Kommentar
13:01 Uhr, 02.09.2014

Geopolitische Krisen: „Nicht in Panik verfallen“

Cornel Bruhin, Portfoliomanager des MainFirst Emerging Markets Corporate Bond Fund Balanced rät Anlegern, trotz der aktuellen Krisenherde rund um den Globus nicht in Panik zu verfallen. „Es lässt sich nicht von der Hand weisen, dass der August ein Monat voller schlechter Nachrichten war.“ Laut Bruhin stellen der Argentinien-Default, die Verschärfung der Ukraine-Krise, die Russland-Sanktionen, die Ebola-Epidemie in Westafrika sowie die Kämpfe gegen die ISIS im Irak schwerwiegende Belastungen auch für die Märkte dar. Viele dieser Krisen hätten darüberhinaus dramatische humanitäre Auswirkungen. „Die wirtschaftliche Analyse jedoch zeigt: Panik ist jetzt fehl am Platz“, so Bruhin.

Argentinien: Vermehrt Bondkäufe zu beobachten

Für Fondsmanager Bruhin war der Default Argentiniens ein technischer, da er auf einer rein juristischen Auseinandersetzung mit Gläubigern beruht. Im Gegensatz zu 2001 verfüge das Land aktuell über genügend Reserven, um die von einem US-Gericht festgesetzte Schadensersatz-Summe von 1,5 Mrd. US-Dollar zu bezahlen. Und hier sei eine Einigung immer noch möglich. Darüberhinaus habe das Land derzeit eine deutlich bessere Verhandlungsposition. Zwar notierten argentinische Anleihen heute 20 Prozent tiefer als Anfang August, dennoch per Saldo 20 Prozent höher als vor einem Jahr. Bruhin ist überzeugt: „Die Kurse bei Anleihen zeigen, dass der Markt von einer Einigung mit den Gläubigern ausgeht. Einige Investoren kaufen sogar schon wieder.“ Das seien gute Aussichten für Argentinien-Bonds.

Russland: Niedrige Bewertungsniveaus bei Anleihen bieten Chancen

Die Krise rund um die Ost-Ukraine führe zu einer sehr hohen Volatilität am russischen Aktienmarkt. Laut Bruhin seien in der Folge erstklassige russische Titel bis Ende Juli um 10 bis 12 Prozent gefallen, jedoch nach Ankündigung der Sanktionen Anfang August wieder um ca. 7 Prozent gestiegen. „Falls weitere Sanktionen folgen, werden diese nicht die russischen Lieferungen von Erdgas und Erdöl betreffen. Denn Gas ist für Europa systemkritisch! Und bei einer Erdöl-Fördermenge von über 10 Mio. Barrel pro Tag in Russland würde der weltweite Preis steil ansteigen“, so Bruhin. Da sich die EU am Rande einer Rezession befinde, sei es sehr unwahrscheinlich, dass sie deutlich hohe Erdölpreise riskiere.

Der Schwellenländerexperte merkt außerdem an: „Russland verfügt über 420 Mrd. Dollar an Währungsreserven. Die von den Sanktionen betroffenen Unternehmen werden daher bis mindestens Ende 2015 keine Probleme haben, ihre Verbindlichkeiten zu bedienen.“ Für chancenorientierte Investoren biete der russische Bond-Markt folglich gute Gelegenheiten. Die Bewertungsniveaus berührten historische Tiefs, was Kaufchancen eröffne – allerdings unter der Voraussetzung, dass es zu keinen weiteren Eskalationen mehr komme.

Irak: Vereinzelte Chancen in Sicht

Das Eingreifen der USA sowie die Unterstützung der Kurden durch England, Frankreich und Deutschland könnten zu einer neuen Front gegen die ISIS geführt haben. Ist das Zurückdrängen der Milizen erfolgreich – wovon auszugehen sei – könnte in einigen Gebieten neben einer Verbesserung der Sicherheitslage auch ein Anziehen der Wirtschaft zu beobachten sein. „Gerade bei einigen Unternehmen im Siedlungsbereich der Kurden oder im Schiiten-Gebiet im Süden des Iraks kann sich der Einstieg lohnen – allerdings nur sehr vorsichtig.“ Bruhin präferiert hier Unternehmen aus dem Energiesektor.

