Führungswechsel in Großbritannien: Wie geht es jetzt weiter?
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Es ist für die Konservative Partei äußerst wichtig, sich schnell auf einen neuen Vorsitzenden und damit auf den nächsten Premierminister zu einigen. Boris Johnson hat beschlossen, im Amt zu bleiben, bis der neue Vorsitzende gewählt ist. Ein Abgang ohne Nachfolger würde vorgezogene Neuwahlen nach sich ziehen, was die Konservative Partei aufgrund der ungünstigen Umfragewerte nicht will.
Keiner der sich um das Amt bewerbenden Kandidaten ist der klare Favorit, obwohl Rishi Sunak (ehemaliger Schatzkanzler, kürzlich zurückgetreten) der aussichtsreichte Kandidat zu sein scheint. Wahrscheinlich wird versucht, einen Nachfolger vor der Sommerpause des Parlaments, die am 21. Juli beginnt, zu finden. Sollte dies nicht gelingen, muss das Verfahren nach der Wiedereröffnung des Parlaments am 5. September fortgesetzt werden, notfalls sogar bis zum Tory-Parteitag im Oktober.
Hoffnung auf glaubwürdigere Wirtschaftspolitik
Die wirtschaftlichen Aussichten des Vereinigten Königreichs haben sich seit Anfang des Jahres drastisch verschlechtert. Die Risiken einer Rezession werden durch die wirtschaftlichen Folgen des Brexits noch verschärft. Die Inflation hat im Vereinigten Königreich einen 40-Jahres-Hoch erreicht (9,1 % im Mai), und der Inflationsdruck wird bis zum Jahresende zunehmen, da die höheren Rohstoffpreise voraussichtlich die Versorgungs- und Lebensmittelpreise steigen lassen werden.
Unter normalen Umständen ist politische Unsicherheit eine schlechte Nachricht für die Wirtschaft. Aber im konkreten Fall bedeutet ein neuer Premierminister die Chance auf eine vorhersehbarere und glaubwürdigere Wirtschaftspolitik, so dass die negativen Folgen wahrscheinlich überschaubar sein werden.
Bank of England marschiert voraus
Zu erwarten ist eine weitere Straffung der Geldpolitik; dies wohl auch, da die Bank of England (BoE) wahrscheinlich ihre Unabhängigkeit demonstrieren möchte. Doch wie die EZB ist auch die BoE mit der steigenden Inflation und dem schleppenden Wachstum konfrontiert. Nach der Beendigung ihrer Maßnahmen zur quantitativen Lockerung und der Anhebung des Leitzinses um 100 Basispunkte auf 1,25 % erwägt die BoE nun nicht nur eine weitere Anhebung der Zinsen, sondern auch den Verkauf von Staatsanleihen.
Die Großhandelspreise für Gas sind in Europa im Jahresvergleich um über 300 % gestiegen. Einen Angebotsschock dieses Ausmaßes kann die Geldpolitik nicht ausgleichen. Sie muss jedoch reagieren, um gegen die Zweitrundeneffekte auf die Löhne anzuarbeiten. Einerseits wird der Rückgang der Realeinkommen der Haushalte den Konsum belasten, die Gewinnspannen der Unternehmen werden gemindert und der Arbeitsmarkt wird sich verschlechtern. Andererseits könnte die wirtschaftliche Abschwächung nicht ausreichen, um den bestehenden Inflationsdruck einzudämmen, was für eine kurzfristige weitere Anhebung der BoE-Zinsen spricht.
Pfundkurs ist belastet
Obwohl sich das britische Pfund in diesem Jahr in einem Abwärtstrend befindet (Bloomberg), hat es am 7. Juli angesichts des möglichen Wechsels in der politischen Führung zugelegt. Die Zinsen der Staatsanleihen fielen geringfügig. Bis Klarheit über den neuen Premierminister besteht, werden die Bewegungen wahrscheinlich verhalten bleiben. Mit Blick auf die Zukunft sind die weltweiten Rezessionsängste und die restriktivere Haltung der Fed die wichtigsten Faktoren, die das Pfund Sterling belasten könnten. Wir gehen davon aus, dass der GBP/USD-Kurs kurzfristig sinken wird, sich aber gegenüber dem Euro behauptet. Aus einem nationalen Blickwinkel scheint das Vereinigte Königreich gerade im so wichtigen Bereich Energie mit eigenen Öl- und Gasvorkommen besser dazustehen als viele von Russland stark abhängige Energieimporteure.
Die BoE wird unserer Meinung nach eine abwartende Haltung einnehmen und die Zinserhöhungen im derzeitigen Tempo fortsetzen. Die Zinsen der Staatsanleihen werden weiterhin zwischen denen der Anleihen der USA und der Eurozone arretiert sein. Sollte sich jedoch ein populistischer Kandidat in dem Rennen um die Führung durchsetzen, könnten die Zinsen der Staatsanleihen steigen.
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