Kommentar
16:04 Uhr, 03.12.2007

Gewinnchancen trotz US-Hypothekenkrise

Das kommende Börsenjahr bietet zahlreiche Gewinnchancen, wenn Investoren bereit sind, auch abseits der Indizes nach Unternehmen mit überdurchschnittlichem Gewinnwachstum und hoher Finanzkraft zu suchen. Für die Fondsmanager und Analysten von Fidelity International gehören 2008 die USA zu den schwierigsten Aktienmärkten, während sich in Asien und Europa deutlich bessere Anlagegelegenheiten abzeichnen.

Das Jahr 2008 stellt Investoren vor besondere Herausforderungen. "Der Aufschwung der westlichen Aktienmärkte seit 2003 ruhte auf drei Säulen: günstigen Krediten, hohen Konsumausgaben und steigenden Unternehmensgewinnen. Die ersten beiden leisten nächstes Jahr deutlich weniger Unterstützung. Für den Anlageerfolg wird es deshalb wichtiger denn je, die Fundamentaldaten einzelner Unternehmen in den Mittelpunkt der Aktienauswahl zu stellen. Nur so lassen sich Firmen finden, die auch in rauen Zeiten ihre Gewinne steigern", sagte Michael Gordon, Global Chief Investment Officer bei Fidelity International.

Günstige Kredite ermöglichten bis Mitte 2007 zahlreiche fremdfinanzierte Fusionen und Übernahmen. Wegen der Unsicherheit an den Finanzmärkten im Zuge der US-Hypothekenkrise sind die Geldgeber jedoch zu einer restriktiveren Kreditvergabepraxis übergegangen. "Die Zeit des billigen Geldes ist vorüber. Darunter leiden nun vor allem die Private-Equity-Gesellschaften, die Protagonisten im Geschäft mit kreditfinanzierten Fusionen und Übernahmen. Als Konsequenz wird es 2008 kaum noch fremdfinanzierte Transaktionen geben", so Gordon. Ein bedeutender belebender Effekt für die Märkte bleibt dadurch aus.

Auch der Konsum - vor allem in den USA - als einer der Träger des weltweiten Wirtschaftswachstums könnte 2008 ins Stocken geraten. Die fallenden Preise am amerikanischen Wohnimmobilienmarkt beginnen langsam, sich in sinkendem Verbrauchervertrauen niederzuschlagen. Häuserpreise und Konsumklima sind hier seit jeher eng miteinander verknüpft, denn viele US-Bürger nutzen ihr Eigenheim als Sicherheit bei der Aufnahme von Verbraucherkrediten. Sollte die Lage auf dem US-Häusermarkt weiterhin angespannt bleiben oder sich weiter verschlechtern, dämpft dies die Verbraucherausgaben. Dies wiederum kann das Geschäftsklima, also die Zuversicht der Unternehmer in eine positive Wirtschaftsentwicklung, eintrüben.

Gewinnchancen in allen Branchen - außer bei Banken

Soliden Halt bietet den Aktienmärkten dagegen eine positive Gewinnentwicklung in zahlreichen Unternehmen. "Voraussetzung für die Identifizierung verborgener Investmentchancen ist und bleibt eine gezielte Einzeltitelauswahl. In fast allen Branchen sind durch detaillierte Analysen Unternehmen zu finden, die über solide Bilanzen und freie Mittel für Investitionen verfügen. Angesichts der bestehenden Unsicherheit an den Finanzmärkten ist allerdings eine breite Diversifikation über Branchen, Länder und Regionen hinweg nötig", so Gordon.

Den Finanzsektor sollten Investoren wegen der Nachwirkungen der US-Hypothekenkrise jedoch meiden. Die Banken werden ihre Gewinnprognosen weiter reduzieren. Dieser Zyklus dauert rund 18 Monate, sofern er historischen Mustern folgt. Da die Institute gemessen an ihrem Börsenwert großes Gewicht in vielen bedeutenden Aktienindizes haben, wirkt sich ihre Negativentwicklung besonders ungünstig auf die Märkte aus. Eine Voraussetzung für überdurchschnittliche Gewinne ist es deshalb, sich 2008 nicht nach starren Vergleichsmaßstäben oder vorherrschenden Marktmeinungen zu richten, sondern abseits der Indizes zu investieren.

Europa und Asien bieten die besten Investmentchancen

Im Regionenvergleich bietet Europa hervorragende Perspektiven für Investoren. Die wirtschaftlichen Fundamentaldaten der Eurozone sind positiv und untermauern den viel versprechenden mittelfristigen Ausblick. Durch die jüngste Volatilität sind neue Chancen entstanden, und die Gewinnunterschiede bieten vor allem Stockpickern günstige Anlagegelegenheiten. Insbesondere große Unternehmen sind attraktiv bewertet. Bereits in diesem Jahr zeichnete sich ein Favoritenwechsel von kleinen und mittleren hin zu großen Unternehmen ab. Dieser Trend wird sich 2008 verfestigen.

