Kommentar
10:12 Uhr, 09.12.2014

Geldpolitik dürfte risikobehaftete Anlagen weiter stützen

Vor einem Jahr haben wir prognostiziert, dass die Finanzmärkte einen langen und teilweise schwierigen Weg in Richtung Normalisierung vor sich haben. Das war in diesem Jahr zweifellos der Fall, da Befürchtungen eines enttäuschenden Wirtschaftswachstums 2015 die Volatilität Ende 2014 an die Kapitalmärkte zurückkehren ließen. Die Renditen der Staatsanleihen von Kernländern blieben unterdessen sehr niedrig. Dies geschah trotz der Erwartung, dass das Auslaufen der Maßnahmen zur quantitativen Lockerung in den USA die Preise für Staatsanleihen drücken und die Renditen erhöhen würden.

Die wichtigste Entwicklung in diesem Jahr – und eine, die erhebliche Auswirkungen auf 2015 haben könnte – ist die Tatsache, dass der Inflationsdruck in fast allen bedeutenden Industrieländern mehr oder weniger fehlt und die tatsächlichen Verbraucherpreis-Indizes zurückgegangen sind. Diese verbreitete Tendenz hin zu einer äußerst geringen Inflation bedeutet, dass es bei einer expansiven Geldpolitik bleiben dürfte. Dies sollte wiederum risikobehaftete Anlagen unterstützen. Angesichts der sehr hohen Staatsschuldenquoten, die in einem Großteil der Industriestaaten bestehen, ist es jedoch entscheidend, eine echte Deflation zu vermeiden.

Politik der Notenbanken driftet auseinander

Ein Thema, mit dem sich Anleger im Jahr 2015 auseinandersetzen dürften, wird das der abweichenden Notenbank-Strategien sein. Japan hat vor Kurzem sein Programm zur quantitativen Lockerung aufgestockt und die zweite Erhöhung der Verbrauchssteuer verschoben. Die EZB hat den Kauf gedeckter Schuldverschreibungen und forderungsbesicherter Wertpapiere ankündigt. Im Gegensatz dazu hat die Federal Reserve (Fed) in den USA die quantitative Lockerung beendet. 2015 könnte das Jahr sein, in dem die Fed sich von ihrer Quasi-Nullzinspolitik entfernt, auch wenn die Zinserhöhungen wahrscheinlich bescheiden ausfallen werden. Ebenso wird erwartet, dass die Bank of England irgendwann in der zweiten Hälfte 2015 die Zinssätze im Vereinigten Königreich erhöht. In Europa und Japan werden die Zinsen sehr niedrig bleiben, was mögliche Anstiege der Anleihenrenditen begrenzen sollte. Dies gilt insbesondere in einem Umfeld, in dem das BIP-Wachstum insgesamt vermutlich weiterhin schleppend verlaufen wird.

Die vielleicht größte Herausforderung für die Entscheidungsträger der Industrieländer wird sein zu entscheiden, was bei einem weiterhin schwachen wirtschaftlichen Wachstum zu tun ist. Wenn wir die USA außen vor lassen, gab es bislang wenige Anzeichen einer echten konjunkturellen Verbesserung. Die Kapitalmärkte haben sich in den vergangenen Jahren in der Erwartung darauf erholt, dass sich ein Wirtschaftsaufschwung zeigen würde. Aber im Großen und Ganzen hat dieser Aufschwung sich als flüchtig erwiesen. Das Problem für die Entscheidungsträger ist nun, dass sie relativ wenig tun können, um das Wachstum zu stimulieren: Die üblichen geldpolitischen Maßnahmen sind erschöpft. Hinzu kommt, dass die meisten Regierungen keine noch lockerere Finanzpolitik zur Unterstützung des Wachstums umsetzen können, da ihre Finanzsituation prekär ist. Daher ist es wichtig, dass der in den USA beobachtete Aufschwung sich im nächsten Jahr fortsetzt und auf weitere Volkswirtschaften ausweitet. Auch wenn die USA es 2015 im Alleingang schaffen könnten, ist es unwahrscheinlich, dass sie dies für unbestimmte Zeit können.

