Kommentar
08:53 Uhr, 08.01.2016

George Soros fühlt sich an 2008 erinnert: zu Recht?

Wenn Warren Buffett etwas sagt, dann hören alle zu. Bei George Soros auch. Wenn er sich also an 2008 erinnert fühlt, dann werden die meisten hellhörig.

Inzwischen wird die Sache unheimlich. Das, was an den Märkten vor sich geht, wirft Fragen auf. Es wirft Fragen auf, nicht nur, weil sich Starinvestoren wie Soros an 2008 erinnert fühlen, sondern auch, weil sich viele Umstände ähneln. Das beginnt bereits bei den Charts. Ein Doppeltop, wie es sich 2007 ausbildete, lässt sich inzwischen nicht mehr von der Hand weisen. Der Aufwärtstrend ist gebrochen und ein Verkaufsignal im Monatschart liegt bereits seit Mai/Juni 2015 vor.

Wie vor der Finanzkrise gab es auch dieses Mal einen vorgeschalteten Abverkauf bei Ramschanleihen. Fairerweise muss man dazu jedoch festhalten, dass sich Ramschanleihen seit Jahresbeginn nicht mehr vom Fleck bewegt haben. Sie sind nach langer Verlustserie stabil.

Ebenso wie damals rauscht der Ölpreis in den Keller. Sichere Hafen wie Gold und US Staatsanleihen sind heiß begehrt, der Yen wertet auf. Die Liste an Parallelen lässt sich fast beliebig weit fortführen. Das ist allerdings nicht zielführend. Nur, weil etwas Ähnlichkeiten aufweist, bedeutet das nicht, dass es auch ähnlich enden wird.

Ja, man fühlt sich an die Krisenzeit erinnert. Es gibt viele Parallelen. Die Ursachen für diese Parallelen sind jedoch von Grund auf verschieden. Der Ölpreis ist seit langem auf Talfahrt. Das hat mit der langsamer wachsenden Nachfrage zu tun, aber vor allem mit einem Überangebot und einem Preiskampf innerhalb der OPEC und darüber hinaus. Das hat wenig mit Finanzkrise zu tun. Das einzige, was es damit zu tun hat, sind die Staatsfinanzen der Ölexporteure, die zunehmend in Bedrängnis geraten.

Ungefähr 20 % aller in den USA ausstehenden Ramschanleihen wurden von Rohstoffunternehmen begeben. Die Anleihen folgen lediglich den Rohstoffpreisen. Würden sie es nicht tun, dann müsste man sich viel größere Sorgen machen.

Als Ursache für die weltweiten Turbulenzen wird China genannt. Dabei konzentrieren sich die meisten auf den Aktienmarkt. Das ist verständlich, denn das Debakel am chinesischen Aktienmarkt ist spektakulär. Die Sensationssucht lässt grüssen. Blickt man darüber hinweg, dann haben chinesische Aktien wenig mit dem weltweiten Finanzmarkt zu tun. Grafik 1 zeigt den S&P 500, den Shanghai Composite und den Dax im Vergleich. S&P 500 und Dax laufen tendenziell parallel. Der Shanghai Composite führt dabei ein Eigenleben und läuft mehr zufällig parallel als systematisch.

In einem kürzeren Zeitfenster (Grafik 2) wird das noch deutlicher. Als Dax und S&P Anfang im zweiten Quartal 2015 korrigierten erlebte der Shanghai Composite einen Höhenrausch. Als dieser dann kollabierte stiegen bei uns die Kurse wieder.

Die Korrelation zwischen den westlichen und chinesischen Märkten ist gering. Grafik 3 zeigt die Korrelation des Dax zum S&P und zum Shanghai Composite. Die Korrelation zwischen den USA und Deutschland ist für gewöhnlich positiv und ziemlich hoch. Zu chinesischen Aktien ist der Dax tendenziell negativ korreliert, sofern man hier überhaupt von signifikanten Korrelationen sprechen kann.

Die Angst vor einer Krise wird mit China begründet und viele verweisen auf die Geschehnisse am dortigen Aktienmarkt. Das ist Unsinn. Es gibt auch derzeit kaum Gründe zu vermuten, die USA befänden sich am Rande einer großen Finanzkrise. US Haushalte haben in den vergangenen Jahren ihre Schulden abgebaut. Die Immobilienpreise sind wieder stark gestiegen, liegen aber noch weit unter ihren Hochs aus 2007. Die Zinsen sind nach wie vor niedrig und werden nur in homöopathischen Dosierungen erhöht werden. US Aktien sind hoch bewertet, aber nicht so hoch, dass sie 50 % verlieren müssten.

Viele Absatzmärkte für US und europäische Unternehmen befinden sich seit 2012 in der Krise. Brasilien steckt seit Quartalen in einer dramatischen Abwärtsspirale. Der Abschwung der Emerging Markets hat die Welt bisher nicht mit sich in den Abgrund gerissen. Das wird es auch nicht, ebenso wenig wie es die Asien, Russland und Lateinamerikakrise zwischen 1997 und 2001 getan haben.