Westafrika: Underperformance trotz robuster Wirtschaftsdaten

„Die massive Verbreitung der Ebola ist eine humanitäre Katastrophe. Im Vergleich zur Gesamtbevölkerung in Westafrika handelt es sich bei der Anzahl der Erkrankten jedoch um eine kleinere Epidemie“, meint Cornel Bruhin. Um die ökonomischen Auswirkungen zu verstehen, sei ein Zahlenvergleich angebracht: So stünden 10.000 – 20.000 Verdachtsfällen sowie 2.000 – 3.000 Erkrankte einer Gesamtbevölkerung von allein 200 Mio. Menschen in Nigeria gegenüber. Das Land leide zusätzlich unter dem Schreckensregime der Boko Haram im Norden des Landes. Folglich hätten trotz eines nigerianischen Wirtschaftswachstums von 7,5 Prozent Obligationen deutlich nachgegeben und die Bewertungsniveaus seien erheblich zurück geblieben. „Wir sehen bei nigerianischen Anleihen echte Chancen – vor allem wenn es den Behörden gelingt, die schreckliche Ebola-Epidemie in den Griff zu kriegen“, sagt Bruhin. Das gelte auch für Bonds aus dem Senegal, welcher ebenfalls unter den Folgen der Krankheit zu leiden habe. Das Bond-Segment zeige eine starke Underperformance, eine Erholung sei jedoch vor dem Hintergrund robuster ökonomischer Rahmendaten ein realistisches Szenario.

Brasilien: Eine Abwahl Rousseffs ist wünschenswert

Der tragische Flugzeugabsturz von Präsidentschaftskandidat Eduardo Campos habe laut Cornel Bruhin den brasilianischen Präsidentschaftswahlkampf komplett verändert. Die als Ersatz nominierte Umweltschützerin Marina Silva habe gute Chancen, die amtierende Präsidentin Dilma Rousseff im zweiten Wahlgang zu schlagen. Bruhin sieht darin viele Vorteile: „Der Status quo unter Frau Rousseff ist für Brasilien kaum noch tragbar, Stillstand herrscht allenthalben. Für den Markt ist deswegen jede Alternative besser als eine weitere Legislaturperiode unter Präsidentin Rousseff.“ In Erwartung ihrer Abwahl befänden sich beispielsweise Energietitel seit einiger Zeit in einer Rallye. Auch andere Sektoren wie etwa Agrarrohstoffe oder die Zementbranche bieten laut Bruhin viele Chancen.

Anlagestrategie: Panik ist der falsche Ratgeber

Schwellenländerexperte Bruhin rät Anlegern, nicht in Panik zu verfallen. „Politische Ausnahmesituationen schaffen neue Ausgangslagen. Aus ökonomischer Sicht ist gar nicht so sehr entscheidend, wie schlimm eine Krise de facto ist. Vielmehr sind die Einschätzungen bzw. das Verhalten der Marktteilnehmer die entscheidenden Aspekte.“ Seiner Meinung nach tendiere der Markt gerade in Ausnahmesituationen und bei Schwellenländer-Märkten zu Unter- oder Übertreibungen. Das biete auf lange Sicht viele Chancen. Portfoliomanager Bruhin stellt heraus: „Oft reagieren Anleger in Krisenfällen zu spontan und unüberlegt. Sie verkaufen die betroffenen Positionen, auch wenn das mit einem Buchverlust einhergeht. Mittelfristig wäre eine andere Entscheidung aber gewinnbringender gewesen. Panik ist darum meistens ein schlechter Ratgeber.“

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