Eines der größten Extremrisiken für das nächste Jahr ist, dass die äußerst geringe Inflation, die wir in den vergangenen Monaten erlebt haben, sich in eine echte Deflation verwandelt. Die mögliche „Japanisierung“ der entwickelten Welt ist ein Risiko, das wir seit einiger Zeit beobachten und welches wir auch 2015 weiter im Auge behalten werden. Europa befindet sich im Zentrum der Deflationssorgen. Wir sind nicht überzeugt davon, dass geringere Anleiherenditen Europa bei einer Erholung helfen werden, sollte die EZB tatsächlich beschließen, irgendeine Form der quantitativen Lockerung mithilfe von Staatsanleihen umzusetzen. In den vergangenen Jahren waren die Anleihenrenditen bereits sehr niedrig, und dennoch haben die Wachstumsaussichten in Europa sich verschlechtert. Sollten die Staatsanleihenkäufe in Europa jedoch Realität werden, könnte dies den Kurs des Euro drücken. Eine solche Entwicklung könnte dem Export in Europa helfen und die derzeitigen Deflationssorgen um einiges mindern.

Hinsichtlich der wichtigsten Anlageklassen bleiben wir bei Aktien im Vergleich zu Staatsanleihen von Kernländern weiterhin zuversichtlich. Allerdings sind wir davon weniger überzeugt als zuvor. Denn das oben beschriebene Szenario eines Aufschwungs ohne Aufschwung lässt uns daran zweifeln, ob die Gewinnerwartungen für das nächste Jahr angemessen sind. Um unser Engagement in Aktien im gleichen Umfang wie bisher zu erhöhen, müssten die Bewertungen etwas günstiger werden, oder wir bräuchten mehr Klarheit in Bezug auf die Gewinnaussichten für 2015.

Regional betrachtet glauben wir, dass japanische Aktien attraktiv bleiben. Denn ein schwächerer Yen dürfte helfen, die Gewinne japanischer Unternehmen und besonders die der Exporteure zu steigern. Der Umfang des Programms zur quantitativen Lockerung in Japan ist – in Bezug auf das BIP – imposant und untermauert das Engagement der Behörden, die Deflationssorgen zu zerstreuen. Es gibt noch weitere wichtige Entwicklungen. Dazu gehört die Verpflichtung einer Reihe von Unternehmen, die Eigenkapitalrendite zu verbessern, sowie Änderungen beim
großen staatlichen Pensionsfonds GPIF, der sich weg von Staatsanleihen und hin zu Aktien und anderen Anlagen orientiert. Dies sind langfristige Einflussfaktoren, die den japanischen Aktienmarkt unterstützen sollten.

Zudem bevorzugen wir weiterhin Aktien aus dem Vereinigten Königreich. Denn wir sind unter anderem der Meinung, dass der Dividendenertrag des britischen Aktienindex FTSE in Höhe von 3,3 % in einer Welt, in der zehnjährige deutsche Staatsanleihen nur 0,70 % Rendite einbringen, weiterhin attraktiv ist. Gegenwind könnte der Aktienmarkt des Vereinigten Königreichs angesichts der aktuellen Schwäche bei Öl- und Rohstoffpreisen spüren. Denn ein Schwerpunkt des Marktes liegt auf Bereichen wie Energie und Bergbau. Wir denken jedoch, dass Anleger, die ihre Dividendeneinnahmen reinvestieren, um vom Zinseszinseffekt zu profitieren, im Verlauf der Zeit im Vergleich zu anderen Vermögenswerten angemessene Erträge erzielen sollten. Wichtig ist auch, dass wir Aktien aus den USA positiv bewerten. Denn die Gewinne der US-Unternehmen haben sich außergewöhnlich gut entwickelt, und genau das hat den Markt in diesem Jahr vorangebracht hat – eher als eine Neubewertung.

Die Aussichten für die Anleihenmärkte im Jahr 2015 sind um einiges schwerer zu beurteilen. Auf dem Papier sind die Renditen von Staatsanleihen nicht viel wert, was beispielsweise der Chart unten zeigt. Dieser veranschaulicht die Rückzahlungsrendite (RY) zehnjähriger britischer Staatsanleihen (BMUK10Y) gegenüber der Dividendenrendite (DY) des FTSE All-Share-Index (FTALLSH) im Verlauf der vergangenen 20 Jahre.

