Kommentar
15:01 Uhr, 08.04.2015

Griechenland: "Bevormundung" durch die EU

Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras sorgt mit seinem Antrittsbesuch in Moskau für Unmut in der EU. Vertreter aus Brüssel haben bereits deutliche Warnungen ausgesprochen, die in Athen als Bevormundung empfunden werden.

Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras sorgt mit seinem Antrittsbesuch in Moskau für Unmut in der EU. Der Regierungschef will die Zusammenarbeit mit Russland vertiefen. EU-Parlamentspräsident Martin Schulz hat Griechenland vorsorglich davor gewarnt, aus der gemeinsamen Russlandpolitik der EU auszuscheren. "Griechenland verlangt und bekommt von der EU viel Solidarität. Dann können wir umgekehrt auch Solidarität verlangen - und dass diese Solidarität nicht durch Ausscheren aus gemeinsamen Maßnahmen einseitig aufgekündigt wird", sagte er dem Münchener Merkur.

Wenn Griechenland in der Frage der Sanktionen des Westens gegen Russland im Ukraine-Konflikt aus dem EU-Verbund ausschere, dann hätten die Europäer ein Problem, sagte auch der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Europäischen Parlament, Elmar Brock. Alle Mitgliedstaaten müssten mit einer Stimme sprechen, auch gegenüber Russland, teilte die EU-Kommission mit.

Da in der EU Einstimmigkeit für Sanktionen vorgeschrieben ist, sind die EU-Vertreter natürlich nervös. Der griechische Wirtschaftsberater der regierenden Syriza-Partei, Theodoros Paraskevopoulos, versicherte aber bereits, dass sich sein Land an die EU-Sanktionen halten werde. Es soll insbesondere um russische Investitionen und den Export griechischer Agrarprodukte gehen. Und das ist auch völlig legitim. Die Warnungen von mehreren EU-Vertretern vor einer Annäherung an Russland werden in Athen daher zu Recht als "Bevormundung" empfunden. Es gehört nun mal zum Wesen einer Demokratie, dass nicht Alle die gleichen Interessen haben. Die Versuche, potenzielle Abweichler mit Druckausübung auf Kurs zu trimmen, passt nicht zu meinem Verständnis von Demokratie. Man will in der EU unter allen Umständen an einem gemeinsamen Strang ziehen oder zumindest den Anschein erwecken. Andere Interessen werden nicht geduldet nach dem Prinzip des Stärkeren: "Tu was ich sage, sonst wird es Konsequenzen für dich haben". So kann man auch das Bild von Einigkeit wahren. Ich habe jedoch den Eindruck, dass die Spannungen innerhalb der EU größer sind denn je.

13 Kommentare

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  • arborex
    arborex

    Die Europäische Union kann nichts als Antiliberalität sein, denn sie konzentriert ihre Kraft in viel zu hohem Maße auf ein zentralisiertes bürokratisches System, das Außenstehende fast unmöglich verstehen können. Wie der österreichische Wirtschaftswissenschaftler Friedrich Hayek in “Der Weg zur Knechtschaft” gewarnt hat: Sich vorzustellen, dass das wirtschaftliche Leben eines großen Gebietes, das viele verschiedene Menschen umfasst, von einem demokratischen Prozedere dirigiert oder geplant werden könne, offenbart einen völligen Mangel an Bewusstsein für die Probleme, die eine solche Planung mit sich

    bringen würde. Planung in internationaler Größenordnung kann, noch mehr als in

    nationaler Größenordnung, nichts anderes sein als eine schiere Gewaltherrschaft, bei der eine kleine Gruppe dem ganzen Rest die Art von Standard und Beschäftigung aufzwingt, die die Planer für alle für passend halten.

    Der Mangel einer echten Gewaltenteilung in der EU lädt zum Machtmissbrauch ein.

    Man kann den Griechen nur wünschen, ihr natürlcihes Selbstbewußtsein zu erhalten und sich durch die EU-Diktatur nicht verbiegen zu lassen.

    An Griechenland wird ein Exempel statuiert, daß wenn es erfolgreich ist, auch anderen EU-Mitgliedsländern noch bevorsteht.

