Kommentar
07:34 Uhr, 04.05.2016

Geldpolitik am Anschlag - Jammern die Banken zu Recht?

Der frühere Bundesbankpräsident und heutige Verwaltungsratsvorsitzender der UBS, Axel Weber, sieht die Geldpolitik am Limit. Er bezieht sich dabei auf das Zinsniveau und den abnehmenden Nutzen der Geldpolitik. Hat er recht?

Der abnehmende Nutzen immer lockerer Geldpolitik ist global fast unumstritten. Gestritten wird jedoch darüber, ob weitere Lockerungen überhaupt noch einen Nutzen haben oder langfristig mehr Schaden anrichten. Je länger die Zinsen ultraniedrig bleiben, desto schwieriger wird eine Normalisierung. Genau das kann allerdings abrupt notwendig werden, denn die lockere Geldpolitik sorgt für Fehlallokation von Kapital.

Je niedriger die Zinsen sind, desto eher gehen Investoren, Anleger und auch Konsumenten Risiken ein. Investoren kaufen keine Staatsanleihen mehr, sondern Ramschanleihen. Anleger gehen davon aus, dass sich Aktien nur in eine Richtung bewegen können und sind überinvestiert, meist mit hohem Hebel. Konsumenten konsumieren mehr als sie sollten, sparen zu wenig und kaufen auch schon einmal eine überteuerte Immobilie.

Die Risiken dieses Verhaltens sind derzeit noch überschaubar. Irgendwann sind die Preisblasen, die sich bilden, jedoch zu groß, um sie zu ignorieren. Platzen diese Blasen, wird plötzlich jedem klar wie viel Risiko sie eingegangen sind. Derzeit ist das kaum jemandem bewusst.

Kurzfristig mag die lockere Geldpolitik die Wirtschaft anschieben, langfristig wirkt sie destabilisierend. Notenbanker argumentieren, dass langfristige Instabilität in Kauf genommen werden muss. Nimmt man sie nicht in Kauf, dann gibt es keine Wirtschaft mehr, um die man sich sorgen müsste. Notenbanken agieren nach dem Motto: Wenn ich nur noch ein Laib Brot habe, esse ich ihn jetzt, um sich zu verhungern. Was nützt es das Brot für morgen zu sparen, wenn ich bis dahin verhungert bin?

An der Argumentation ist etwas dran, doch keiner weiß, wie viel die Notenbanken wirklich tun müssen, um das „Verhungern“ zu verhindern. Viele sind der Meinung, dass viel zu viel getan wird. Notenbanken verhindern nicht das Verhungern, sondern mästen die Risiken.

Während niemand mit Sicherheit sagen kann, ob die Risiken die Vorteile inzwischen überwiegen, kann man die Zinsproblematik sehr genau analysieren. Banken beklagen sich über die immer weiter fallenden Zinsen. Ihre Margen sinken, unter anderem, weil sie Strafzinsen zahlen müssen. Das ist jedoch nur ein Problem. Derzeit sind über 10 Bio. Euro an Kredit ausstehend. Sinken die Zinsen, dann sinkt auch die Zinsmarge auf diese Kredite. Für Banken macht es einen gigantischen Unterschied, ob sie auf 10 Bio. 2 % oder 3 % verdienen können. Der Unterschied macht 100 Mrd. pro Jahr aus.

Banken wünschen sich eine Normalisierung. Davon ist die Eurozone weit entfernt. Der Ausnahmezustand verschärft sich vielmehr. Grafik 1 zeigt in diesem Zusammenhang die Entwicklung der EZB Bilanzsumme, der Ausleihungen an Banken und die Überschussreserven der Banken. Die Bilanzsumme der EZB bewegt sich in diesen Wochen auf ihr bisheriges Rekordniveau zu. Von 2012 bis 2014 war die Bilanzsumme um eine Billionen Euro geschrumpft. Dies korrigiert die EZB durch ihr Anleihenkaufprogramm.

Zwischen 2011 und 2012 war die Bilanzsumme rasant gestiegen. Das lag nicht an der Einführung eines Quantitative Easing Programms wie es die USA durchführten, sondern an der zusätzlichen Liquidität, die die EZB den Banken bereitstellte. Banken refinanzieren sich über die EZB und haben dafür mehrere Möglichkeiten. Die EZB leiht Banken für gewöhnlich auf Sicht von Tagen zu einem bestimmten Zinssatz Geld (Main Refinancing Operations, MRO). Es gibt darüber hinaus noch die Langzeitrefinanzierungsinstrumente (Long Term Refinanzing Operations, LTRO) und TLTRO (Targeted Long Term Refinanzing Operations). Die Summen, die die EZB über MROs und LTROs ausgegeben hat sind in der Grafik dargestellt.

Das Bilanzwachstum war vor allem wegen der LTROs so rasant. Banken nahmen bei einer einzigen Refinanzierungsoperation gleich mehrere hundert Milliarden auf. Inzwischen hat sich die Summe ausstehender LTROs wieder normalisiert. Die MROs sind nach wie vor rückläufig. Banken haben so viel Geld, dass sie im Prinzip nicht wissen, wohin sie damit sollen. Das zeigt sich anhand der hohen Überschussreserven.

Die Überschussreserven stiegen mit den LTRO in den Jahren 2011 und 2012 und fielen mit der Rückzahlung dieser Instrumente. Seitdem die EZB nun Anleihen und andere Wertpapiere kauft steigen die Überschussreserven wieder an. Auf diese müssen Banken seit 2014 einen Strafzins zahlen.

