EZB: Vorsichtige Gangart
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Externe Quelle: Unicredit
Die gestrige EZB-Sitzung bot erwartungsgemäß keine neuen Hinweise darauf, wie die Ausstiegsstrategie nun genau aussehen könnte.
Am interessantesten wurde die Sitzung, als einige der Fallstricke thematisiert wurden, die der Notenbank bevorstehen könnten. Jean-Claude Trichet wich diesen Fragen allerdings geschickt aus und hofft offensichtlich darauf, dass es dazu nicht kommt.
Griechenland spielte eine prominente Rolle und Jean-Claude Trichet nahm eine Haltung getreu dem Motto „hart aber herzlich“ ein: 1. Die Regeln zur Hinterlegung von Sicherheiten werden nicht für ein einzelnes Land geändert; und 2. sei die Zugehörigkeit zum Euroraum an sich schon eine Unterstützung. Es gehe nicht um Hilfen, sondern um notwendige Anpassungen, die sowieso vorgenommen werden müssten. Diese sehr sorgfältig formulierte Botschaft stellte klar, dass Griechenland (und andere Länder) um ihrer selbst willen Korrekturen vornehmen müssen. Die Frage, ob im Falle des Falles mit finanziellen Hilfen zu rechnen sein wird, blieb offen. Tatsächlich obliegt diese Entscheidung letztlich den Regierungen und nicht der EZB. Als Jean- Claude Trichet darauf angesprochen wurde, ob es durch Griechenland zu Spillover-Effekten kommen könnte, unterstrich er, dass die griechische Wirtschaft weniger als 3% des BIP im Euroraum ausmacht. Dieser Punkt ist aber beutungslos. Wichtig ist doch vor allem, ob sich der Verlust des Vertrauens in Griechenland auch auf andere Länder überschwappen könnte, die sich in einer schwierigen Haushaltslage befinden. Dies wiederum könnte sehr schwerwiegende Folgen für die finanzielle Stabilität und die Wachstumsaussichten des Euroraums haben. Wir sind nach wie vor der Ansicht, dass es sich hierbei um ein nervenaufreibendes Duell handelt: wer als erster zuckt, verliert. Allerdings scheint dieser Wettkampf tatsächlich nötig zu sein: Die EU-Behörden setzen Griechenland gehörig unter Druck, tief greifende Anpassungen vorzunehmen. Falls eine Rettungsaktion notwendig werden sollte, dürfte diese Hilfe indes geleistet werden. Der IWF trägt bereits mit einer technischen Unterstützung bei. Aber: Es dürften mindestens noch einige Monate mit hoher Volatilität bevorstehen, während derer die Risikoaufschläge kräftig zunehmen könnten. Danach sollte Griechenland eine sehr interessante Kaufgelegenheit darstellen.
Die Ausstiegsstrategie der EZB
Der andere Fallstrick betraf die Abschöpfung der Liquidität sowie die Ausstiegsstrategie als Ganzes. Jean-Claude Trichet bestätigte, dass im gesamten ersten Quartal reichlich Liquidität vorhanden sein wird, weshalb EONIA auf dem derzeit extrem niedrigen Niveau verharren wird. Ab April sollte die EZB mit dem Abschöpfen der Liquidität beginnen. Entspricht der Entzug von Liquidität also einer Straffung der Geldpolitik, wenn gleichzeitig der Refinanzierungssatz (höchstwahrscheinlich) unverändert bleibt? Dies ist unserer Ansicht nach der Fall, weil die kurzfristigen Zinsen steigen werden. Damit wird die de facto Nullzinspolitik beendet. In unserem Basisszenario wäre dies ein angemessener Schritt. Aber wir sind der Ansicht, die EZB sollte die Dinge beim Namen nennen und die künstliche Unterscheidung zwischen „technischen“ Liquiditätsmaßnahmen und der eigentlichen Geldpolitik endlich aufgeben. Es wird allerdings besonders schwierig werden, in einem Bankensystem Liquidität abzuschöpfen, in dem einige Institute immer noch sehr stark von der Unterstützung durch die EZB abhängig sind. Jean- Claude Trichet schien anzudeuten, die EZB könnte die außerordentlichen Maßnahmen langsam beenden und gleichzeitig die Banken mit verbesserten Kreditbedingungen unterstützen. Wie das funktionieren soll, ist jedoch unklar. Die EZB behält ihren vorsichtigen Ausblick für die Gesamtwirtschaft bei und erwartet eine nur moderate und zudem fragile Erholung. Zudem rechnet die Notenbank in den kommenden zwei Jahren mit keinem nennenswerten Inflationsdruck. Auch die geldpolitische Analyse fiel „dovisch“ aus: „Mit Blick auf die Zukunft werden das Wachstum der Geldmenge M3 sowie der Kredite noch für eine Weile sehr schwach oder sogar negativ bleiben.“ Von besonderer Bedeutung ist eine ermutigende Botschaft von Jean-Claude Trichet: „Die Banken haben ihre Gesamtbilanzen verkürzt, vor allem durch Wertberichtigungen der gegenüber anderen Banken gehaltenen Vermögenswerte.“ Dieser Punkt deutet darauf hin, dass die Entschuldung weiter voranschreitet. Weil davon die Positionen zwischen den Finanzinstituten betroffen sind und es nicht zu einer gefährlichen Verknappung von Krediten an den Realsektor kommt, verläuft die Entschuldung zudem auf dem richtigen Weg. Das steht im Einklang mit der Einschätzung der EZB, dass die deutliche Abschwächung des Kreditwachstums überwiegend Nachfragefaktoren zuzuschreiben ist. Alle diese Faktoren deuten auf eine sehr vorsichtige Ausstiegsstrategie hin. Die Gefahr einer Blase bei den Anlagepreisen fand keine Erwähnung, und dieses Thema dürfte für die Politik der EZB auch in den kommenden Monaten keine wesentliche Rolle spielen.
Fazit: Die kurzfristigen Zinsen werden noch für einige Monate niedrig bleiben. Erst im zweiten Quartal wird die Ausstiegsstrategie einem ersten, schwierigen, Test unterzogen. Währenddessen wird Griechenland auch weiterhin für eine beträchtliche kurzfristige Volatilität sorgen. Dies könnte sich auf den Euro sowie auf die Risikoprämien anderer Länder mit hohen Defiziten wie Portugal und Spanien auswirken.
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