Kommentar
10:08 Uhr, 15.09.2006

Gewinne werden die Erwartungen übertreffen

Nur wenige Marktkommentatoren betrachten die wirtschaftliche Erholung Japans weiterhin als „falsche Morgenröte“. Der Aufschwung hat jetzt weite Teile der Wirtschaft erfasst und ist allem Anschein nach auf Dauer angelegt. Aber trotz der ermutigenden Binnendaten ist Japan der einzige wichtige Markt, der im bisherigen Jahresverlauf eine negative Rendite aufweist.

Ausgelöst wurde die Underperformance zunächst durch einen Skandal im Januar, in dessen Mittelpunkt der Vorwurf betrügerischer Machenschaften beim Internet-Unternehmen Livedoor stand. Mit einem sogar noch ausgeprägteren Kursrutsch reagierten die Märkte dann auf Befürchtungen hinsichtlich der weiteren Inflations- und Zinsentwicklung in den USA. Die ausländischen Hedge-Fonds, die noch im letzten Jahr zu fantastischen Erträgen auf dem Markt beigetragen hatten, besonnen sich jetzt eines Besseren und suchten das Weite.

Die Erträge des letzten Jahres waren wirklich phänomenal. Insofern trägt die 45%ige Rendite sicherlich dazu bei, die Gewinnmitnahmen vor ein paar Monaten zu erklären. Man darf auch nicht vergessen, dass die Rally in 2005 thematisch auf die Reflation der japanischen Volkswirtschaft ausgerichtet war. Es war vor allem diese geldpolitische Entwicklung, die die Weichen für Gewinnmitnahmen stellte. Unternehmen, die sowohl unter günstigen als auch schwierigen Bedingungen ihre Ertragskraft beibehalten, sind jetzt wieder besonders gefragt.

Der neue Schwung, den der Markt im letzten Monat aufwies, brachte eine Atempause und es gibt jetzt gute Gründe, mit einer anhaltend positiven Wertentwicklung zu rechnen.

Zunächst einmal sind die wirtschaftlichen Rahmendaten weiterhin solide. In dem Maße, in dem das Wachstum sich auch auf andere Bereiche der Volkswirtschaft ausgeweitet hat, haben auch die Ökonomen ihre Prognosen sukzessive nach oben revidiert. Der gestärkte Arbeitsmarkt schafft die Voraussetzungen für steigende Verbraucherausgaben, während das Geschäftsklima sich allgemein gebessert hat. Die Zunahme der Investitionsausgaben im produzierenden Gewerbe – anfangs die treibende Kraft der konjunkturellen Erholung – erfasst nun auch andere Sektoren, wie beispielsweise Informationsdienste.

Besonderen Grund zur Zuversicht gibt die anhaltende Erholung der Gewinnsituation. Wir rechnen für die nähere Zukunft mit zahlreichen Aufwärtskorrekturen der Gewinnprognosen. Vor dem Hintergrund steigender Inputkosten waren die Unternehmen in ihren Schätzungen bisher eher konservativ. Es stimmt, dass Unternehmen es während früherer Aufschwünge an der notwendigen Konsequenz bei der Kostenkontrolle vermissen ließen und sich dies unvermeidlicherweise auf ihre Profitabilität auswirkte. Diesmal stellt sich die Situation aber anders dar. Angesichts des zunehmenden Drucks auf die Geschäftsführungen, für zufrieden stellende Geschäftsergebnisse zu sorgen, wird die Kontrolle von Arbeitskosten und Ausgabenentwicklung jetzt ernster genommen. Das Verhältnis zwischen Arbeitskosten und Umsatz ist in den letzten drei Jahren stetig gesunken und setzt diesen Trend fort.

Unsere Analysten erwarten im Jahresvergleich ein 10%iges Wachstum bei den Gewinnen nach Steuern. Diese Prognose liegt sogar über den Schätzungen der Unternehmen selbst. Es ist daher mit Aufwärtskorrekturen der viertel- bzw. halbjährlichen Ertragsmeldungen zu rechnen.