    Ganz fatal wird sich der sogenannte ESM für alle Mitgliedsländer auswirken, der einem Ermächtigungsgesetz gleichkommt.

    20:00 Uhr, 09.04.2015
  • 2 Antworten anzeigen
  • Löwe30
    Löwe30

    "Die Versuche, potenzielle Abweichler mit Druckausübung auf Kurs zu trimmen, passt nicht zu meinem Verständnis von Demokratie."

    Genau das ist aber das Wesen der Demokratie: Die Mehrheit entscheidet und drückt ihren Willen allen auf. Demokratie ist eben auch nur ein Herrschaftssystem wo eine Gruppe von Menschen über andere Gruppen herrscht.

    09:30 Uhr, 09.04.2015
    1 Antwort anzeigen
  • student
    student

    Deutschland und Russland sind beide Landmächte. Eine starke verkehrstechnische Verbindung würde beste Technik eines rohstoffarmen Landes mit einem rohstoffreichen Land verbinden. Eine win-win-Aktion, die die eine dominierende Supermacht entstehen lässt.

    Britannien und die USA sind Seemächte. Sie brauchen nur seegestützte Basen und profitieren davon, wenn Länder voneinander isoliert werden, um sie wie Kolonien auszubeuten. Die barbarische Variante von Freihandel und Globalisierung.

    Das Projekt "one road, one belt", mit der die BRICS nicht nur Europa mit Asien, sondern die ganze Welt mit Eisenbahnen, Strassen und maritimen Stützpunkten verbinden und damit friedlich entwickeln wollen, ist die Horrorvision der Seemächte schlechthin.

    Die globale Seidenstrasse wird jetzt realisiert, mit der Entwicklungsbank AIIB unter Beteiligung von 47 Staaten finanziert und mit einem Raumfahrtprogramm Chinas noch getoppt, während Obama und Juncker Raumfahrt und Forschungsgelder streichen und dafür zig Milliarden in Kriege und Krisen "investieren" um George Orwells "1984" voranzutreiben. :-)))

    Griechenland will real investieren und braucht dafür Technologie und Bildung und keine Troika.

    Viele Grüsse

    00:34 Uhr, 09.04.2015
  • Andreas Hoose
    Andreas Hoose

    Danke Dir Thomas, für die kritische Würdigung. Die Ereiferung der Mainstream-Medien wegen der Russland-Reise von Alexis Tsipras ist ja geradezu peinlich.

    Aus meiner Sicht machen die Griechen das einzig Richtige: Sie sind in einer ausweglosen Situation - nicht nur aber auch dank der viel beschworenen "Solidarität" ihrer europäischen Partner.

    Jetzt die Fühler in Richtung Russland auszustrecken, ist aus Sicht der Griechen nur konsequent und vollkommen richtig. Die jüngsten Beschlüsse dürften daher noch nicht das Ende der Entwicklungen sein.

    20:13 Uhr, 08.04.2015
  • mkgeld
    mkgeld

    Diese Einstimmigkeit ist für uns Deutsche unerträglich. Der Stake muss mehr Rechte haben können ansonsten machen die Südstaaten den Affen mit uns.

    17:18 Uhr, 08.04.2015

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Über den Experten

Thomas Gansneder
Thomas Gansneder
Redakteur

Thomas Gansneder ist langjähriger Redakteur der BörseGo AG. Der gelernte Bankkaufmann hat sich während seiner Tätigkeit als Anlageberater umfangreiche Kenntnisse über die Finanzmärkte angeeignet. Thomas Gansneder ist seit 1994 an der Börse aktiv und seit 2002 als Finanz-Journalist tätig. In seiner Berichterstattung konzentriert er sich insbesondere auf die europäischen Aktienmärkte. Besonderes Augenmerk legt er seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 auf die Entwicklungen in der Euro-, Finanz- und Schuldenkrise. Thomas Gansneder ist ein Verfechter antizyklischer und langfristiger Anlagestrategien. Er empfiehlt insbesondere Einsteigern, sich strikt an eine festgelegte Anlagestrategie zu halten und nur nach klar definierten Mustern zu investieren. Typische Fehler in der Aktienanlage, die oft mit Entscheidungen aus dem Bauch heraus einhergehen, sollen damit vermieden werden.

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