Kommentar
19:22 Uhr, 26.07.2005

Folgen der Aufwertung der chinesischen Währung

In der letzten Woche tendierten die US-Märkte weitgehend unverändert. Bei unverändert positiven Konjunkturdaten machte sich die Furcht der Anleger vor weiteren Anschlägen in London breit. Zudem musste die Entscheidung Chinas, die Landeswährung aufzuwerten, verdaut werden. So heizte die - wenngleich bescheidene - Aufwertung des Renminbi Spekulationen an, dass US-Importe aus China teurer werden könnten. Diese Unsicherheiten wurden teilweise durch die Vorlage weiterer positiver Unternehmenszahlen wettgemacht. Bisher ist es über 70 % der Unternehmen gelungen, ihre Gewinnerwartungen zu übertreffen.

Die Aktienmärkte Japans haben im Wochenverlauf leicht nachgegeben. Die von der chinesischen Regierung beschlossene Aufwertung des Renminbi könnte theoretisch vermuten lassen, dass China nun besser in der Lage ist, japanische Exporte einzukaufen. Andererseits hat der dadurch bewirkte vorübergehende Anstieg des Yen Sorgen um die Wettbewerbsfähigkeit japanischer Exporte an den Weltmärkten hervorgerufen. Das japanische Exportvolumen ist zwar im Juni gestiegen, die Exporte nach Asien (einschließlich China) sind jedoch im Mai drastisch zurückgegangen.

Die meisten europäischen Märkte schlossen mit positiven Vorzeichen, obgleich nach einer Serie scheinbar fehlgeschlagener Bombenattentate in London weiterhin Angst vor Terroranschlägen herrscht. Der CAC-40 stieg um 1,0 %, während der DAX um 2,6 % kletterte. Die Märkte honorierten auf diese Weise die Aussicht auf eine stärker reformorientierte Regierung, mit der nach der Auflösung des Parlaments und den für September geplanten Neuwahlen gerechnet wird. Der FTSE 100 gewann 0,2 %. Unmittelbar nach den fehlgeschlagenen Anschlägen vom Donnerstag brachen die Märkte ein, konnten sich jedoch rasch wieder erholen.

Die Aktienmärkte in der Region Asien-Pazifik tendierten uneinheitlich, da die Anleger damit beschäftigt waren, die Folgen der Renminbi-Aufwertung zu verdauen. Der taiwanesische Index gab 0,5 % nach, während der koreanische um 1,4 % stieg. In den vergangenen Monaten ist das Wachstum der Industrieproduktion in Taiwan erheblich zurückgegangen, da China begonnen hat, seinen Export von Zwischenerzeugnissen anzukurbeln.

Angesichts der besseren Aussichten für die US-Konjunktur stiegen in der letzten Woche die Kurse an zahlreichen Emerging Markets. Brasiliens Bovespa-Index legte 0,7 % zu, da der Korruptionsskandal, in den wohl auch Mitglieder der Lula- Regierung verwickelt sind, weiterhin seine Schatten wirft. Mexikos Bolsa-Index stieg um 2,6 %. Der russische RTS-Index profitierte vom Anstieg des Ölpreises und verzeichnete ein Plus von 3,2 %.

An den Rentenmärkten gerieten US-Treasuries unter Druck. Grund dafür waren Befürchtungen, dass das Ende der Anbindung der chinesischen Währung an den Dollar zu einem Rückgang der Nachfrage nach auf US-Dollar lautenden Anleihen führen könnte. US-Treasury-Renditen zogen unmittelbar nach der Ankündigung Chinas steil an.

Die Devisenmärkte waren in der vergangenen Woche von starken Schwankungen geprägt, nachdem China seine Entscheidung zur Aufwertung der Landeswährung bekannt gegeben hatte. Viele andere asiatische Währungen verzeichneten deutliche Zugewinne, da sie davon ausgehen, dass die Kaufkraft Chinas durch eine Aufwertung des Renminbi steigen könnte. Angesichts der bisher moderaten Aufwertung konnte der US-Dollar insbesondere gegenüber dem Yen im weiteren Wochenverlauf nach und nach wieder Boden gutmachen. Zudem wird erwartet, dass die asiatischen Zentralbanken auch weiterhin an den Devisenmärkten eingreifen werden, um den Anstieg ihrer Währungen zu begrenzen.

Der Ölpreis blieb weitgehend unverändert, obwohl die Produktion im Golf von Mexiko zeitweise wegen des Hurrikans Emily unterbrochen werden musste. Angesichts der Furcht vor neuen Terroranschlägen in Westeuropa und der Auswirkungen auf den internationalen Reiseverkehr, verbilligte sich Öl. Einen weiteren Dämpfer versetzte dem Ölpreis die Nachricht über den Rückgang der Ölimporte nach China im Juni. Der Goldpreis stieg angesichts der Abschwächung des US-Dollars.

Folgen der Aufwertung der chinesischen Währung

Ungeachtet der geopolitischen Unsicherheiten nach den neuesten Anschlägen in London und dem verheerenden Bombenanschlag in Ägypten, wurden die Finanzmärkte von Spekulationen über die Auswirkung der von der chinesischen Regierung beschlossenen Aufwertung des Renminbi beherrscht. Unserer Ansicht nach wird die bisher äußerst moderate Aufwertung um + 2,1 % weder in China noch anderswo nennenswerte wirtschaftliche Folgen haben. Sie wird weder die Wettbewerbsfähigkeit chinesischer Exporte beeinträchtigen, noch ist es wahrscheinlich, dass US-Güter wesentlich teurer werden, da sich chinesische Hersteller auch mit geringeren Margen zufrieden geben werden.

Nach der Entscheidung der chinesischen Regierung wurden mehr asiatische Aktien gekauft als verkauft. Eine Stärkung der asiatischen Währungen könnte somit der Wiederbelebung der Konjunktur in Asien neuen Schwung verleihen. Dennoch halten wir Spekulationen darüber, dass chinesische Aktien gleichermaßen profitieren werden, für verfrüht.

Quelle: Merrill Lynch Investment Managers (MLIM)

Merrill Lynch Investment Managers (MLIM) wurde 1976 gegründet und ist mittlerweile eine der größten Investmentfirmen der Welt. Das verwaltete Vermögen beträgt 473 Mrd. US-Dollar (per 31. März 2005). Als das Tochterunternehmen für Vermögensverwaltung von Merrill Lynch verfügt MLIM über eine breite Auswahl an prämierten Anlagefonds und umfassenden Einblick in die Märkte.

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Über den Experten

Thomas Gansneder
Thomas Gansneder
Redakteur

Thomas Gansneder ist langjähriger Redakteur der BörseGo AG. Der gelernte Bankkaufmann hat sich während seiner Tätigkeit als Anlageberater umfangreiche Kenntnisse über die Finanzmärkte angeeignet. Thomas Gansneder ist seit 1994 an der Börse aktiv und seit 2002 als Finanz-Journalist tätig. In seiner Berichterstattung konzentriert er sich insbesondere auf die europäischen Aktienmärkte. Besonderes Augenmerk legt er seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 auf die Entwicklungen in der Euro-, Finanz- und Schuldenkrise. Thomas Gansneder ist ein Verfechter antizyklischer und langfristiger Anlagestrategien. Er empfiehlt insbesondere Einsteigern, sich strikt an eine festgelegte Anlagestrategie zu halten und nur nach klar definierten Mustern zu investieren. Typische Fehler in der Aktienanlage, die oft mit Entscheidungen aus dem Bauch heraus einhergehen, sollen damit vermieden werden.

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