Es gibt Risikofaktoren. Der Nahe Osten kann sich destabilisieren. Für mich persönlich ist das eines der größten Risiken. China ist ein Risikofaktor, allerdings nicht wegen des Aktienmarktes. Bei China geht es einzig und allein um die Währung. Kann China die Abwertung nicht bremsen, dann kann es tatsächlich zu einer großen Krise kommen. China ist die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt und wenn dort eine Krise ausbricht, dann macht sich das weltweit bemerkbar.

Die USA und China sind die einzigen zwei Länder, die für sich allein genommen die ganze Weltwirtschaft in Bedrängnis bringen können. Eine Krise wie 2008 halte ich allerdings für maßlos überzogen. Die Parallelen, die sich auftun, haben vollkommen andere Ursachen. Für China selbst mag das anders sein. Hier kann eine Finanzkrise blühen. Die Überschuldung ist enorm, der Immobilienmarkt überbewertet, die Kapitalflucht enorm und es existieren horrende Summen an faulen Krediten. Für China kann es richtig schlimm werden - aber für uns?

Ein Abschwung in China wird sich auch bei uns bemerkbar machen. Die Wirtschaft würde vermutlich stagnieren. Eine Ansteckungsgefahr wie sie 2008 von den USA ausging ist gering. Chinas Schulden sind kaum in der Welt verstreut. Die Schulden liegen größtenteils im Inland bei den Banken und inländischen Investoren.

Zusammengefasst sehe ich keine neue Finanzkrise im Westen aufziehen. China selbst steht kurz vor einer solchen Krise. Ausdruck davon ist vor allem die Währung. Kapitalflucht und Liquidation von Auslandsvermögen können bei uns die Unruhe aufrecht erhalten. Es handelt sich dabei jedoch um vorübergehende Faktoren, die auf die Wirtschaftsentwicklung dämpfend wirken werden, jedoch nicht zu einer großen Rezession führen werden. Bei US Aktien halte ich eine maximale Korrektur von 30 % vom Allzeithoch für möglich. Großangelegte Panik, wie sie teils geschürt wird, ist vollkommen an der Sachlage vorbei.

Eröffne jetzt Dein kostenloses Depot bei justTRADE und profitiere von vielen Vorteilen:

  • 25 € Startguthaben bei Depot-Eröffnung
  • ab 0 € Orderprovision für die Derivate-Emittenten (zzgl. Handelsplatzspread)
  • 4 € pro Trade im Schnitt sparen mit der Auswahl an 3 Börsen & dank Quote-Request-Order

Nur für kurze Zeit: Erhalte 3 Monate stock3 Plus oder stock3 Tech gratis on top!

Jetzt Depot eröffnen!

3 Kommentare

Du willst kommentieren?

Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.

  • für freie Beiträge: beliebiges Abonnement von stock3
  • für stock3 Plus-Beiträge: stock3 Plus-Abonnement
Zum Store Jetzt einloggen
  • Löwe30
    Löwe30

    Meines Erachtens erlebt die deutsche Wirtschaft zur Zeit einen gewissen Boom durch die Masseneinwanderung aus den Krisengebieten im Nahen Osten. Der Binnenkonsum steigt, da die Masse der Leute ja versorgt werden muss. Es werden auch zahlreiche neue Arbeitsplätze in der "Sozialindustrie" geschaffen. Dieser Boom ist allerdings nicht nachhaltig, er wirkt wie die Geldschöpfung der Zentralbanken, die zu Boom- und Bust-Zyklen führt, denn letztlich wird sich herausstellen, dass die Investitionen, die hier in Zuge der Masseneinwanderung getätigt werden, sich als Fehlinvestitionen herausstellen, weil der größte Teil der Einwanderer dauerhaft auf Transferleistung angewiesen ist und nichts zum Sozialprodukt beiträgt. Das wäre aber nötig, im den "Sozialstaat" weiter aufrecht zu erhalten. Auch zeichnet sich ja auch schon ab, dass die innere Sicherheit deutlich mehr Kosten verursachen wird. Die (wirtschaftliche) Freiheit der Bürger wird weiter eingeschränkt und das führt zu weniger Wohlstand für alle. (Es zeigte sich immer wieder, dass ja mehr wirtschaftliche Freiheit es gibt, je besser geht es den Menschen. Dokumentiert ist dieser Zusammenhang in der Freiheits-Rangliste der Länder dieser Welt, im "Economic Freedom of the World - Annual Report". Daraus geht hervor, dass im wirtschaftlich freiheitlichsten Viertel der Länder das Pro-Kopf-Einkommen siebenmal höher(!) ist, als in dem Viertel mit der geringsten wirtschaftlichen Freiheit. Im freiesten Viertel ist die Lebenserwartung ca. zwei Jahrzehnte höher als im unfreisten Viertel.) Die Kosten werden - bei sinkender Wirtschaftsleistung - steigen, was durchaus den Keim eines wirtschaftlichen Zusammenbruchs in sich trägt. Auch wenn nämlich immer mehr Leistungsträger aufgrund der Ereignisse das Land verlassen, wird das eine negative Wirkung auf das Sozialprodukt haben. Wie soll dann noch genügend Wirtschaftsleistung erbracht werden, um das Heer der Bedürftigen zu versorgen?

