Kommentar
11:26 Uhr, 08.10.2014

Globalisierungspause stellt Aktien vor Neubewertung

Die Situation in der Ukraine lässt sich Threadneedle Investments zufolge als Anzeichen einer Entwicklung begreifen, die die Märkte längerfristig beschäftigen könnte: eine Unterbrechung des Globalisierungstrends, den wir in den vergangenen Jahrzehnten erlebt haben. „Es besteht Anlass zur Sorge, dass die Situation in der Ukraine weitreichende Konsequenzen haben könnte“, sagt Werner Kolitsch, Geschäftsführer für Deutschland und Österreich bei Threadneedle. „Die Auswirkungen der Situation in der Ukraine auf die Weltkonjunktur und die globalen Kapitalmärkte könnten langfristiger und deutlicher ausfallen, als es momentan abzusehen ist.“

Auch über den Ukraine-Konflikt hinaus finden sich in der jüngsten Vergangenheit Beispiele für nationalistische Tendenzen, die einer Globalisierung entgegenstehen. So will Japans Premierminister Shinzo Abe die Rolle des Militärs stärken. Indien hat jüngst einen Vorschlag der Welthandelsorganisation WTO zum Abbau von Handelsbarrieren zwischen den Mitgliedsstaaten scheitern lassen. Und in Europa finden national ausgerichtete Parteien wachsenden Zuspruch.
„Offenbar leben wir in einer Welt, in der Konflikte vermehrt auftreten, der Nationalismus sich ausbreitet, Grenzen verschlossen werden, der Handel ins Stocken gerät und die wirtschaftliche Aktivität zunehmend unter Druck gerät“, sagt Kolitsch. Eine solche Entwicklung könnte Threadneedle zufolge unter Umständen längerfristige Folgen haben. Denn geriete die Globalisierung ins Stocken, entfiele ein wichtiger Antriebsmotor der Weltkonjunktur. Das dürfte sich auch an den Kapitalmärkten niederschlagen. „Sollten die Triebkräfte der Wirtschaft sich grundlegend umgestalten, wäre ein Umdenken bei der Bewertung von Aktien angesagt“, sagt Kolitsch. Denn im Falle geringerer durchschnittlicher Wachstumsraten der Unternehmen sowie vermehrter Risiken geopolitischer Unwägbarkeiten dürften Investoren höhere Risikoprämien am Aktienmarkt fordern.

„Dies könnte zweierlei bedeuten: Zum einen führen geringere Gewinnaussichten bei konstanten Kursen zu höheren Kurs-Gewinn-Verhältnissen, sprich zu höheren Bewertungen“, sagt Kolitsch. „Um diese auszugleichen, müssten die Kurse nachgeben. Zum anderen könnte es sein, dass Bewertungskennziffern wie das Kurs-Gewinn-Verhältnis oder Kurs-Buchwert-Verhältnis neu interpretiert werden müssten, sprich: Wo ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von 15 heute als durchschnittlich gilt – zum Beispiel bei europäischen Aktien – könnte es angesichts veränderter geopolitischer Rahmenbedingungen künftig eine zu geringe Risikoprämie widerspiegeln und daher zu hoch erscheinen.“

Um wie viel die Risikoprämien höher ausfallen müssten, um die veränderten Rahmenbedingungen zu reflektieren, lässt sich Threadneedle zufolge nicht absehen. „Angesichts dieser Unwägbarkeit erscheint es sinnvoll, Aktienpositionen bis auf weiteres defensiver auszurichten und in Dividendentitel großer, global ausgerichteter Unternehmen zu investieren“, sagt Kolitsch.

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