Kommentar
12:20 Uhr, 20.02.2008

Globale Trends und Gold: Die Welt schwimmt in einem Meer aus Papiergeld

Erwähnte Instrumente

  • Dow Jones
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    Aktueller Kursstand:   (NYSE)
  • Gold
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Von Jochen Stanzl

Die 90er Jahre waren eine Zeit, in der das Wirtschaftswachstum der USA überdurchschnittlich hoch war. Unter Alan Greenspan hielt die US-Notenbank den Leitzins in dieser Zeit auf einem niedrigen Niveau – zu niedrig, glaubt man den Kritikern. Resultat der Niedrigzinsen war eine deutliche Steigerung der Geldmenge. Durch die erhöhte Liquidität war es sogar möglich, die Asienkrise im Jahr 1997 in einem Jahr auszugleichen, und auch die Krise durch den Zahlungsausfall bei Auslandsschulden Russlands im Jahr 1998 war binnen eines Jahres quasi vom Tisch. Unter Alan Greenspan erhöhte sich M3 – die aggregierte Geldmenge – in den USA von 3,6 Billionen Dollar auf über 10 Billionen Dollar.

Greenspan löste durch die deutliche Senkung der Leitzinsen Ende der 90er Jahre eine der größten Aktienmarktblasen der Geschichte aus. Unternehmen, die keinen Cent verdienten und gerade mal ein schnell zusammen geschriebenes Geschäftsmodell vorweisen konnten, waren in der Lage, an der Börse Millionenbeträge aufzunehmen.

Als die Dot.Com-Blase platzte, senkte Greenspan erneut die Zinsen, und zwar deutlich. Durch die zusätzliche Liquidität entstand eine neue Blase – dieses Mal im Immobiliensektor. Da Geld im Übermaß günstig vorhanden war, kannten die Immobilienpreise lange Jahre Anfang des neuen Jahrtausends keine andere Richtung als nach oben. Das nahm so bizarre Züge an, dass US-Bürger Hypotheken auf Häuser erwerben konnten, ohne dass sie irgendeine Sicherheit hinterlegen mussten. Für die Hypothekengeber war dies ein gutes Geschäft: Sie verdienten an den Hypothekenraten und profitierten im Falle eines Zahlungsausfalles an dem mittlerweile deutlich gestiegenen Immobilienwert.

Sub-Prime goes AAA

So entstand der Sub-Prime-Markt: Jeder US-Bürger, ob vermögend oder nicht, konnte sich ein Haus im Wert von einer halben oder einer ganzen Million Dollar leisten. Die Subprime-Hypotheken, die eigentlich nichts wert waren, wurden über die Hypothekenfinanzierer dann an die Wall Street gebracht und dort in SIVs, so genannte strukturierte Investmentvehikel transformiert. Diese SIVs erhielten dann von den Ratingagenturen, also von ganz oberster Stelle, Ratings im AAA-Bereich – also Bestnoten.

Da SIVs aber nicht mehr irgendwo an einer Börse bewertet werden konnten, waren die großen Finanzhäuser und Banken, die mit ihnen handelten, gezwungen, ihren Wert in Modellrechnungen zu überschlagen - Mark-to-Model. Unter dem Strich realisierten die Banken mit SIVs jahrelang überdurchschnittlich hohe Renditen, die über dem Marktzins lagen. Auch in Deutschland, wie wir wissen, spekulierten Banken mit Steuergeldern in diesen vermeintlich sicheren Geschäften.

Lawine Hauspreisrückgang

Und dann geschah es und die Preise der Immobilien fielen. Erst langsam, dann sprunghaft. Die Modellrechnungen der Banken erwiesen sich als unzutreffend, die SIV-Portfolios der Banken, die teilweise auf nicht mehr vertretbare Summen herangewachsen waren, drohten, wertlos zu verfallen. Und taten es schließlich auch. Einigen großen Bankenhäuser der USA drohte die Insolvenz. Nur großzügige Kapitalspritzen von wohlhabenden Investoren aus Asien und dem Nahen Osten, sowie ein schnelles und beherztes Eingreifen der US-Notenbank verhinderte das Schlimmste. Was also passiert, ist, dass seitens der Notenbanken noch mehr Liquidität zur Verfügung gestellt wird.

