Geheimes TTIP-Gutachten aufgetaucht?
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Das geplante Freihandelsabkommen TTIP ("Transatlantic Trade and Investment Partnership") zwischen den USA und der EU ist sehr umstritten. Ein mit drei Jahren Verspätung veröffentlichtes Gutachten, das von der britischen Regierung in Auftrag gegeben wurde, heizt die Diskussion jetzt zusätzlich an: "Britisches Gutachten: Vernichtendes Urteil über TTIP" schreiben die "Deutschen Wirtschafts Nachrichten" über ein angebliches Gutachten der renommierte London School of Economics, das bereits 2013 erstellt wurde und seitdem von der britischen Regierung unter Verschluss gehalten worden sei.
Die Sache hat allerdings einen entscheidenden Haken: Das Gutachten selbst beschäftigt sich nicht direkt mit TTIP und auch nicht mit einem möglichen Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA, sondern nur mit einem Teilaspekt davon: dem gegenseitigen Investorenschutz. Solche Regelungen zum Investorenschutz sollen zwar Teil von TTIP sein, daneben geht es bei TTIP aber vor allem auch um den gegenseitigen Abbau von Zöllen und unterschiedlichen Standards.
Trotzdem: Der Investorenschutz soll ein wichtiger Teil von TTIP sein. Unter Investorenschutz versteht man insbesondere, dass Konzerne nicht entschädigungslos enteignet werden können - auch nicht durch ein neues Gesetz, das ein Staat beschließt. Die Befürchtung ist allerdings, dass die Investorenschutzregel sehr weit ausgelegt werden kann und Großkonzerne die beteiligten Staaten bei neuen Gesetzen, die ihre Geschäfte einschränken, zur Kasse bitten können.
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Besonders umstritten ist dabei das sogenannte Investor-State Dispute Settlement (ISDS), also das Verfahren, mit dem Streitfälle zwischen Unternehmen und Staaten beigelegt werden sollen. Dabei sollen private Schiedsgerichte zum Einsatz kommen, die meist auch unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandeln und die beim "International Centre for Settlement of Investment Disputes" (ICSID) bei der Weltbank in Washington angesiedelt sind.
Hier fällt das Urteil des Gutachtens in der Tat vernichtend aus. Es gebe kaum Anzeichen dafür, dass der gegenseitige Investorenschutz für Großbritannien ökonomische oder politische Vorteile gegenüber dem Status Quo habe. Es gebe allerdings einige Gründe für die Annahme, dass Investorenschutzregeln sowohl ökonomische als auch politische Kosten haben könnten.
Basierend auf der Erfahrung von Kanada unter dem NAFTA-Abkommen sei etwa damit zu rechnen, dass US-Investoren regelmäßig Klagen gegen Maßnahmen des britischen Staates anstrengen würden, für die es nach britischem Recht bisher keine Basis gebe. Nach Einschätzung des Gutachtens dürfte der britische Staat zwar nicht viele dieser Verfahren verlieren, gleichzeitig würden aber erhebliche Verfahrenskosten entstehen. Außerdem könnte sich der britische Staat gezwungen sehen, in einigen Fällen einen kostspieligen Vergleich mit den klagenden Investoren abzuschließen, selbst wenn der britische Staat rechtmäßig gehandelt habe. Außerdem sei es möglich, dass der britische Staat von Zeit zu Zeit auch Verfahren verliere und dann erhebliche Entschädigungszahlungen zu leisten habe.
Fazit: Das Gutachten beschäftigt sich überhaupt nicht mit TTIP, sondern nur mit einem Teilaspekt, dem geplanten Investorenschutz. Hier kommt das Gutachten allerdings tatsächlich zu einem vernichtenden Urteil. Insbesondere befürchten die Autoren der Studie eine Klagewelle von US-Investoren gegen Maßnahmen des britischen Staates mit erheblichen politischen und wirtschaftlichen Kosten für Großbritannien. Damit ist klar: Sollte TTIP tatsächlich Investorenschutzregeln enthalten, wie sie in dem Gutachten untersucht wurden, könnten auch auf den deutschen Staat erhebliche wirtschaftliche und politische Risiken zukommen. Dabei ist letztlich gar nicht absehbar, wie hoch die Kosten für den Steuerzahler sein werden.
Allerdings will auch die deutsche Bundesregierung inzwischen keine privaten Schiedsgerichte mehr als Teil von TTIP akzeptieren. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel hat vorgeschlagen, einen internationalen Schiedsgerichtshof zu schaffen, um entsprechende Klagen zu verhandeln. Ob die USA diesem Vorschlag zustimmen, ist noch offen. Es könnte aber durchaus sein, dass TTIP letztlich ohne die umstrittenen Regeln zu den ISDS-Verfahren auskommt - falls TTIP überhaupt zustande kommt. Denn nicht nur beim Investorenschutz gibt es noch unterschiedliche Positionen. Streit gibt es auch bei der sogenannten „Buy-American“-Regeln, die US-Unternehmen bei öffentlichen Ausschreibungen in den USA bevorzugen. "Die Amerikaner wollen ihre öffentlichen Ausschreibungen nicht für Unternehmen aus Europa öffnen. Das ist für mich das genaue Gegenteil von Freihandel", sagte Gabriel dem "Handelsblatt" am Montag. Das sei nicht zu akzeptieren. Bei der aktuell laufenden 13. Verhandlungsrunde zu TTIP, die wieder unter Ausschluss der Öffentlichkeit geführt wird, dürfte es also hoch hergehen.
