Kommentar
10:50 Uhr, 18.06.2012

Griechenland: Es bleibt spannend!

Der Ausgang der griechischen Parlamentswahl sorgt in der europäischen Politik und an den Finanzmärkten vorerst für Erleichterung. Die Nea Dimokratia ist als klarer Sieger aus der Neuwahl hervorgegangen. Nach Angaben des Innenministeriums erhielt die konservative Partei 29,7 Prozent der Wählerstimmen und wurde damit stärkste Kraft. Zusammen mit der sozialistischen Pasok-Partei verfügt sie über 162 von 300 Sitzen im Parlament. Damit gibt es auch eine klare Mehrheit für den Reform- und Sparkurs. Das radikale Linksbündnis Syriza wurde mit 26,9 Prozent der Stimmen zweitstärkste Kraft. Syriza hatte sich für eine Aufkündigung des Sparprogramms eingesetzt.

Zwei Dinge sind am Wahlausgang allerdings interessant. Zum einen konnten Konservative und Sozialisten im Parlament nur deshalb eine Mehrheit erringen, weil die stärkste Partei nach griechischem Wahlrecht 50 Sitze zusätzlich erhält. Außerdem wurden die etablierten Parteien vor allem von älteren Griechen gewählt. Bei den unter 55-jährigen konnte das Syriza-Bündnis einen fulminanten Sieg einfahren. Damit droht einer neuen griechischen Regierung massiver Widerstand von der Straße, sollte sich die wirtschaftliche Situation vor allem der jüngeren Menschen in Griechenland nicht verbessern.

Spannend dürfte nun die Regierungsbildung werden. Denn Pasok-Chef Evangelos Venizelos fordert, dass sich auch das Linksbündnis Syriza an einer Koalition beteiligt. Dessen Vorsitzender hat aber bereits erklärt, dass er seinen Platz nur auf der Oppositionsbank sieht. Ein Syriza-Sprecher bezeichnete alle Diskussionen über eine "Regierung der nationalen Einheit" mit Konservativen und Sozialisten sogar als lächerlich. Damit droht die Regierungsbildung schwierig zu werden, auch wenn sich alle Kräfte bemühen dürften, ein Debakel wie nach der letzten Wahl zu verhindern. Wie es weitergeht, dürfte bereits in den kommenden zwei bis drei Tagen klar sein. Staatspräsident Karolos Papoulias wird den Chef der konservativen Nea Dimokratia (ND), Antonis Samaras, heute mit Sondierungsgesprächen für eine Regierungsbildung beauftragen. Das Mandat gilt laut griechischer Verfassung nur für drei Tage.

Auch wenn eine stabile Regierung in Griechenland gebildet werden kann, bleibt der künftige politische Kurs in Griechenland ungewiss. Denn auch Nea Dimokratia will in Verhandlungen mit der EU für Erleichterungen beim Sparkurs kämpfen. So sollen die Einsparungen, die eigentlich bis 2013/2014 geplant waren, erst bis 2016 umgesetzt werden. Außerdem will Nea Dimokratia drastische Steuersenkungen und eine Verlängerung von Arbeitslosengeld-Zahlungen durchsetzen.

Die EU will aber zunächst hart bleiben und fordert von Griechenland eine Umsetzung der internationalen Vereinbarungen. Sparkurs und Strukturreformen seien "Griechenlands bester Weg, die gegenwärtigen wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen zu überwinden", teilte Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker am späten Sonntagabend mit. "Wir wollen helfen und Griechenland in der Euro-Zone halten. Aber wir haben schon äußerste Flexibilität angewandt gegenüber Athen", sagte EU-Haushaltskommissar Janusz Lewandowski dem "Handelsblatt". Bundesaußenminister Guido Westerwelle stellte aber Erleichterungen "auf der Zeitachse" in Aussicht. Griechenland könnte also mehr Zeit bekommen, um die Sparverpflichtungen umzusetzen. Ein Sprecher der Bundesregierung sagte am Montag allerdings, dass der Zeitrahmen für Griechenland nicht geändert werde.

An der wirtschaftlichen Situation Griechenlands hat sich durch die Wahl ohnehin nichts geändert. Nach Einschätzung der Citigroup bleibt die Wahrscheinlichkeit für einen Austritt Griechenlands aus dem Euro innerhalb der nächsten 12 bis 18 Monate bei 50 bis 75 Prozent. Nur die kurzfristige Wahrscheinlichkeit für einen Verbleib im Euro habe sich durch den Wahlausgang verbessert, so die Experten.

Damit bleibt die künftige Entwicklung in Griechenland spannend und potentiell marktbestimmend. Wenn sie immer aktuell informiert sein wollen, zum Beispiel über die Regierungsbildung in Griechenland, besuchen Sie unseren Echtzeitnachrichten-Service Jandaya.

Oliver Baron
Redakteur BoerseGo.de

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Über den Experten

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Experte für Anlagestrategien

Oliver Baron ist Finanzjournalist und seit 2007 als Experte für stock3 tätig. Er beschäftigt sich intensiv mit Anlagestrategien, der Fundamentalanalyse von Unternehmen und Märkten sowie der langfristigen Geldanlage mit Aktien und ETFs. An der Börse fasziniert Oliver Baron besonders das freie Spiel der Marktkräfte, das dazu führt, dass der Markt niemals vollständig vorhersagbar ist. Der Aktienmarkt ermöglicht es jedem, sich am wirtschaftlichen Erfolg der besten Unternehmen der Welt zu beteiligen und so langfristig Vermögen aufzubauen. In seinen Artikeln geht Oliver Baron u. a. der Frage nach, mit welchen Strategien und Produkten Privatanleger ihren Börsenerfolg langfristig maximieren können.

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