Geldmarkt im Blickpunkt: Der Vertrauenskrise zweiter Teil
- Lesezeichen für Artikel anlegen
- Artikel Url in die Zwischenablage kopieren
- Artikel per Mail weiterleiten
- Artikel auf X teilen
- Artikel auf WhatsApp teilen
- Ausdrucken oder als PDF speichern
Alle Verlautbarungen, wonach die Finanzmarktkrise bereits ausgestanden sei, erwiesen sich als verfrüht. Das Misstrauen im Bankensektor hat in der jüngsten Zeit wieder deutlich zugenommen. Dies äußert sich vor allem in einer abnehmenden Bereitschaft der Kreditinstitute zur gegenseitigen Versorgung mit Liquidität. Am Geldmarkt sind aufgrund der generell gestiegenen Risikoscheu die Zinssätze daraufhin erneut in die Höhe geschnellt. Für Dreimonatsgeld muss im Euroraum inzwischen wieder 4,7 Prozent bezahlt werden. Damit liegt der Dreimonatssatz außergewöhnliche 70 Basispunkte über dem Leitzins der Europäischen Zentralbank von vier Prozent.
Um die Liquidität am Interbankenmarkt zu erhöhen, hat die EZB am Freitag 20 Milliarden Euro in Form eines Langfrist-Tenders zusätzlich in den Markt gepumpt. Darüber hinaus hat sie sich bereit erklärt, bei Bedarf weitere Liquidität zur Verfügung zu stellen. Was die Zinspolitik angeht, dürfte nach dem 6. Dezember mehr Klarheit herrschen. An diesem Tag stellen die Währungshüter ihre Konjunktur- und Inflationsprojektionen vor. Von einer weiteren Zinserhöhung spricht jedoch schon heute keiner der Marktteilnehmer mehr.
Begründet ist die schwierige Situation an den Geldmärkten in der Befürchtung vieler Marktteilnehmer, dass die US-Subprime-Krise noch nicht ausgestanden ist und es bei den Banken infolge von Abschreibungen zu weiteren Verlusten kommen wird. Der itraxx-Financial-Index, gewissermaßen der Pulsmesser des Bankensektors, schlägt nach oben aus und ist mittlerweile auf rund 60 Basispunkte geklettert. Dies bedeutet, dass zur Absicherung einer Anleihe von 100 Mio Euro über fünf Jahre eine Prämie von 600.000 Euro bezahlt werden muss. Zum Vergleich: Anfang November lag die Versicherungsprämie nur bei 350.000 Euro.
Staatsanleihen gefragt
In einem Umfeld mit sinkenden Aktienkursen, ausgetrockneten Geldmärkten und sich ausweitenden Risikoaufschlägen bei Unternehmensanleihen liefen Staatsanleihen erneut zu großer Form auf. Damit bestätigte sich das alte Muster, wonach in Zeiten wachsender Risikoscheu sichere Staatsanleihen gesucht werden. Zur Wochenmitte touchierte daraufhin etwa die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen die Vier-Prozent-Marke. Damit rentierten sie gleich hoch wie amerikanische Schatzanweisungen mit derselben Laufzeit.
Welch atemberaubende Entwicklung am US-Bondmarkt im letzten halben Jahr vonstatten ging, verdeutlichen folgende Zahlen: Zur Jahresmitte erbrachten Treasuries noch eine Rendite von 5,3 Prozent. Praktisch in einem Zug fiel dieser Wert binnen fünf Monaten auf vier Prozent, also um 130 Basispunkte. Die reale Verzinsung (Nominalrendite abzüglich der Inflation) liegt gegenwärtig nur noch geringfügig über dem Rekordtief vom Juni 2003 (1,4 Prozent).
Dies korrespondiert dabei mit den sehr ambitionierten Erwartungen der Marktteilnehmer an die US-Zinspolitik. Bis in den Spätsommer 2008 sind bereits Leitzinssenkungen von 100 Basispunkten eingepreist. Angesichts der nach wie vor soliden Lage der Weltwirtschaft scheint dies aber doch etwas übertrieben zu sein. Es ist eher davon auszugehen, dass bei einer Normalisierung der allgemeinen Risikoeinschätzung Gegenbewegungen bei der Renditeentwicklung möglich sind. Eine unmittelbare Rezessionsgefahr in den USA, wie sie manche Marktbeobachter aus den Zahlen herauslesen, sehen wir derzeit aber noch nicht.
Dollar-Sinkflug geht weiter
Die Zinssenkungserwartungen für die USA finden auch am Devisenmarkt ihren Niederschlag. In der vergangenen Woche tendierte der Dollar gegenüber dem Euro so schwach wie niemals zuvor seit Einführung der Gemeinschaftswährung. In der Spitze mussten für einen Euro fast 1,49 US-Dollar bezahlt werden. Ein Ende der Abwärtsbewegung ist bislang nicht in Sicht. Die Schwäche des US-Dollar machte sich auch gegenüber dem Japanischen Yen bemerkbar. Der Wechselkurs sank zuletzt auf unter 110 JPY je US-Dollar.
Ausblick
Eine ganze Reihe wichtiger Konjunkturdaten befindet sich in dieser Woche auf der Agenda. Im Euroraum stehen der Ifo-Geschäftsklimaindex sowie sein französisches Pendant, der INSEE-Index, zur Veröffentlichung an. Die vorläufigen Zahlen zu den Einkaufsmanagerindizes, die in der letzten Woche bekannt gegeben wurden, deuten auf eine weitere Abschwächung der beiden Konjunkturbarometer hin. In den USA richtet sich die Aufmerksamkeit in erster Linie auf die anstehende Rede von Ben Bernanke. Die Marktteilnehmer erhoffen sich davon Aufschlüsse über die weitere US-Zinspolitik. Zudem werden verschiedene Daten aus dem Immobiliensektor publiziert.
Quelle: Union Investment
Gegründet 1956, zählt Union Investment heute zu den größten deutschen Investmentgesellschaften. Rund 163,4 Mrd. Euro verwaltete die Gesellschaft per 31. März 2007. Die Produktpalette für private Anleger umfasst Aktien-, Renten- Geldmarkt- und Offene Immobilienfonds sowie gemischte Wertpapier- und Immobilienfonds und Dachfonds. Anleger erhalten diese Produkte bei allen Volksbanken, Raiffeisenbanken, Sparda-Banken und PSD-Banken. Rund 4 Millionen Anleger nutzen überdies die Depotdienstleistungen der Union Investment.
Keine Kommentare
Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.