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... auf den Inhalt kommt es an!
Bei TTIP sollte man möglichst alle Hebel in Bewegung setzen, um dies NICHT Wirklichkeit werden zu lassen.
Ich kann gut darauf verzichten, auf mit Steuergeld gebauten Autobahnen bald MAUT zu zahlen, mein Leitungs-Wasser für "teuer Geld" von einem US-Hedgefonds zu beziehen und Schulen ggf. von "interessierten Kreisen" als Privat-Veranstaltung betreiben zu lassen.
VIELE GRÜßE
Wie sich herausgestellt hat, wurde das Gutachten offenbar gar nicht geheim gehalten (das hatten die "Deutschen Wirtschafts Nachrichten" behauptet), sondern tatsächlich schon 2013 von der britischen Regierung veröffentlicht. Es nahm nur fast niemand Notiz davon.
Die Studie wurde zwar jetzt in der Antwort auf die Anfrage der TTIP-Gegner von „Global Justice Now“ erwähnt, war aber tatsächlich schon seit 2013 auf einer Internetseite der britischen Regierung abrufbar, wie ein aufmerksamer Leser recherchiert hat. „Global Justice Now“ hat auch gar nicht behauptet, dass die Studie bisher nicht veröffentlicht worden sei.
Vielen Dank an den aufmerksamen Leser!
Seltsame Wortwahl: Das Gutachten beschäftigt sich ÜBERHAUPT nicht mit TTIP sondern NUR mit einem Teilaspekt. Ist ein Teilaspekt nicht auch ein Teil von TTIP? Dann beschäftigt es sich aber ja doch ein ganz klein bisschen um TTIP?
TTIP ist das umfangreichste Vertragswerk dass je verhandelt wurde, was es so schwierig oder gar unmöglich macht sich kurz und für jeden verständlich dazu zu äußern. Ich begleite die Verhandlungen seit Herbst 2013 und gehöre dem Bündnis TTIP unfairhandelbar an, das in Deutschland die Gegenargumente vorbringt und die Proteste organisiert.
Freihandel wird hier als Alibibegriff genutzt, denn im Originaltitel steht nur Trade und nicht free Trade. Freier Handel zwischen Europa und den USA ist bereits gegeben.
Was den Bereich Handel in den Verhandlungen betrifft, wird dort über Angleichungen von Industrienormen u.ä. verhandelt was auch sinvoll und zu begrüßen ist.
Der wahre Zweck dieser Verhandlungen ist jedoch geostrategisch einzuordnen, denn es ist ein Baustein einer neuen Strategie, die die Seit 1942 bestehende Herzland- Randland Strategie ablösen soll, da diese in einigen Jahren kaum noch effizient nutzbar sein wird. Die neue Strategie hat zum Inhalt: Herrschen durch Wirtschaftskraft, Geldmarkt und die Steuerungsmöglichkeiten ganzer Staaten und Gesellschaften.
TTIP & CO sind hier eine wichtige Komponente, da über die Klagemöglichkeiten gegen Staaten (ISDS) und die ebenfalls intergrierte "regulatorische Kooperation" Möglichkeiten eingabaut werden sollen, in Entscheidungsprozesse einzuwirken und ggf. Staaten zu sanktionieren wenn den Wünschen nicht nachkommen wird. Der letzte Rest von demokratischen Einwirkungsmöglichkeiten der Bevölkerung der noch besteht, würde somit ausgehebelt, da bilaterale Verträge Veränderungen entgegenstehen.
Insofern ist es nicht verwunderlich, dass sich die hier angesprochene Studie vorrangig auf ISDS bezieht.
Nafta kann man sich anschauen wenn Auswirkungen beurteilt werden sollen, allerdings ist dieser Vertrag bereits 20 Jahre alt und beinhaltet nicht die strategische Komponente wie in TTIP. Zu den Inhalten erfährt man eher etwas in den Vertragstexten von TPP, dem pazifischen Abkommen, dessen Texte von neuseeländischer Seite veröffentlicht wurden.
Gabriels Vorschlag einen Schiedsgerichtshof einzurichten wurde sofort von amerikanischer Seite abgelehnt: "Ohne ISDS kein TTIP." Da sich die Amerikaner hier nicht bewegen hat Frankreich schon wiederholt gefordert die Verhandlungen abzubrechen.
Auf eine weitere Bewertung der Inhalte der Verhandlungen verzichte ich hier mal, da es zu lang werden würde. Wer mehr darüber erfahren möchte, kann auf Facebook in die Gruppe "Stoppt Freihandelsabkommen TTIP" reinschauen. Dort versuche ich, sehr kurz gehalten, auf einer einfachen Sprachebene, zugegeben auch leicht populistisch, über Inhalte und Auswirkungen zu informieren um vom Chlorhühnchenniveau und Antiamerikanismen die Diskussin auf die inhaltliche Ebene zu lenken.
Die Texte veröffentliche ich auch in meinem Profil, allerdings vermischt mit anderen Themen und ohne die Diskussion zu den Punkten.
Bei Facebook schreibe ich unter meinem Klarnahmen Joachim Jördens.
Interessant könnte auch die Stellungnahme des Chefvolkswirts der Bremer Landesbank sein, die gestern Abend im Börsenradio, bereitgestellt im Guidants Newsportal, Schlussbericht-Mo-25-April-2016, zu hören war. (von Min. 03:20 - Min. 06:08).