    Die sich abzeichnende Situation ist auch nicht vergleichbar mit der Aufbauleistung, die die ehemalige Bonner Republik in der DDR geleistet hat, denn in der ehemaligen DDR gab es ja ein großes Potential an sehr gut ausgebildeten Menschen, die lediglich ihre Fähigkeiten im politischen System nicht ausschöpfen konnten. ("Auch beim gesellschaftlichen „Großexperiment“ auf deutschem Boden, nämlich bei der vormaligen DDR, konnte man das geradezu modelltypisch beobachten. An mangelnden Ingenieurstalenten und an technischem Wissensrückstand lag es gewiss nicht, dass die gut ausgebildeten Technik-Eliten in fünfzig Jahren volksdemokratischer Ingenieurskunst nichts anderes hervorgebracht haben als die stinkende Trabi-Schaukel. [...] Aber ohne Kapital und Kapitalismus ist es eben Essig mit allem Erfinder-, Entdecker- und Bastelgeist." (http://papsttreuerblog.de/2015/09/25/link-der-woche-luegen-ueber-den-kapitalismus/)

    Das trifft aber auf die Einwanderer aus dem Nahen Osten, die völlig unkontrolliert ins Land strömen, nicht zu.

    11:58 Uhr, 08.01. 2016
  • Löwe30
    Löwe30

    "Die Angst vor einer Krise wird mit China begründet und viele verweisen auf die Geschehnisse am dortigen Aktienmarkt. Das ist Unsinn. "

    Dem stimmt ja auch Folker Hellmeyer zu, aber Ihre Aussage: "Es gibt auch derzeit kaum Gründe zu vermuten, die USA befänden sich am Rande einer großen Finanzkrise." finde ich etwas gewagt, denn Folker Hellmeyer schreibt:

    "Nicht China war makroökonomisch das Primärproblem der Weltwirtschaft, sondern es waren die Vereinigten Staaten. Lag die Prognose für China vor Jahresbeginn 2015 bei 7,1 %, ergibt sich voraussichtlich ein Wachstum in Höhe von 6,9 % per 2015.

    Die Prognose für die USA lag Ende 2014 für 2015 bei gut 3 %. Laut aktuellen Daten wird sich eine Zunahme des BIP um 1,8 % einstellen. Dass Märkte, Volkswirte, Analysten und Finanzmedien eine Verfehlung um voraussichtlich 0,2 % stärker in den Vordergrund spielen, als eine Verfehlung um gut 1,2 % ist freundlich ausgedrückt bemerkenswert."

    http://www.godmode-trader.de/artikel/2016-potential-fuer-einige-trendwenden,4462467

    und Andreas Hoose schreibt:

    "Derzeit sind fast 50 Millionen US-Bürger zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts auf staatliche Unterstützung angewiesen: Ohne die berüchtigten Food-Stamps würden viele Menschen in den USA schlicht verhungern.

    Die Zahl der US-Bürger, die keine Arbeit haben, notiert unterdessen auf dem höchsten Stand seit 1975. Die folgende Grafik wirft ein interessantes Schlaglicht auf die in allen Medien hier zu Lande unablässig gefeierten, weil angeblich so „tollen“ Arbeitsmarktzahlen aus den USA. In Wahrheit ist der US-Arbeitsmarkt in einem katastrophalen Zustand."

    http://www.godmode-trader.de/artikel/2016-die-groesste-geldflut-aller-zeiten,4463987

    Diese beiden Aussagen sind meines Erachtens nicht so leicht von der Hand zu weisen und lassen ein eher kritisches Bild zur US-Wirtschaft zu. Auch Ihre Aussagen haben durchaus Hand und Fuß, sodass der geneigte Investor gehalten ist, sich sein eigenes Bild zu machen. In sofern danke für den fundierten Artikel.

    Ludwig von Mises folgend: Weil eben niemand in der Lage ist, zukünftiges menschliches Verhalten vorauszusagen, ist die Zukunft halt immer ungewiss.

    11:14 Uhr, 08.01. 2016
  • tschak
    tschak

    Wieder ein sehr erleuchtender Beitrag! Vielen Danke Herr Schmale! Komplexe Sachverhalte einfach und verständlich auf den Punkt gebracht!
    Natürlich sind mehrere interagierende Risikothemen derzeit auf dem globalen Tisch - allerdings werden auch diese langsam schwinden - es ist alles eine Frage der Zeit und die Hoffnung, dass die MEHRHEIT der Menschen doch "normal" ist :-)

    10:32 Uhr, 08.01. 2016

Das könnte Dich auch interessieren

Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

Mehr über Clemens Schmale
  • Makroökonomie
  • Fundamentalanalyse
  • Exotische Basiswerte
Mehr Experten