Analyse
10:10 Uhr, 30.10.2025

FISERV - Aktie halbiert sich fast nach Zahlen

Der Analystencall von Fiserv zu den Q3 2025 Ergebnissen war kein routiniertes Update, sondern ein Paukenschlag. Es war, wie der neue CEO Mike Lyons es mehrfach nannte, ein "kritischer und notwendiger Reset"

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  • Fiserv Inc. - WKN: 881793 - ISIN: US3377381088 - Kurs: 70,600 $ (NYSE)

Der Analystencall von Fiserv zu den Q3 2025 Ergebnissen war dem Anlass und Kurssturz angemessen kein routiniertes Update, sondern ein Paukenschlag. Ein "kritischer und notwendiger Reset, wie der neue CEO Mike Lyons es mehrfach nannte. Lyons, der seine erste volle Amtszeit absolvierte, nutzte den Call für einen radikalen Kassensturz. Seine Analyse offenbarte ein Unternehmen, dessen jüngste Wachstumszahlen massiv aufgebläht waren und das unter unrealistischen Annahmen, aufgeschobenen Investitionen und einem Fokus auf nicht nachhaltige, kurzfristige Initiativen litt. Die Konsequenz: Eine massive Kürzung der Prognose für 2025 und ein düsterer Ausblick auf ein "Übergangsjahr" 2026.

Was macht Fiserv?

Das Unternehmen ist ein globaler Fintech-Anbieter, der im Wesentlichen zwei Welten bedient:

Erstens, den Banken- und Finanzsektor. Hier liefert Fiserv die "Rückgrat"-Technologie, die Banken, Sparkassen und Kreditgenossenschaften für ihr Kerngeschäft benötigen – von der Kontoführung (Core Processing) über Online-Banking-Plattformen bis hin zur digitalen Zahlungsabwicklung.

Zweitens, und das ist der strategisch oft stärker beachtete Bereich, den Handel (Merchant Acceptance). Seit der milliardenschweren Übernahme von First Data (2019) ist Fiserv ein Gigant in der Zahlungsabwicklung für Händler. Das Kronjuwel in diesem Segment ist die Clover-Plattform: ein smartes Point-of-Sale (POS)-System, das kleinen und mittleren Unternehmen (KMUs) nicht nur die Annahme von Zahlungen (ob Karte oder digital) ermöglicht, sondern oft als komplettes Betriebssystem für ihr Geschäft dient (Warenwirtschaft, Kundenmanagement etc.).

"Reset" als Neubelebung

CEO Mike Lyons versuchte, die "enttäuschenden" Ergebnisse als "belebenden Moment" umzudeuten. Seine Kernbotschaft: Die Vergangenheit ist abgehakt, die Probleme sind identifiziert und die neue Führungsmannschaft wird sie beheben. Er betonte, Fiserv verfüge über "herausragende SaaS- und Zahlungsplattformen", habe aber auch "Wettbewerbs- und Kundendienstlücken", die man nun durch gezielte Investitionen schließen werde.

Im Zentrum steht ein strategischer Schwenk weg von kurzfristigen Ergebniszielen hin zu nachhaltigem Wachstum. "Wir etablieren eine neue Umsatz- und Ertragsbasis, die aus hochwertigen, strukturellen, weitgehend wiederkehrenden Umsätzen besteht", erklärte Lyons. Während er einräumte, dass dieser Schwenk die kurzfristigen Ergebnisse negativ beeinflussen wird, stellte er für die Zeit nach 2026 eine Rückkehr zu "konsistentem mittlerem einstelligem Umsatzwachstum" und "zweistelligem bereinigtem EPS-Wachstum" in Aussicht. Flankiert wird dieser Plan durch ein neues KI-Transformationsprogramm namens "Project Elevate" und eine massive Erneuerung der Führungsebene.

Fragerunde

Das ganze Ausmaß der Probleme wurde in der Q&A-Runde deutlich. Analysten zeigten sich sichtlich irritiert, wie sich die Lage in nur zwei Monaten seit der letzten Prognose so dramatisch ändern konnte.

Lyons gab im Grunde zu, dass er nach seiner Amtsübernahme "weitere finanzielle Überraschungen" entdeckt habe. Die ursprüngliche Prognose basierte auf "eingebetteten Annahmen", die "objektiv schwer zu erreichen" gewesen wären, und stützte sich auf "eine Reihe von Initiativen, die eher kurzfristig angelegt waren". Übersetzt: Der neue CEO hat die Leichen im Keller gefunden, die von einer auf Kante genähten, kurzfristigen Ergebnisoptimierung zeugen.