Seither zeichnen sich in den USA nicht nur am Immobilienmarkt, sondern auch am Kreditmarkt deflationäre Tendenzen ab. Die Kreditvergabe ist rückläufig. In Zeiten eines Wirtschaftsaufschwungs werden für jeden Dollar, der in einem Unternehmen oder einer Bank als Gewinn anfällt, über weitere Kreditvergaben 10 Dollar (exemplarische Zahl), in schlechten Zeiten gehen pro Dollar Verlust zehn Dollar an Liquidität verloren. Geldschöpfung vs. Geldvernichtung. Auch die Immobilienpreise fallen – die Preisrückgänge reichen in einigen Regionen bis auf 30%. US-Notenbankchef Ben Bernanke hat mittlerweile festgestellt, Zitat: „Es ist wichtig zu wissen dass das Abwärtsrisiko für das Wachstum weiter besteht, und dazu zählt auch die Möglichkeit, dass sich der Immobiliensektor weit stärker abkühlt als bisher erwartet, oder dass sich das Umfeld im Kreditsektor noch viel mehr eintrübt, als bisher.“

So düster und explizit hat sich ein US-Notenbankchef noch nie zuvor über den Zustand und den Ausblick der US-Wirtschaft geäußert.

Das Produkt des Booms

Was ist das Produkt der Notenbankpolitik der letzten beiden Jahrzehnte? Es sind Amerikaner, die keine Ersparnisse mehr haben, weil sie jahrelang über ihren Verhältnissen lebten. Die private Verschuldung beträgt heute 330% des US-Bruttoinlandsprodukts, nach 130% vor dem Amtsantritt Alan Greenspans. Der zusätzliche Kredit finanziert den Konsum, der zwei Drittel der US-amerikanischen Wirtschaftsleistung ausmacht. US-Bürger machen zahlenmäßig nur 5% der Weltbevölkerung aus, haben aber einen Anteil am weltweiten Konsum von 20%. Die Hypotheken, die größtenteils in den letzten Jahrzehnten abgeschlossen wurden, waren so genannte ARMs – also im Grunde Optionen auf den Kauf von Häusern.

So wurde die Baby Boomer Generation in den USA – rund 78 Millionen Menschen – nicht zu Hausbesitzern, sondern zu Hausspekulanten. Durch den Zusammenbruch der Hauspreise und die Krise im Hypothekensektor droht aktuell Millionen US-Bürgern der Verlust ihrer Eigenheime. Was bleibt, sind Konsumprodukte aus Asien und immense Mengen von Erdöl, die in der Konsumlaune der letzten Jahrzehnte in den USA verbraucht wurden. Mein Haus, meine Aktie, mein Auto – weg. Den letzten Anstieg der Reallöhne in den USA gab es im Jahr 1971 – seither ging es bergab. Richtig Geld verdient auf realer Basis haben nur die oberen 1% der amerikanischen Bevölkerung, und der Großteil dieser Top-1% waren in der Finanzbranche tätig.