Natürlich liegen auch einige Herausforderungen vor der japanischen Wirtschaft. Die Unternehmensführungen müssen den Interessen der Aktionäre stärker Rechnung tragen. Infolge zunehmenden Drucks sind die Dividenden zwar leicht gestiegen, aber es gibt noch viel zu tun. Tatsächlich hinkt das Dividendenwachstum dem Gewinnwachstum hinterher; momentan wirft der japanische Markt magere Dividenden von um die 1,2 Prozent ab. Als positiv ist jedoch die Lancierung mehrerer einheimischer Dividendenrenditefonds zu verbuchen.

Die angekündigten haushaltspolitischen Maßnahmen zum Abbau der immensen Staatsverschuldung Japans machen uns keine besonderen Sorgen. Steuererhöhungen sind bereits seit geraumer Zeit geplant, aber mit der erwarteten Anhebung der Verbrauchsteuer ist wohl nicht vor dem Frühjahr 2009 zu rechnen.

Die Bank of Japan (BoJ) hat erst vor kurzem ihre Nullzinspolitik aufgegeben und die Zinsen im Juli auf 0,25 Prozent angehoben. Da dieser Schritt allgemein erwartet wurde, wirkte er sich nicht wesentlich auf den Markt aus. Folgen für den Markt werden sich erst dann abzeichnen, wenn die Investoren versuchen, das Tempo der geldpolitischen Straffung vorauszusagen. Dann besteht die Gefahr, dass die BoJ den Straffungsprozess zu eilig vorantreibt und damit die wirtschaftliche Erholung im Keime erstickt. Nach unserer Einschätzung wird die BoJ jedoch mit Bedacht vorgehen, da bislang kein wesentlicher Inflationsdruck besteht.

Da wir bis 2007 nicht mit weiteren Zinserhöhungen rechnen und die Unternehmen ihre zunächst konservativen Ertragsprognosen nach oben korrigieren, gehen wir davon aus, dass der japanische Aktienmarkt seinen erst in den letzten Wochen eingeschlagenen Erholungskurs fortsetzen wird.

Quelle: Schroders

Die Schroders-Gruppe ist eine führende internationale Vermögensverwaltungsgesellschaft, die 1804 gegründet wurde. Schroders verwaltet Anlagen für Pensionsfonds, Regierungsbehörden, Wohltätigkeitsorganisationen, Körperschaften, Familienunternehmen und vermögende Privatpersonen weltweit und ist ein führender Verwalter von Investmentfonds. Schroders bietet Anlagen in allen wichtigen Vermögenskategorien in entwickelten Ländern und Schwellenländern an: Aktien, Schuldtitel, Geldmarktinstrumente, Beteiligungen und Immobilien. Das weltweit verwaltete Vermögen betrug zum 31. März 2006 rund 184,2 Mrd. Euro.

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Über den Experten

Thomas Gansneder
Thomas Gansneder
Redakteur

Thomas Gansneder ist langjähriger Redakteur der BörseGo AG. Der gelernte Bankkaufmann hat sich während seiner Tätigkeit als Anlageberater umfangreiche Kenntnisse über die Finanzmärkte angeeignet. Thomas Gansneder ist seit 1994 an der Börse aktiv und seit 2002 als Finanz-Journalist tätig. In seiner Berichterstattung konzentriert er sich insbesondere auf die europäischen Aktienmärkte. Besonderes Augenmerk legt er seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 auf die Entwicklungen in der Euro-, Finanz- und Schuldenkrise. Thomas Gansneder ist ein Verfechter antizyklischer und langfristiger Anlagestrategien. Er empfiehlt insbesondere Einsteigern, sich strikt an eine festgelegte Anlagestrategie zu halten und nur nach klar definierten Mustern zu investieren. Typische Fehler in der Aktienanlage, die oft mit Entscheidungen aus dem Bauch heraus einhergehen, sollen damit vermieden werden.

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