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11:54 Uhr, 06.04.2010

EZB: Schwerpunkt Sicherheiten

Externe Quelle: Unicredit

Bei seiner Rede vor dem Europäischen Parlament am 25. März machte Trichet noch einmal deutlich, dass "der EZB-Rat die Absicht hegt, das Mindest-Rating für notenbankfähige Sicherheiten über 2010 hinaus bei Investment Grade (d.h. BBB-) zu belassen. Gleichzeitig sollen ab Januar 2011 gestaffelte Abschläge eingeführt werden, um das Eurosystem angemessen zu schützen. Die technischen Einzelheiten werde ich bei meinem Bericht zu den Entscheidungen des EZB-Rats bei der Sitzung am 8. April bekannt geben." Damit hat Trichet praktisch eine Kehrtwende vollzogen. Denn bis vor kurzem noch hatte er bekräftigt, die EZB wolle an ihrem Plan festhalten, im Januar 2011 wieder A- als Mindest-Rating einzuführen (für alle Vermögenswerte außer Asset Backed Securities, d.h. mit Vermögenswerten besicherte Wertpapiere), um Griechenland eine Atempause zu verschaffen.

Dieser Sinneswandel könnte die Glaubwürdigkeit der EZB beschädigen. Dennoch betrachten wir ihn als gangbare Maßnahme, um die Bonitätsanforderungen im Eurosystem flexibler zu gestalten und Marktveränderungen besser zu berücksichtigen, wie z.B. den jüngsten Druck auf griechische Anleihen bzw. griechische Banken. Dass dadurch vermieden wird, im Falle einer Herabstufung Griechenlands um zwei Stufen durch Moody’s das Land und damit der Euroraum insgesamt in eine erneute Finanzkrise schlittern zu lassen, war ein guter Schachzug. Ohne Frage werden sich die Marktverwerfungen angesichts der bevorstehenden Anpassung der Mindestbonitätspolitik etwas abschwächen. Doch das Risikoprofil des Sicherheitenportfolios der Zentralbank dürfte dadurch steigen.

Damit kommen wir zur brennenden Frage, mit der sich Trichet nächsten Donnerstag beschäftigen muss: Wie wird die EZB bei Einführung der gestaffelten Abschläge sicherstellen, dass die Qualität des Sicherheitenportfolios der Zentralbank erhalten bleibt? Wir gehen davon aus, dass von diesen Abschlägen lediglich Wertpapiere mit einem Rating schlechter als A- betroffen sein werden. Von daher wird die neue Politik Vermögenswerte nicht abstrafen, die auch vor der Krise ohne Abschläge notenbankfähig waren. Bleibt die Frage, ob es angesichts dieser (guten) Maßnahme, kontinuierliche Bonitätsanforderungen zu gewährleisten, für die EZB nicht sinnvoller gewesen wäre, die BBB-Mindestbonität gleich fallen zu lassen. Wir meinen, ja. Griechenland erhält durch die veränderte Politik zwar erheblichen Rating-Spielraum. So müsste Moody’s das derzeitige A2-Rating insgesamt fünfmal herabstufen, um griechische Anleihen „aus dem Spiel“ zu nehmen. Bei S&P und Fitch wären es jeweils drei Herabstufungen (von derzeit BBB+). Uns wäre jedoch eine Lösung lieber gewesen, die selbst akzentuiertere Krisenszenarien verkraften würde – beispielsweise wenn alle Rating-Agenturen ein Mitgliedsland unter Investment Grade herabstufen. Vermutlich betrachtete die EZB die Beibehaltung einer Mindest-Bonität als guten Kompromiss, um der Gefahr einer signifikanten Verschlechterung ihres Sicherheitenportfolios entgegenzuwirken.

Ein weiterer Punkt in diesem Zusammenhang, der auch jüngst von EZB-Verantwortlichen angesprochen wurde, betrifft die Notwendigkeit der Zentralbank, ihre Abhängigkeit gegenüber den Rating-Agenturen zu verringern. Ehrlich gesagt ist uns schleierhaft, wie dies erreicht werden könnte. Eine Möglichkeit bestünde darin, innerhalb der EZB ein internes Rating-Verfahren einzuführen. Doch dies könnte nach unserer Einschätzung Gegenstand heftiger Kritik sein, vor allem im Hinblick auf die Unabhängigkeit bzw. die Glaubwürdigkeit solcher internen Bewertungen. Und zwei weitere praktische Probleme drängen sich auf: Zum einen dürfte die Implementierung viel Zeit in Anspruch nehmen, und zum anderen wären für unzählige Wertpapiere Ratings erforderlich.

