Kommentar
10:02 Uhr, 20.06.2014

Geht Argentinien pleite?

Argentinien schien es zuletzt wieder gut zu gehen. Nun soll der Bankrott drohen. Wie passt das zusammen?

Die Hintergründe sind ziemlich spannend und haben das Zeug zu einem exzellenten Wirtschaftskrimi. Die Geschichte begann in dem Moment, als Argentinien Ende 2001 erklärte, die Schulden nicht mehr begleichen zu können. Die Anleihen waren größtenteils in USD und unter amerikanischem Recht begeben. Das war und ist durchaus üblich Anleihen, unter amerikanischem oder englischem Recht zu begeben. Viele ausländische Investoren haben nicht das allergrößte Zutrauen in die lokale Gesetzgebung und leihen Ländern wie Argentinien daher nur unter der Rechtssicherheit der USA, England usw. Genau daher kommen jetzt die Probleme, die Argentinien in den Bankrott zwingen könnten.

Nach der Pleite wurden die Schulden Argentiniens restrukturiert. In etwa 90 % der Gläubiger nahmen den Umtausch alter in neue Anleihen an und verzichteten auf einen Großteil ihrer Forderungen. Es gibt aber auch eben noch die restlichen 10 %. Das sind vor allem sogenannte Vulture Fonds (Geier-Fonds). Sie sind darauf spezialisiert Anleihen nach dem Bankrott eines Staates zu kaufen und die Restrukturierung der Schulden nicht mitzumachen. Sie sitzen das aus. Diese hold-outs versuchen dann mit allen Mitteln den vollen Wert der Anleihen zurückerstattet zu bekommen.

Im Fall von Argentinien wurden viele der Anleihen zu einem Discount von 70 % erworben. Die Fonds haben also für einen USD Zahlungsanspruch nur 0,30 USD gezahlt. Sie wollen nun aber 100 % Nominale zurückgezahlt haben, plus den regelmäßigen Zinszahlungen (Kupons) und Strafzinsen für den Verzug. In dem Fall von Argentinien kommen die Fonds zu unterschiedlichen Einschätzungen. Einige fordern „nur“ das Vierfache ihres Investments, andere eher das Zehnfache. Wenn das durchgeht, dann ist die Rendite beträchtlich. Nicht immer kommen die Fonds damit durch, aber wenn, dann lohnt es sich richtig.

Der Rechtsstreit mit Argentinien vor US Gerichten zieht sich seit Jahren in die Länge. Vor einign Tagen wurde nun ein Urteil bestätigt, welches die Geltung eines einzelnen Paragraphen in den Anleihebedingungen bekräftigt hatte. Es handelte sich dabei um die Pari-passu Klausel (gleiches Recht für alle). Demnach muss Argentinien alle Gläubiger gleich behandeln. Es darf kein Gläubiger bevorzugt werden. Jetzt ist es aber so, dass Argentinien jene Gläubiger bezahlt, die der Restrukturierung zugestimmt haben und die hold-outs nicht. Das verstößt gegen pari-passu. Argentinien muss nun also zum nächsten Zahlungstermin (Ende Juni für einen Kupon) entweder alle Gläubiger bedienen oder keinen.

Bisher weigert sich Argentinien beharrlich Vulture Fonds mehr zu zahlen als allen anderen Gläubigern. Persönlich finde ich das verständlich. Wieso sollte jemand, der sich der Restrukturierung verweigert mehr bekommen als jemand der kooperiert? Gerade der Verzicht auf Schulden hat das Überleben Argentiniens gesichert und sicher gestellt, dass überhaupt etwas von den Schulden zurückgezahlt werden kann. Einige wenige bereichern sich am Verzicht der Vielen. Mehr muss man dazu gar nicht sagen...

Gesetz ist aber nun einmal Gesetz. In diesem Fall ist es besonders ungünstig, weil komplette Anleihebedingungen normalerweise noch einen Zusatzpassus beinhalten, der im Falle einer Pleite dafür sorgt, dass eben nicht Einzelne später profitieren können. Ein solcher Passus garantiert, dass der Restrukturierung gefolgt werden muss.

Für die USA stand durchaus auch etwas auf dem Spiel. Man stelle sich vor, sie hätten einen amerikanischen, wasserdichten Vertrag für teilweise ungültig erklärt. Was sagt das über die Rechtssicherheit in den USA aus?

Nachdem sich Argentinien (verständlicherweise) weigert, den Vulture Fonds ihre horrende Rendite zu zahlen, bleiben nicht mehr viele Möglichkeiten übrig die Lage zu retten. Entweder zahlt Argentinien ab Juli keinem Gläubiger mehr Geld. Dann dürfte das Land aber wieder auf Jahre hinaus vom internationalen Kapitalmarkt abgeschnitten sein und vor allem auch kein Kapital mehr in das Land fließen (ausl. Direktinvestitionen). Oder Argentinien gelingt ein Vergleich mit den Fonds. Ersteres dürfte Argentinien nicht riskieren. Letzteres ist unwahrscheinlich. Die Fonds haben ihre unverschämt hohen Forderungen und rücken davon kein Stück ab.

Obwohl Argentinien die Fonds auszahlen könnte, ist das ein hohes Risiko. Nicht nur Fonds sind hold-outs, sondern auch Privatpersonen und andere Institutionen. Wird ein hoher Vergleich mit den Vulture Fonds geschlossen, wird Argentinien allen eine hohe Auszahlung leisten müssen. Das könnte sich dann auf 15 Mrd. USD belaufen. Bei 30 Mrd. Währungsreserven ist das eine Menge Geld und könnte zu einer gewissen Destabilisierung führen.

Kurzfristig dürfte es vor Gerichten mit Eilanträgen usw. weitergehen. Langfristig wird Argentinien wahrscheinlich zahlen.

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1 Kommentar

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  • Jochen Stanzl
    Jochen Stanzl Chefmarktanalyst CMC Markets

    Ich glaube Argentinien geht alle Jahre Pleite, das ist bei denen schon Usus ;)

    10:31 Uhr, 20.06.2014

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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