"Viele europäische Großunternehmen verfügen über die gleiche und oft sogar über eine bessere globale Wachstumsdynamik als kleinere und mittlere Gesellschaften, da sie weltweit aufgestellt sind und dadurch auch von der Entwicklung aufstrebender Märkte in Asien und Lateinamerika profitieren. Zudem verfügen sie über ausreichend Liquidität, sodass sie nicht unter einer erschwerten Kreditaufnahme leiden. Die Standardwerte sind zu günstig geworden, um sie links liegen zu lassen. Sie bieten derzeit die besten Anlagemöglichkeiten und das attraktivste Chance-Risiko-Verhältnis", erklärte Alexander Scurlock, Fondsmanager des Fidelity European Growth Fund.

Auch für die asiatischen Aktienmärkte sind die Fidelity Investmentexperten optimistisch gestimmt. Hier gab es zuletzt kaum kreditfinanzierte Fusionen und Übernahmen, weshalb das Ausbleiben solcher Transaktionen keinen negativen Sondereffekt hat. Nicht die weltweit verfügbaren, billigen Kredite, sondern das starke Wirtschaftswachstum bewirkte die hohen Wertentwicklungen der vergangenen Jahre. Deshalb sind Asiens Börsen nun weniger anfällig für die Folgen der US-Kreditkrise. Für die Region spricht auch ihr wachsender Anteil an der weltweiten Wirtschaftsleistung. Diese zunehmende Bedeutung wird sich langfristig auch an den Aktienmärkten widerspiegeln und sich in steigenden Kursen niederschlagen.

USA im nächsten Jahr ein schwieriger Aktienmarkt

Die Aussichten für die US-Aktienmärkte sind dagegen weitaus verhaltener. Eine Ursache hierfür ist das hohe Aufkommen an fremdfinanzierten Transaktionen im ablaufenden Jahr. Die Verwerfungen an den Kreditmärkten werden voraussichtlich noch ein bis zwei Jahre anhalten. Wer die Ressourcen hat, um Chancen und Risiken detailliert abzuwägen, findet schon in der zweiten Jahreshälfte wieder attraktive Investmentgelegenheiten - auch im Bereich der forderungsbesicherten Anleihen (Asset Backed Securities), die im Zuge der Hypothekenkrise in Bedrängnis geraten waren.

Ein belastender Faktor für Investoren, die sich in den USA engagieren, ist jedoch der schwache US-Dollar und die damit zusammenhängenden Währungsrisiken. Derzeit zeichnet sich keine Entwicklung ab, die den Verfall der weltweiten Leitwährung umkehren dürfte.

Inflation noch keine Gefahr

Insgesamt schätzen die Fidelity Aktienstrategen die Aussichten für die Weltwirtschaft etwas weniger zuversichtlich ein als noch vor einem Jahr. Die Inflation ist derzeit noch keine ernsthafte Bedrohung für das ökonomische Wachstum, steigende Teuerungsraten könnten sich aber aufgrund der starken Energie- und Rohstoffnachfrage aus Asien zu einem Störfaktor entwickeln und die Unternehmensgewinne sowie das Wirtschaftswachstum belasten.

Unterstützung erwarten die Investmentexperten von den Notenbanken: Das Zinsniveau bleibt im langjährigen Vergleich niedrig. Die Zentralbanker werden die Zinsen eher senken, um die Märkte mit ausreichend Liquidität zu versorgen, als durch Zinserhöhungen das Wachstum zu gefährden. Die Aktienmärkte werden auch hierauf mit Gewinnen bei einzelnen Titeln reagieren.

Quelle: Fidelity

Die 1946 gegründete US-Investmentgesellschaft Fidelity ist das größte unabhängige Fondsmanagement-Unternehmen der Welt. Es beschäftigt insgesamt 35.000 Mitarbeiter an 36 Standorten und stellt privaten und institutionellen Anlegern Investmentprodukte und -dienstleistungen zur Verfügung. Die deutsche Niederlassung Fidelity Investment Services GmbH in Frankfurt betreut ein Fondsvermögen für private Anleger von 12,01 Mrd. Euro, vertreibt 103 Publikumsfonds direkt sowie über mehr als 600 Kooperationspartner und beschäftigt 210 Mitarbeiter (Stand: 30.06.2007).

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Über den Experten

Thomas Gansneder
Thomas Gansneder
Redakteur

Thomas Gansneder ist langjähriger Redakteur der BörseGo AG. Der gelernte Bankkaufmann hat sich während seiner Tätigkeit als Anlageberater umfangreiche Kenntnisse über die Finanzmärkte angeeignet. Thomas Gansneder ist seit 1994 an der Börse aktiv und seit 2002 als Finanz-Journalist tätig. In seiner Berichterstattung konzentriert er sich insbesondere auf die europäischen Aktienmärkte. Besonderes Augenmerk legt er seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 auf die Entwicklungen in der Euro-, Finanz- und Schuldenkrise. Thomas Gansneder ist ein Verfechter antizyklischer und langfristiger Anlagestrategien. Er empfiehlt insbesondere Einsteigern, sich strikt an eine festgelegte Anlagestrategie zu halten und nur nach klar definierten Mustern zu investieren. Typische Fehler in der Aktienanlage, die oft mit Entscheidungen aus dem Bauch heraus einhergehen, sollen damit vermieden werden.

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