Die Strafzinsen werden von Banken scharf kritisiert, weil sie die Zinsmarge senken. Das ist letztlich viel Lärm um nichts, denn Banken zahlen auch weniger für die Refinanzierung. Grafik 2 fasst diese Entwicklung zusammen. Für Einlagen zahlen Banken den Einlagensatz, seitdem er ins Negative gesenkt wurde. Vor den Negativzinsen erhielten Banken für ihre Einlagen Geld. Da die Überschussreserven bis Anfang 2012 sehr klein waren, bekamen Banken auf diese Reserven kaum Zinsen. Das Volumen war zu klein.


Seitdem der Einlagensatz negativ ist zahlen Banken nun für die Überschussreserven. Aktuell halten Banken über 400 Mrd. Bei einem Einlagensatz von -0,4 % summieren sich die jährlichen Kosten für diese Reserven auf knapp 1,8 Mrd. Euro. Banken zahlen also eine Milliardensumme an die EZB, damit sie die Reserven parken dürfen. Das ist eine hohe Belastung, doch es ist nur eine Seite der Medaille.

Nicht nur die Einlagensätze sind gesunken, sondern auch die Hauptrefinanzierungszinsen. Diese lagen vor der Finanzkrise noch bei über 4 %. Lieh sich eine Bank bei der EZB Geld, dann kostete das über 4 %. Heute liegen diese Kosten bei 0 %. Auf Basis der MRO und LTRO Volumen zahlten Banken noch vor wenigen Jahren mehrere Milliarden an die EZB für die Refinanzierungsgeschäfte. Heute zahlen Banken keinen Cent mehr dafür, müssen jedoch für die Überschussreserven zahlen. Unterm Strich sind die Belastungen dennoch historisch niedrig.

Durch die Strafzinsen steigt die Belastung wieder. Mit insgesamt 2 Mrd. pro Jahr liegen die Belastungen jedoch gerade bei einem Viertel des langjährigen Durchschnitts.

Kurz gesagt: Banken jammern auf hohem Niveau. Die EZB könnte den Einlagensatz theoretisch auf -1,5 % senken und würde den Banken erst dann überdurchschnittliche Belastungen zumuten. Das Limit der Geldpolitik ist aus dieser Perspektive noch lange nicht erreicht.

Lernen, traden, gewinnen

– bei Deutschlands größtem edukativen Börsenspiel Trading Masters kannst du dein Börsenwissen spielerisch ausbauen, von professionellen Tradern lernen und ganz nebenbei zahlreiche Preise gewinnen. Stelle deine Trading-Fähigkeiten unter Beweis und sichere dir die Chance auf über 400 exklusive Gewinne!

Jetzt kostenlos teilnehmen!

6 Kommentare

Du willst kommentieren?

Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.

  • für freie Beiträge: beliebiges Abonnement von stock3
  • für stock3 Plus-Beiträge: stock3 Plus-Abonnement
Zum Store Jetzt einloggen
  • Fredo Escalade
    Fredo Escalade

    @Herrn Schmale:

    Ich gehe davon aus, dass Ihre Aussagen und Ergebnisse zu denen Sie kommen, korrekt sind.
    Bisher war ich mir noch nicht ganz im Klaren darüber, in welchem Verhältnis die Geldpolitik für die Banken eher eine Be- bzw. Entlastung darstellt. Nun weiß ich mehr und sage "Danke" für die Infos.

    Viele Grüße

    11:47 Uhr, 04.05.2016
  • kingkong007
    kingkong007

    Zocker jammern immer !

    10:22 Uhr, 04.05.2016
  • rex007
    rex007

    "Notenbanken verhindern nicht das Verhungern, sondern mästen die Risiken" - ein genialer Satz des Herrn Schmale. Kann in den ewigen Zitatenschatz aufgenommen werden... Was aber letztlich sichtbar wird: Auf mittlere und längere Sicht muss ein neues Wertesystem entwickelt werden - als Basis eines neuen Wirtschaftssystems. Welche Gestalt das annehmen könnte? Das muss zunächst auf die politische "Tages"-Ordnung... So, wie damals nach dem Krieg die "Wirtschaftsordnung" ein zentrles Thema war... Die jetzige Ordnung funktioniert noch, so, wie ein an sich todkranker Mensch am Tropf hängt und so über Jahre "weiterleben" kann...

    10:18 Uhr, 04.05.2016
    1 Antwort anzeigen
  • Unbedingt
    Unbedingt

    Im Normalfall müsste ein Sektor in dieser Situation rationalisieren, Kosten sparen und Leute entlassen, bzw. Filialen schließen. Wie läuft das denn? Gibt es immer noch einen Wasserkopf an Bänkern in Deutschland? Bei unserer Sparkasse sehe ich z.B., die haben jetzt keinen Schalter mehr zum Ein- und Auszahlen sondern einen Automaten, der alles kann außer Hochdeutsch... Andererseits ist es ein richtiges Beschaffungsproblem geworden, ein paar Überweisungsformulare zu bekommen. Also wenn ich bedenke, dass so ein Konto knapp 100 E im Jahr kostet... Und wenn ich mir dann überlege, was Bänker früher alles zu erledigen hatten, wo noch auf jedes mit Hand ausgereichte oder empfangene Papierchen ein Stempel gehörte... Offenbar holpert es noch ein wenig mit dem Fortschritt. Ich würde mich nicht wundern, wenn die Bankbranche die erste ist, wo nur noch Roboter in Interaktion treten. Das obligatorische Lächeln für den Kunden lässt sich bestimmt auch automatisieren.

    08:31 Uhr, 04.05.2016

Das könnte Dich auch interessieren

Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

Mehr über Clemens Schmale
  • Makroökonomie
  • Fundamentalanalyse
  • Exotische Basiswerte
Mehr Experten