung kein Ende finden. Das Vertrauen in den "Geuro" würde schwinden und eine vollständige Rückkehr zum Euro würde unmöglich.

Der "Geuro" könnte aber Griechenland mehr Zeit verschaffen, um die notwendigen Reformen durchzusetzen. Die Staatsausgaben müssten nicht sofort, sondern nur mittelfristig gekürzt werden. Gleichzeitig würde durch den zirkulierenden "Geuro" auch die Situation in der Privatwirtschaft gestützt.

Allerdings bestehen einige Hindernisse. Abgesehen von den großen rechtlichen Problemen dürfte es auch schwierig sein, in der Bevölkerung die notwendige Akzeptanz für eine zusätzliche griechische Währung zu schaffen. Wie werden wohl die griechischen Beamten reagieren, wenn sie keine "starken Euros" sondern nur noch "schwache Geuros" in der Lohntüte finden? So oder so, die Griechen müssen entscheiden.

Oliver Baron
Redakteur BoerseGo.de

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Oliver Baron ist Finanzjournalist und seit 2007 als Experte für stock3 tätig. Er beschäftigt sich intensiv mit Anlagestrategien, der Fundamentalanalyse von Unternehmen und Märkten sowie der langfristigen Geldanlage mit Aktien und ETFs. An der Börse fasziniert Oliver Baron besonders das freie Spiel der Marktkräfte, das dazu führt, dass der Markt niemals vollständig vorhersagbar ist. Der Aktienmarkt ermöglicht es jedem, sich am wirtschaftlichen Erfolg der besten Unternehmen der Welt zu beteiligen und so langfristig Vermögen aufzubauen. In seinen Artikeln geht Oliver Baron u. a. der Frage nach, mit welchen Strategien und Produkten Privatanleger ihren Börsenerfolg langfristig maximieren können.

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