Kommentar
12:18 Uhr, 04.12.2007

Globale Wirtschaft nähert sich Scheidepunkt

Europa anfälliger als die Emerging Markets für Ansteckung durch US-Abschwung

Die vom US-Markt für bonitätsschwache Hypothekenkredite ausgehende Kreditkrise hat den Wachstumsausblick für die USA und Europa dramatisch verändert. In anderen Regionen wie den Schwellenländern Asiens, Lateinamerikas und Osteuropas hingegen sind die Wachstumsdynamik und Marktstimmung nach wie vor robust. Dabei steht der wirkliche Test durch einen deutlichen Wachstumseinbruch in den wichtigsten Industrieländern jedoch noch aus, erklärt John Greenwood, Chefvolkswirt von INVESCO, in seinem Wirtschaftsausblick für 2008. “Angesichts der derzeit hohen Unsicherheiten sind präzise Wachstums- und Inflationsprognosen zu diesem Zeitpunkt sehr schwierig”, betont er.

Dennoch meint Greenwood weiterhin, dass eine Rezession der US-Wirtschaft noch abwendbar ist, “wenn die US-Behörden schnell genug handeln, um eine weitere Ausbreitung der Finanzkrise zu vermeiden und die inländische Kaufkraft zu stützen.” Er rechnet in den nächsten Quartalen mit “einer dramatischen Verlagerung des Wachstums vom Häusermarkt und den Verbraucherausgaben hin zur Exportwirtschaft und den Anlageinvestitionen”.

Auch mit Blick auf die Eurozone ist Greenwood optimistischer als die Konsensprognosen. “Die Dynamik der inländischen Kaufkraft sollte reichen, um für ein anhaltendes Ausgabenwachstum in der Eurozone im Jahr 2008 zu sorgen”, meint der Chefvolkswirt von INVESCO. Allerdings fügt er hinzu, dass “die europäische Wirtschaft zwar relativ resistent gegenüber den US-Problemen ist, die europäischen Finanzmärkte jedoch nicht.”

Derweil ist die britische Wirtschaft nicht nur für einen wie in den USA von einer Häusermarkt- und Konsumschwäche ausgelösten Abschwung anfällig – auch die sehr offenen und global integrierten britischen Kapitalmärkte könnten sich einer Ansteckung durch eine US-Krise nicht entziehen. Obwohl Greenwood hier weiterhin Symptome der vorhergehenden Euphorie erkennt, meint er, dass die britische Zentralbank “schnell handeln muss, um den Märkten mit Zinssenkungen zuvorzukommen.”

Dahingegen rechnet Greenwood in China und Indien sowie in großen Teilen Asiens (außerhalb Japans) mit anhaltend starkem Wachstum. Aufgrund des “erhöhten Bewertungsniveaus in den Märkten der Region” weist er jedoch warnend darauf hin, dass eine wirtschaftliche Abkopplung nicht auch automatisch mit einer Abkopplung der Finanzmärkte einhergehe.

“Die jüngste Kreditklemme hat gezeigt, dass das Risiko negativer Auswirkungen auf die Assetbewertungen und Ausgaben deutlich zugenommen hat”, so Greenwoods Fazit. Seiner Ansicht nach hängt der Wachstumsausblick für 2008 daher vor allem davon ab, wie die Notenbanken in den kommenden Monaten reagieren. Sollten diese nicht schnell genug die geldpolitischen Zügel lockern, um der sich ausweitenden Wachstumsschwäche entgegenzuwirken, könnten sie den Abwärtstrend verstärken. “Die Weltwirtschaft nähert sich einem Scheidepunkt an.”

Quelle: INVESCO

INVESCO zählt als Teil der AMVESCAP Gruppe zu den führenden Asset Managern weltweit. Zusammen mit den Schwesterunternehmen verwaltet INVESCO weltweit über 490 Milliarden Euro (Stand: 31.5.2007). Über 5.000 Mitarbeiter, darunter rund 500 Investmentspezialisten, sind in 19 Ländern im Einsatz.

Keine Kommentare

Du willst kommentieren?

Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.

  • für freie Beiträge: beliebiges Abonnement von stock3
  • für stock3 Plus-Beiträge: stock3 Plus-Abonnement
Zum Store Jetzt einloggen

Das könnte Dich auch interessieren

Über den Experten

Thomas Gansneder
Thomas Gansneder
Redakteur

Thomas Gansneder ist langjähriger Redakteur der BörseGo AG. Der gelernte Bankkaufmann hat sich während seiner Tätigkeit als Anlageberater umfangreiche Kenntnisse über die Finanzmärkte angeeignet. Thomas Gansneder ist seit 1994 an der Börse aktiv und seit 2002 als Finanz-Journalist tätig. In seiner Berichterstattung konzentriert er sich insbesondere auf die europäischen Aktienmärkte. Besonderes Augenmerk legt er seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 auf die Entwicklungen in der Euro-, Finanz- und Schuldenkrise. Thomas Gansneder ist ein Verfechter antizyklischer und langfristiger Anlagestrategien. Er empfiehlt insbesondere Einsteigern, sich strikt an eine festgelegte Anlagestrategie zu halten und nur nach klar definierten Mustern zu investieren. Typische Fehler in der Aktienanlage, die oft mit Entscheidungen aus dem Bauch heraus einhergehen, sollen damit vermieden werden.

Mehr Experten