Kommentar
09:24 Uhr, 02.02.2018

Fallende Aktienkurse: Sind die Zinsen schuld?

Diese Woche geht es ungewohnt ruppig zu. Einer der Gründe, der genannt wird: die rasch steigenden Zinsen. Ist da etwas dran?

Ganz generell kann man sagen: das Zinsniveau an sich ist für den Aktienmarkt relativ unerheblich. Viel wichtiger ist die Richtung, in die sich die Zinsen bewegen und wie schnell sie dies tun. Bewegen sich Zinsen nur sehr langsam, stellt dies für gewöhnlich kein Problem dar. Marktteilnehmer haben vielmehr mit plötzlichen Bewegungen ihre Probleme.

In den letzten Wochen kam es zu einem vergleichsweise schnellen Zinsanstieg. Im historischen Kontext ist der Anstieg allerdings noch überschaubar. Der Trend will aber einfach nicht abbrechen. Es geht die Sorge um, dass nun die Langfristzinsen doch plötzlich durch die Decke gehen könnten.

Ob das geschieht, kann man nicht mit Sicherheit sagen. Immerhin aber kann man Lehren auf früheren Bewegungen ziehen. Zinsen sind in der Vergangenheit immer wieder schnell angestiegen. Es gibt dabei keine klare Systematik. Es lässt sich beobachten, dass ein rascher Zinsanstieg dem Aktienmarkt nicht wirklich hilft.

Anfang der 80er Jahre lief der Markt bei steigenden Zinsen seitwärts bzw. bewegte sich moderat nach unten. 1987 kam es nach einem plötzlichen Anstieg zum Crash. Ein Zusammenhang lässt sich natürlich nicht beweisen.

Zur Jahrhundertwende, 2010 und 2013 konnte der Markt bei vergleichsweise rasch ansteigenden Zinsen gut zulegen. Man könnte also ebenso gut zu dem Schluss kommen, dass steigende Zinsen gut für Aktien sind.

Die Zinsen – gemessen an der Anleiherendite – steigen, wenn Anleihen verkauft werden und deren Kurse sinken. Wenn verkauft wird, wird auch Geld frei. Das muss ja irgendwohin. Und wohin soll es, wenn nicht in Aktien? Auch diese Denkweise gibt es.


Es ist dennoch recht klar, dass höhere Zinsen Aktien fundamental unattraktiver machen. Da ist zum einen die Sache mit den Dividenden und zum anderen die Sache mit dem Unternehmenswert. Liegt die Dividendenrendite bei 2 % wie in diesen Tagen und rentieren risikolose Anleihen mit 2,8 %, muss man schon genau überlegen, wohin man sein Geld fließen lässt, wenn es vor allem um stabile Erträge geht.

Viel wichtiger ist wohl aber die Unternehmensbewertung. Ein Unternehmen ist aus fundamentalanalytischer Sicht so viel wert wie die abgezinsten zukünftigen Cashflows, z.B. des operativen Cashflows oder der Gewinne. Je höher die Zinsen sind, desto geringer ist der Barwert. Je schneller und weiter die Zinsen steigen, desto deftiger ist auch die Bewertung, wenn die Kurse nicht fallen.

Die Entwicklung der Zinsen sollte man im Blick behalten. Langfristig haben Zinsbewegungen allein wohl noch keinen Markt zu Fall gebracht. Sie können einem Trend aber einen großen Dämpfer verpassen. In einer Welt, in der Anleger eine Nullzinspolitik gewohnt sind, muss man diese Möglichkeit ernst nehmen. Für die bisher holprige Woche sind die Zinsen meiner Einschätzung nach jedoch nicht verantwortlich.

Clemens Schmale

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7 Kommentare

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  • Teebeutel
    Teebeutel

    Und was sagt die Bundesregierung dazu: Fragestunde diese Woche. Die Antwort auf eine Frage der AfD war folgende. Man rechnet mit keinem signifikanten Zinsanstieg in den nächsten 2 bis 3 Jahren und wenn dann nur in "0,0x" Schritten :-D Ergo heißt das, man ist nicht auf steigende Zinsen vorbereitet.

    11:28 Uhr, 02.02.2018
    1 Antwort anzeigen
  • Joey-the-bee
    Joey-the-bee

    Man muss die Sache langfristig und nüchtern betrachten. Derzeit sieht es so aus als würde tatsächlich eine richtige Zinswende kommen. Wenn sich dieses Signal bestätigt müssen die Aktien zumindest langfristig attraktivere Bewertungen aufweisen. Mittelfristig 1~5 Jahre sollte es keine Beeinträchtigung für den Markt geben. Naja und die Zinsen werden sicherlich nicht über Nacht explodieren aber eben doch in absehbarer Zeit.

    10:28 Uhr, 02.02.2018
  • Bigdogg
    Bigdogg

    Wenn Anleihen verkauft werden, wird Geld frei? Wieso? Jemand kauft doch...bezahlt der Hosenknöpfen oder was. Verstehe das Argument nicht

    08:14 Uhr, 02.02.2018
    1 Antwort anzeigen

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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