Der Vergleich mit Japan

Die Ähnlichkeiten der damaligen Japan-Krise mit der heutigen US-Krise sind frappierend. Faule Bankenkredite und überbewertete Immobilien ließen Anfang der 1990er Jahre die Bubble Economy in Japan platzen, und das Land am Nippon rutschte in eine Phase von Deflation und hoher Staatsverschuldung, die wirtschaftliche Stagnation auf hohem Niveau bedeutete. Unternehmen und Banken werden heute behutsam saniert, und allmählich kommt es erst heute, also fast zwei Jahrzehnte später, wieder zu einem wirtschaftlichen Aufschwung. Die US-Notenbank ist also daran interessiert, und sie ist es nicht alleine, die Inflation möglichst auf einem hohen Niveau zu halten, um einer Deflationsspirale zu entgehen, die schon in Japan zu einer jahrzehntelangen Wirtschaftsflaute führte. Ben Bernanke, der sich bestens mit den Auslösern und dem Verlauf der japanischen Wirtschaftsbaisse auskennt, wurde durch den Ausspruch berühmt, er werde notfalls Geld aus einem Helikopter abwerfen, nur um eine ähnliche Entwicklung wie in Japan in den USA zu vermeiden.

Ein See aus Papiergeld

Zentralbanken rund um den Globus folgen dem Beispiel der US-Notenbank und drucken kräftig Geld. Die Geldmenge M3 vermehrt sich in Indien derzeit mit einem Tempo von +19,5% pro Jahr, China +18%, UK +14% und Brasilien +18,2%. Die Deflation scheint sich langsam aber sicher von den Bemühungen der Notenbanken abzukoppeln und ihr Eigenleben zu entwickeln.

Kein Wunder also, dass Platin, Palladium, Silber und Gold, aber auch Krügerrand und physische Edelmetalle in diesem Umfeld nachgefragt werden, wie nie zuvor. Gold und die Edelmetalle an sich bilden einen Gegenpol zu der Inflationierung der Papierwährungen.

Wichtiger Hinweis: Ich möchte in diesem Kommentar nicht schwarzmalen. Ich prophezeihe hier auch keinen Weltuntergang. Ganz im Gegenteil, ich blicke optimistisch in die Zukunft. Zugegeben, möglicherweise sind einige Punkte in diesem Kommentar etwas einseitig dargestellt. Ziel war für mich in diesem Artikel aufzuzeigen, welche Probleme in den USA vorliegen, da diese schließlich auch Europa und Deutschland und die Börsen betreffen. Ich hoffe, dieser Artikel hilft Ihnen, die Geschehnisse an den Märkten in den letzten Monaten, und auch in der kommenden, möglicherweise turbulenten Marktphase besser zu verstehen und einzuordnen.

Ich werde Sie im Rohstoff-Report über alle Trends auf dem Laufenden halten und Sie informieren, wie Sie in diesem Umfeld investieren können. Die Publikation Rohstoff-Report abonnieren können Sie unter dieser Adresse:

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Mit freundlichen Grüßen

Jochen Stanzl
Chefredakteur Rohstoff-Report.de

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Über den Experten

Jochen Stanzl
Jochen Stanzl
Chefmarktanalyst CMC Markets

Jochen Stanzl begann seine Karriere in der Finanzdienstleistungsbranche als Mitbegründer der BörseGo AG (jetzt stock3 AG), wo er 18 Jahre lang mit den Marken GodmodeTrader sowie Guidants arbeitete und Marktkommentare und Finanzanalysen erstellte.

Er kam im Jahr 2015 nach Frankfurt zu CMC Markets Deutschland, um seine langjährige Erfahrung einzubringen, mit deren Hilfe er die Finanzmärkte analysiert und aufschlussreiche Stellungnahmen für Medien wie auch für Kunden verfasst. Er ist zu Gast bei TV-Sendern wie Welt, Tagesschau oder n-tv, wird zitiert von Reuters, Handelsblatt oder DPA und sendet seine Einschätzungen über Livestreams auf CMC TV.

Jochen Stanzl verfolgt einen kombinierten Ansatz, der technische und fundamentale Analysen einbezieht. Dabei steht das 123-Muster, Kerzencharts und das Preisverhalten an wichtigen, neuralgischen Punkten im Vordergrund. Jochen Stanzl ist Certified Financial Technician” (CFTe) beim Internationalen Verband der technischen Analysten IFTA.

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