Kommentar
13:10 Uhr, 02.07.2014

Gehen die Zentralbanken unter die Zocker?

  • Was wenige wissen: Zentralbanken inves­tieren ihre Reserven nicht nur in Bonds, sondern zunehmend auch in Aktien.
  • Das beseitigt eine Verzerrung auf den Ka­pitalmärkten und wirkt der hohen Verschul­dung der Volkswirtschaften entgegen.
  • Notwendig ist dabei aber eine größere Trans­parenz der Notenbanken.

Sind die Zentralbanken unter die "Zocker" gegangen? Bis jetzt war ich immer der Meinung, dass Zentralbanken in der Anlage ihrer Reserven der Ausbund der Vorsicht seien. Sie investieren nur in kurz- bis mittelfristigen Staatspapieren, in denen sie kein Bonitäts- und nur ein geringes Kursrisiko zu haben glauben. Es gibt hier nur zwei Ausnahmen. Das eine sind die Währungsreserven. Sie sind zwangsläufig mit Wechselkursrisiken verbun­den. Da kann man nichts ändern. Das zweite sind die Goldbestände. Gold gilt zwar gemeinhin als solide und wertbeständig. Tatsächlich ist es als Edelmetall jedoch so volatil und schwer einschätzbar wie wenige andere Anlagen. Hier zocken auch Zentralbanker.

Jetzt kommt aber noch etwas anderes hinzu. Wie sich herausstellt, kaufen die Zentralbanken inzwischen auch Aktien. Nach einer Studie der Bank HSBC besitzen be­reits mehr als ein Drittel der Notenbanken Aktien bezie­hungsweise planen, in den nächsten fünf Jahren welche zu erwerben. Der Prozentsatz ist im letzten Jahr deutlich gestiegen. Das hatte ich so nicht erwartet.

Zu diesen Instituten gehören keineswegs nur kleine und unbedeutende Notenbanken. Die Schweizer National­bank hält beispielsweise 15 % ihrer Reserven in Aktien. Das macht einen Betrag von über USD 70 Mrd. aus. Die Banca d'Italia legt 6 % ihres Euro-Portfolios in Aktien an. Die Niederlande sind seit langem auf den Aktienmärkten präsent. Ebenso Dänemark. Hong Kong kaufte in der Asienkrise 1998 Aktien für rund USD 15 Mrd., um die Märkte zu stabilisieren. Es verkaufte sie später mit Ge­winn.

Die britische Denkfabrik OMFIF (Official Monetary and Financial Institutions Forum), die die Diskussion in den letzten Wochen mit einer eigenen Studie angestoßen hat, zieht daraus den Schluss, dass die Zentralbanken jetzt nicht nur durch ihre Geldpolitik, sondern auch durch ihre Anlagepolitik zu einer treibenden Kraft auf den Kapi­talmärkten geworden sind. Die gesamten anlagefähigen Reserven der Notenbanken schätzt OMFIF auf USD 13.200 Mrd. Das entspricht einem Drittel (!) der Markt­kapitalisierung der Aktienmärkte der Welt. Die Grafik zeigt, wie dynamisch sich allein die Währungsreserven in den letzten fünfzehn Jahren entwickelt haben. Das ist ein riesiges Anlagepotenzial.

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Wie ist diese Entwicklung zu beurteilen? Wie überall gibt es Argumente dafür und dagegen. Auf der einen Seite besteht die Gefahr von Zielkonflikten. Die Notenbanken sind nicht dafür da, Gewinne zu erwirtschaften. Sie sol­len für Preisstabilität sorgen. Aktienengagements könn­ten zudem dem Renommee der Notenbanken schaden. Wenn sie bei ihren Investments schief liegen, mag man­cher auch an ihrer geldpolitischen Kompetenz zweifeln. Schließlich haben sie gegenüber anderen Anlegern Insi­der-Wissen. Man braucht also "Chinese Walls" zwischen denen, die Geldpolitik machen und denen die Gelder an­legen.

Auf der anderen Seite wird dadurch eine neue große Anlegergruppe für den Markt erschlossen. Das hilft den Kursen. Der Markt wird breiter und stabiler. Die Reser­ven der Zentralbanken werden rentabler angelegt. Laut OMFIF haben die Notenbanken der Welt durch die ineffi­ziente Anlagepolitik bisher auf Einnahmen in Höhe von USD 200 bis 250 Mrd. verzichtet.

Das wichtigste Argument liegt jedoch woanders. Die ein­seitige Anlage der Notenbankreserven verzerrt die Kapi­talmärkte. Sie begünstigt Bonds – vor allem Staatsanlei­hen – und benachteiligt Aktien, also die Realwirtschaft. Die Zinsen sind zu niedrig, die Kosten des Eigenkapitals zu hoch. Das fördert die Verschuldung vor allem des Staates, aber auch der Privatwirtschaft. Wir sollten uns nicht über die zu hohe Verschuldung beschweren, wenn wir sie durch die Anlagepolitik der Notenbanken aus­drücklich fördern.

Umgekehrt bekommen die Unternehmen relativ weniger Mittel, die zudem noch teurer sind. Das bremst Wachs­tum und Arbeitsplätze. Es fällt insbesondere in einer Zeit ins Gewicht, in der die Notenbanken nicht mit zu hoher Inflation zu kämpfen haben, sondern mit zu geringer Ex­pansion der Wirtschaft.

Manche sagen, Zentralbanken müssten in Bonds inves­tieren, weil sie weniger riskant sind. Das gilt nach den Turbulenzen der vergangenen Jahre nicht mehr. Es gibt keine risikolosen Anleihen mehr. Umgekehrt sind Aktien­anlagen nicht so riskant wie oft behauptet. Man muss das Portfolio nur auf Unternehmen mit guter Finanzie­rung, einem vernünftigen Geschäftsmodell und ordentli­cher Dividende beschränken. Man muss auf eine Di­ver­sifizierung der Risiken achten und man muss sich klug gegen Kursschwankungen absichern.

Eines ist freilich wichtig, wenn Notenbanken ihre Reser­ven auch in Aktien anlegen. Das ganze muss transpa­rent sein. Sonst haben die Notenbanken als Großinves­tor einen Wettbewerbsvorteil. Offenheit und Transparenz gehören freilich bisher nicht zu den Stärken der Noten­banken.

Für den Anleger ist ein größeres Engagement der No­tenbanken auf den Aktienmärkten natürlich eine gute Nachricht. Es kommt mehr Geld auf den Markt. Es gibt einen neuen risikoaversen Investor, der Stabilität in
den Markt bringt. Vielleicht würde dann auch mancher Bonds-Investor seine bisherige Abneigung gegen Divi­dendentitel überdenken. Last but not least ist es gesamt­wirtschaftlich nicht von Nachteil, wenn die Notenbanken auch in ihrem Denken näher an den Markt rücken. Es verringert die Gefahr von Turbulenzen gerade in Zeiten geldpolitischen Umsteuerns.

Dr. Martin W. Hüfner, Chefvolkswirt von Assenagon Asset Management S.A.

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