IWF: Nur zweitbeste Lösung

Das Wording zum gemeinsamen EU/IWF-Notfallplan für Griechenland dürfte nicht einfach sein. Einerseits war ein Abkommen überfällig, um die Märkte von der Ernsthaftigkeit der Maßnahmen zu überzeugen und damit die Wahrscheinlichkeit zu steigern, dass Griechenland letztlich vielleicht doch nicht darauf zurückgreifen muss. Andererseits sind wir aber auch der Auffassung, dass die EZB ihre Enttäuschung darüber nochmals deutlich machen möchte, das Problem nicht ohne fremde Hilfe lösen zu können. Daher gehen wir davon aus, dass das Abkommen auch von offizieller Seite begrüßt wird (die Vermeidung des Worst-Case-Szenarios war wohl höchste Priorität). Doch die Einbeziehung des IWF dürfte von der EZB wohl nicht mehr als die zweitbeste Lösung bzw. der letzten Ausweg angesehen werden. Genau das brachte Bini Smaghi zum Ausdruck, der sich von allen EZBRatsmitgliedern am deutlichsten dazu äußerte: "Dies ist weder die ideale noch die beste Lösung, doch sie wurde nun mal politisch entschieden. Entsprechend müssen wir dafür sorgen, dass sie funktioniert." Schließlich könnte die EZB auch noch einmal ihre Hoffnung bekräftigen, dass Griechenland ganz auf Hilfe von außen verzichten könnte. Mit anderen Worten: Die zwischen den EU-Chefs erzielte Einigung wird ausreichen, um die Märkte zu beruhigen, damit sich Griechenland wieder am Kapitalmarkt finanzieren kann. Dennoch hat es wohl noch länger den Anschein, dass Finanzhilfen doch noch erforderlich werden könnten. Trichet dürfte nun auf die Wichtigkeit verweisen, Fehler aus der Vergangenheit künftig zu vermeiden und den Stabilitäts- und Wachstumspakt verbindlicher zu machen und kompromisslos umzusetzen. Eine Moralpredigt für die europäischen Regierungen wäre in dieser Hinsicht durchaus angemessen.

Konjunkturaussichten: Weitestgehend unverändert mit einigen Lichtblicken

Die makroökonomischen Aussichten blieben letzten Monat praktisch unverändert, vielleicht mit einem leicht optimistischen Anstrich. Positiv zu erwähnen ist, dass der Aufwärtstrend bei den meisten Unternehmensumfragen im März anhielt. Und das, obwohl wir bereits davor gewarnt hatten, dass die Aufschwungdynamik nicht das hält, was die Einkaufsmanagerindizes „versprechen“– vor allem im Verarbeitenden Gewerbe. Auch haben wir bereits deutlich gemacht, dass selbst gute harte Zahlen zur Euroraum-Industrieproduktion die Stärke des Aufschwungs im Industriesektor überzeichnen könnten. Das liegt an der Instabilität der von Eurostat berechneten Saisonfaktoren. Insgesamt halten wir an unserer Einschätzung fest, wonach das BIP im ersten Quartal annualisiert um etwa 1% zulegen wird. Im Jahresdurchschnitt werden es mäßige 0,9% sein. Die Prognosen der EZBVolkswirte dürften ähnlich ausfallen. Leicht erfreuliche Anzeichen kommen auch vom Arbeitsmarkt. So fiel die Beschäftigung im vierten Quartal 2009 "nur" um 0,2% gegenüber Vorquartal. Ferner weisen die Umfrageindikatoren darauf hin, dass der Stellenabbau zu Jahresbeginn abermals an Intensität verloren hat. Nach unseren Projektionen stabilisiert sich die Beschäftigungslage aber erst im Laufe des zweiten Halbjahres 2010.

Im Mittelpunkt dürfte für die EZB jedoch stehen, dass die Ausleihungen an Nicht-Finanzunternehmen im Februar zum ersten Mal seit sechs Monaten wieder gestiegen sind (bzw. zum zweiten Mal innerhalb eines Jahres). Da sich derzeit die Anzeichen verdichten, dass auch die Haushalte wieder vermehrt Kredite aufnehmen, wäre ein Wendepunkt bei den Firmenkrediten als beachtlicher Impuls für die Konjunkturaussichten. Gleichwohl gebietet es die Volatilität dieser Zahlenreihen, die Daten eines einzigen Monats nicht überzubewerten. Entsprechend wird Trichet darauf verweisen müssen, dass dieser Zuwachs noch keinen wirklichen Trend darstellt. So schrumpfen die Firmenkredite gegenüber dem Vorjahr noch immer um 2,5% (siehe Grafik). Weitere Rückschläge sind nicht auszuschließen. Nach unserer Einschätzung wird sich ein echter Wendepunkt bei den Firmenkrediten erst gegen Jahresmitte abzeichnen.

Weniger erfreulich ist die anhaltende Schwäche der konsumorientierten Indikatoren. Die Stimmung der Haushalte hat in den letzten zwei Monaten nicht weiter aufgehellt. Schließlich liegt auch der Indikator der Europäischen Kommission wieder bei -0,7 Standardabweichungen unter seinem langfristigen Durchschnitt. Und der erwartete Rückgang der Kfz-Neuzulassungen drückt die Ausgaben für langlebige Wirtschaftsgüter nach unten. Die nach wie vor dürftigen Aussichten am Arbeitsmarkt sprechen ebenfalls gegen eine deutliche kurzfristige Erholung im Konsumsektor. Die Investitionsausgaben leiden unter dem anhaltenden Schuldenabbau der Unternehmen und der niedrigen Kapazitätsauslastung. Darüber hinaus ist auch die Rezession im Wohnungssektor noch nicht vorbei. Das alles wird dazu führen, dass die Binnennachfrage auch in den nächsten Quartalen schwach bleibt.

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Wenigstens ist es wahrscheinlich, dass die Exporte dieses Jahr die Hauptimpulse für das Wachstum liefern. Ein etwas nachhaltigerer Aufschwung ist frühestens 2011 zu erwarten. Ohne ein selbsttragendes Wachstum und ohne Inflationsdruck – der Inflationsanstieg im März dürfte in erster Linie durch Nicht-Kernkomponenten verursacht worden sein, während die Kerninflation stabil blieb – aber gibt es keinen Grund, den Refisatz noch in diesem Jahr anzuheben. Dann dürften sich die Interbankensätze auch erst ab dem vierten Quartal 2010 in Richtung Refisatz bewegen. Zu einer ersten Zinserhöhung wird es dann wohl im März 2011 kommen.

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