Frauen in der Wirtschaft: Luft nach oben für Indien
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Egal, ob Mann, Frau oder Divers – alle sind gleich. Das zumindest ist das Ideal, für das Frauen seit 1911 auf dem Internationalen Frauentag am 8. März demonstrieren. „Each for Equal“ (dt.: Jede*r für Gleichberechtigung) lautet das diesjährige Motto. Auch heute, 109 Jahre später, ist die Gleichstellung der Geschlechter weder in Deutschland noch im Rest der Welt Realität. In Deutschland äußert sich die Ungleichheit noch immer vor allem im Beruf und Bezahlung. Das ist auch in Indien der Fall, aber hier ist sie sogar von Geburt an ein Problem. „Frauen sind in der indischen Wirtschaft stark unterrepräsentiert. Es ist ein deutlicher Wandel bezüglich der Wahrnehmung von Frauen und Arbeit nötig, um die Gleichstellung der Geschlechter zu erreichen“, sagt Marie Fromaget, Human Capital and Diversity Analyst bei AXA Investment Managers (AXA IM). Doch das könnte sich auszahlen: Schätzungen zufolge könnte eine verbesserte Frauenquote am indischen Arbeitsmarkt das Bruttoinlandsprodukt bis 2025 um 770 Milliarden US-Dollar gegenüber 2015 erhöhen.
Hürdenlauf für indische Frauen
Vorurteile gegenüber Mädchen bestehen in Indien von Geburt an. Sogar geschlechtsspezifische Abtreibungen sind keine Seltenheit. Auf jedes Mädchen kommen heute 1,11 Jungen. Schon in frühester Kindheit sind Mädchen mit anhaltender Ungleichheit konfrontiert, die den Zugang zu Nahrung, Gesundheit und Sicherheit beeinträchtigt. Laut der medizinischen Fachzeitschrift Lancet starben in jedem Jahrzehnt über 2,4 Millionen Mädchen unter fünf Jahren an geschlechtsspezifischen Vorurteilen.
Bei der Bildung hingegen gibt es relativ wenig Unterschiede. Die verschiedenen Schulstufen werden gleichermaßen von Mädchen und Jungen besucht. Die Kluft zwischen den Geschlechtern entsteht erst mit dem Eintritt ins Berufsleben: Nur 28,4 Prozent der Frauen sind berufstätig. Frauen wenden sieben- bis zehnmal mehr Zeit als Männer für unbezahlte Arbeit auf, beispielsweise dem Haushalt. Zum Vergleich: Weltweit ist der Mehraufwand für unbezahlte Arbeit für Frauen nur zwei- bis dreimal so hoch wie der von Männern. „Dennoch wollen Frauen arbeiten – ein Drittel derer, die hauptsächlich im Haushalt arbeiten, geben an, dass sie gerne arbeiten würden“, sagt Fromaget.
Doch das ist gar nicht so einfach. 88 Prozent der Beschäftigung in Indien erfolgt auf informeller Basis. Einen Arbeitnehmerschutz gibt es nicht. Arbeitende Frauen erhalten 34 Prozent weniger Stundenlohn als Männer, im Laufe der Beschäftigung nimmt das Lohngefälle ein wenig ab. Das ist auf verschiedene Faktoren zurückzuführen: Männer schränken ihre Frauen oft ein und schreiben Ihnen vor, welche Arbeit sie machen dürfen und welche nicht. Auch weniger subtile Faktoren wie Alter, Ausbildung und Erfahrung entscheiden über das Gehalt. „Frauen kündigen darüber hinaus oft ihre Arbeit, um sich um die Familie zu kümmern. Daher gelangen sie oft erst gar nicht in Führungspositionen“, sagt Fromaget. Schätzungen der Weltbank zufolge sind zwischen 2004 und 2012 20 Millionen Frauen aus dem Erwerbsleben ausgeschieden – und die Situation verschlechtert sich.
Erste Maßnahmen für mehr Geschlechterdiversität am indischen Arbeitsmarkt wurden bereits eingeleitet. So hat die indische Regierung den bezahlten Mutterschaftsurlaub 2017 von 12 auf 26 Wochen erhöht. Allerdings werden die Kosten an den Arbeitgeber weitergegeben. Für Unternehmen ist es schwieriger, Frauen einzustellen. Auch das Lohnniveau bleibt niedrig. Das gilt vor allem für kleine und mittlere Unternehmen, da hier die Anwesenheit und Produktivität der Mitarbeiter ein wichtiger Faktor ist. Die Frauenquote in Vorständen börsennotierter Unternehmen hat unterdessen zu einer diverseren Besetzung geführt. „Das ist ein guter Anfang, aber es muss noch mehr getan werden, um weiblichen Führungskräften in Indien zu einer Stimme zu verhelfen, die wirklich zählt“, so Fromaget weiter.
Engagement in indischen Unternehmen
Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, um die Gleichstellung der Geschlechter in Indien voranzubringen. „Gesellschaft und Unternehmen müssen umdenken und sich für mehr Diversität und Integration einsetzen“, so die Expertin. Damit dieses Ziel erreicht werden kann, können Investoren sich auf unterschiedliche Weise in indischen Unternehmen engagieren. „Der Wille zum Wandel muss von oben kommuniziert werden. In diesem Sinne verlangen wir von der Unternehmensleitung und dem Vorstand, eine öffentliche Erklärung zur Gleichstellung der Geschlechter abzugeben“, sagt Fromaget. Darüber hinaus sollten Unternehmen Richtlinien und Programme für Chancengleichheit einführen, um die Gleichstellung der Geschlechter zu gewährleisten. Flexibles Arbeiten kann helfen, Frauen und auch Männern die Möglichkeit zu geben, ihr Berufs- und Privatleben in Einklang zu bringen. Darüber hinaus kann eine Berichterstattung zu geschlechtsspezifischen Daten Aufschluss darüber geben, inwieweit sich ein Unternehmen in die richtige Richtung entwickelt und es anspornen.
Die Ungleichheit der Geschlechter bleibt eine Herausforderung für praktisch alle Länder – unabhängig vom Stand ihrer wirtschaftlichen Entwicklung. „Wir glauben, dass die anhaltende Kluft zwischen den Geschlechtern den Erfolg von Unternehmen und Volkswirtschaften beeinträchtigt. Die Weltbank schätzt, dass dadurch 160 Billionen US-Dollar an Vermögen unrealisiert bleiben. Wird sie nicht angegangen, ist das Ziel 5 der UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung gefährdet. Für Investoren besteht die Gefahr, dass die langfristigen Renditen dadurch beeinträchtigt werden“, so die Expertin. AXA IM setzt sich daher für die Übernahme von ihren vorgeschlagenen Rahmenbedingungen durch die Investorengemeinschaft ein, um mit Unternehmen in vielen Ländern zusammenzuarbeiten, die ähnliche geschlechtsspezifische Ungleichheiten und wirtschaftliche Entwicklungen aufweisen. „Wir hoffen, dass wir dadurch gemeinsam dazu beitragen können, die Situation von Frauen weltweit zu verbessern“, schließt Fromaget.
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