Die wichtigste und schockierendste Enthüllung des Calls war die Rolle Argentiniens. Lyons legte offen, dass das dortige Geschäft, befeuert durch extreme Inflation, das Konzernwachstum künstlich aufblähte. Argentinien trug über 5 Prozentpunkte zum organischen Wachstum 2023 und rund 10 Prozentpunkte zum Wachstum 2024 bei. "Ohne Argentinien", so Lyons, "lag die organische Wachstumsrate des Unternehmens sowohl 2023 als auch 2024 im mittleren einstelligen Bereich." Damit ist die gesamte Wachstums-Story der letzten zwei Jahre in ein neues Licht gerückt.

Besonders besorgniserregend war die Schwäche im Segment Financial Solutions, das ein negatives organisches Wachstum von 3 % auswies. Die Erklärungen des Managements zu "branchenspezifischen Dynamiken" und dem Wegfall von Lizenzerträgen wirkten vage und konnten nicht überdecken, dass dieses eigentlich stabile Kerngeschäft unter erheblichem Druck steht.

Zwei verlorene Jahre

Die neue Prognose ist vermutlich ein Schock für Investoren, die an zweistelliges Wachstum gewöhnt waren. Für das Gesamtjahr 2025 erwartet Fiserv nur noch ein organisches Umsatzwachstum von 3,5 % bis 4 % (statt 10 % bis 12 %) und ein bereinigtes EPS von 8,5 USD bis 8,6 USD, was einem leichten Rückgang gegenüber dem Vorjahr entspricht.

Und 2026 wird wohl noch schlimmer. Das Management bezeichnete es als "kritisches Investitions- und Übergangsjahr". Vorläufig erwartet man nur noch ein "niedriges einstelliges" organisches Wachstum und ein "moderat rückläufiges" bereinigtes EPS. Damit stehen Anlegern zwei volle Jahre ohne Ertragswachstum bevor, während das Unternehmen in seine Sanierung investiert. Auch das Aushängeschild Clover wird gebremst: Das Q4-Umsatzwachstum soll auf rund 10 % fallen, da man "bestimmte Gebühren eliminiert", die "nicht mehr mit unserer Geschäftsstrategie übereinstimmen" – ein weiteres Eingeständnis, dass frühere Zahlen geschönt waren?

Radikaler Neuanfang mit Top-Personal

Die Probleme scheinen so tief gesessen zu haben, dass die gesamte Führungs- und Kontrollstruktur ausgetauscht wird. Fiserv bekommt nicht nur mit Paul Todd einen neuen CFO (ex-Global Payments), sondern auch zwei neue Co-Presidents: Takis Georgakopoulos (ex-JPMorgan) für Merchant Solutions und die renommierte Dhivya Suryadevara (ex-CFO von Stripe und General Motors) für Financial Solutions.

Gleichzeitig wird der Verwaltungsrat umgebaut: Ein neuer unabhängiger Vorsitzender (Gordon Nixon, ex-CEO der RBC) und ein neuer Vorsitzender des Prüfungsausschusses (Gary Shedlin, ex-CFO von BlackRock) werden installiert. Dass es Lyons gelingt, ein derart hochkarätiges Team für den Turnaround zu gewinnen, ist das vielleicht stärkste positive Signal des gesamten Calls.

Für die Aktie bedeutet dies, dass sie fundamental neu bewertet werden muss. Sie ist keine 10 % bis 12 % Wachstumsstory mehr, sondern ein 3 % bis 6 % Wachstums-Case mit einer zweijährigen Investitionsdelle. Der Markt muss nun das "echte", strukturelle Fiserv ohne die Argentinien-Dopingmittel und Bilanztricks bewerten.

Fazit

Der neue CEO Mike Lyons hat die ungeschminkte Wahrheit über Fiservs Zustand offenbart. Das Unternehmen hat seine Wachstumsziele durch ein "Sondereinkommen" und kurzfristige Initiativen künstlich aufgebläht und dabei notwendige Investitionen in Service und Technologie vernachlässigt. Der eingeleitete "Reset" ist schmerzhaft, aber wohl überfällig.

Investoren müssen sich auf mindestens zwei verlorene Jahre einstellen, in denen Margen unter Druck geraten und Gewinne stagnieren oder fallen. Die Aktie wird diesen Realitätscheck einpreisen müssen, oder hat dies mit dem brachialen Kurssturz schon getan. Die Wette, die Investoren nun eingehen müssen: erfolgreicher, aber langwieriger Turnaround, dessen Früchte jedenfalls operativ frühestens 2027 zu ernten sein werden. Die Aktie könnte freilich auch schon früher wieder drehen. Immerhin ist jetzt die Bewertung deutlich attraktiver, sofern das bereinigte EPS von gut 8,5 USD auch wirklich verlässlich ist. Bei einem Kurs von 70 USD wäre das ein Multiple von etwa 8.

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