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Charts wie der obige wurden dazu genutzt, um Staatsanleihen statt als risikolose Vermögenswerte als renditefreie Risikoanlagen zu bezeichnen. Nach historischen Maßstäben und im Vergleich zu anderen Vermögenswerten sind die Renditen auf Staatsanleihen nach wie vor sehr niedrig und auf Basis des Gesamtertrags unattraktiv. Dennoch erwarten wir für das nächste Jahr keine Schlappe für den Anleihenmarkt. Das liegt teilweise an den sehr gedämpften Inflationserwartungen, schließlich befinden einige Teile Europas sich in einer echten Deflation. Zudem ist es sehr unwahrscheinlich, dass irgendeine der wichtigen Zentralbanken in den Industriestaaten ihre Politik 2015 energisch verschärfen wird. Allgemein betrachtet, bleibt die Nachfrage nach hochwertigen Ertragsquellen stark, was in einer Nullzins-Welt vielleicht nicht überraschend ist. Diese Entwicklung wird sich aufgrund der alternden Bevölkerung in Großteilen der Industriestaaten voraussichtlich nicht ändern. Gleichzeitig sorgen steigende Einkommen in Schwellenländern wie China für höhere Sparquoten. In Anleihenmärkten wie dem Vereinigten Königreich gibt es bei steigenden Renditen am langen Ende immer eine starke technische Nachfrage vonseiten der institutionellen Anleger, die ihre langfristigen Verbindlichkeiten absichern wollen. Ein weiteres, eher fundamentales Argument dafür, dass die Renditen von Staatsanleihen nicht ins Bodenlose fallen dürften, ist: Viele Regierungen sind mittlerweile so verschuldet, dass sie einen starken Anstieg ihrer Kreditkosten nicht tolerieren können.

Bei Unternehmensanleihen wird die Entwicklung 2015 bis zu einem gewissen Grad davon abhängen, was auf den Staatsanleihemärkten passiert. Schließlich dient die Ertragskurve von Staatsanleihen als Richtgröße bei der Bewertung von Unternehmensanleihen. Der Renditeaufschlag oder Spead gegenüber Staatsanleihen guter Qualität und entsprechender Fälligkeit entschädigt Investoren
für die Übernahme des Kreditrisikos. Im Allgemeinen sind wir der Ansicht, dass 2015 ein Jahr werden könnte, in dem Investmentgrade-Anleihen sich vernünftig entwickeln. Denn diese Papiere bilden eine Anlageklasse, die an ein Umfeld mit geringem Wachstum und niedrigen Renditen angepasst ist. Zudem bleiben die Unternehmensbilanzen verglichen mit denen vieler Regierungen gesund. Denn weil eine spürbare wirtschaftliche Erholung außerhalb der USA ausgeblieben ist, waren viele Unternehmen hinsichtlich ihrer Ausgaben und Investitionen vorsichtig, sprich kreditmarktfreundlich. Dennoch würden wir sagen, dass die Zeit starker Überschussrenditen bei Unternehmensanleihen vorbei ist. Denn das derzeitige Rendite-Niveau und die aktuellen Spreads gegenüber Staatsanleihen legen nahe, dass die Papiere die herausragenden Renditen der vergangenen Jahre nicht mehr liefern können.

Die erwähnten Fakten bringen eines hoffentlich klar zum Ausdruck: Die Suche nach Erträgen, die wir bereits in den vergangenen Jahren immer wieder betont haben, dürfte sich 2015 unvermindert fortsetzen. In diesem Umfeld sollten Vermögenswerte mit hohen Realrenditen gefragt bleiben. Daher schätzen wir die Aussichten für Gewerbeimmobilien auch 2015 positiv ein. Immobilien haben außerdem folgende Vorteile: Sie sind Sachwerte, was vielen Anlegern nach der Finanzkrise wichtig ist, und sie können dazu beitragen, Risiken zu streuen. Denn die Renditen von Immobilien bewegen sich im Allgemeinen nicht im Gleichschritt mit denen der allgemeinen Renten- und Aktienmärkte.

ANLAGETHEMEN FÜR 2015

Können die Vereinigten Staaten es 2015 im Alleingang schaffen? Dies ist in vielerlei Hinsicht die wichtigste Frage für das nächste Jahr, denn ohne die USA sehen die globalen Wachstumsaussichten für 2015 nicht gerade erbaulich aus. Wenn die USA ihren Alleingang fortsetzen, sollten wir von US-Vermögenswerten – Aktien, Unternehmensanleihen und Dollar – gute Ergebnisse erwarten können.

Wird die Fed in einer Welt mit äußerst geringer Inflation die Zinssätze erhöhen? Wir glauben, dass die Fed im nächsten Jahr ihre Politik, wenn auch langsam, normalisieren wird. Das geldpolitische Umfeld sollte insgesamt sehr expansiv bleiben. Es besteht ein qualitativer Unterschied zwischen der äußerst geringen Inflation in den USA, die von niedrigeren Preise für Energie und Nahrungsmittel herrührt und den Verbrauchern hilft, und der allgemeinen Preisschwäche anderswo auf der Welt, die größtenteils die verhaltene wirtschaftliche Erholung und eine entsprechend schwache Nachfrage widerspiegelt.

An welchem Punkt werden die Renditen von Staatsanleihen wieder attraktiv? Viele Marktteilnehmer haben bei Staatsanleihen auf kurze Laufzeiten gesetzt und tun dies weiterhin. Sollten die Inflationsdaten sich verschlechtern, könnten Staatsanleihen aufgrund der globalen Suche nach Erträgen aber wieder attraktiver werden. Eine Nominalrendite von 2,5 % könnte bei einer Inflationsrate von 0 bis1 % und Zinsen von immer noch nahezu Null wieder deutlich verlockender aussehen.

In einer Welt mit niedriger Inflation, geringem Wachstum und niedrigen Zinsen sollten Vermögenswerte mit hohen Realrenditen weiterhin attraktiv bleiben. Gewerbeimmobilien sind einer der größten Nutznießer dieses Themas. Die institutionelle Nachfrage nach Erträgen wird vermutlich weiter stark sein, was die Märkte für Unternehmensanleihen weltweit unterstützen sollte. Die Zeiten sehr hoher Überschussrenditen aus Anleihen sind jedoch vorbei. Das ist keine Meinungsfrage, sondern eine Frage der Mathematik. Anders formuliert: Das aktuelle Niveau der Renditen und Credit-Spreads erlaubt keine Wiederholung der außergewöhnlich hohen Erträge der Vergangenheit.

Der Zinseszinseffekt reinvestierter Dividendenerträge – insbesondere aus Hochzins-/Total-Return-Strategien – sollte Rentenpapieren aufgrund der aktuellen Bewertungen langfristig überlegen sein: In einer Welt mit niedrigen Erträgen benötigen die Anleger die Kraft des Zinseszinses. Qualitativ gute Unternehmen werden ihre Dividenden im Laufe der Zeit steigern. Anleger können diese wachsenden Einnahmen reinvestieren, um ihre Erträge zu erhöhen. Wir sind seit Langem Verfechter reinvestierter Erträge als Haupttreiber der Gesamtrendite in Märkten wie dem Vereinigten Königreich. Und wir haben keinen Grund zu der Annahme, dass langfristig orientierte Anleger sich 2015 von dieser Strategie abwenden sollten – besonders in einem Umfeld, in dem das Wachstum verhalten bleiben dürfte.

Es wird voraussichtlich ausgewählte Chancen in den globalen Schwellenländer-Märkten geben: Die Differenzierung zwischen den Ländern dürfte dabei sehr wichtig sein. Das Jahr 2014 hat wieder einmal in Erinnerung gerufen – falls das überhaupt nötig war – dass Schwellenländer nicht als eine homogene Gruppe anzusehen sind. Abhängig vom Land dürfte es gute Chancen geben, da einige Staaten ihre Wirtschaftssysteme reformieren, wohingegen andere versuchen, auf ihren kaputten Wachstumsmodellen zu beharren. Ein Schritt in Richtung eines langsameren, nachhaltigeren Wachstums in China sollte sich langfristig positiv auswirken. Zudem sind die Bewertungen in den Schwellenländern im Vergleich mit den Aktienmärkten der Industriestaaten attraktiv. Wir weisen jedoch darauf hin, dass ein starker Dollar historisch gesehen Gegenwind für die Anlageklasse bedeutet hat.

Extremrisiken: Eine echte Deflation könnte angesichts des Ausmaßes der Staatsverschuldung in den Industrieländern großen Schaden anrichten. Währungsschwankungen sind ein weiteres Risiko, das es zu beachten gilt. Schließlich dürfte Japan seine geldpolitische Lockerung fortsetzen und die EZB eine lockerere Gangart einlegen. Dabei bleibt der Kauf von Staatsanleihen zusätzlich zu den kürzlich angekündigten Maßnahmen für 2015 im Rahmen des Möglichen.

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