EZB-Kompass zeigt derzeit keine Zinsänderung an
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1. Gesamtergebnis: Der EZB-Kompass lag im April bei 54,9 Punkten, nachdem der März von 53,2 auf 56,0 Punkte heraufrevidiert wurde. Die Revision ist hauptsächlich auf einen höheren Score der wirtschaftlichen Analyse zurückzuführen. Die Daten der monetären Analyse wurden im Rahmen unserer Erwartungen veröffentlicht, sodass der Score nur marginal über dem im Vormonat geschätzten Wert lag.
2. Wirtschaftliche Analyse: Der Score der wirtschaftlichen Analyse lag im April mit 49,4 Punkten niedriger als im März mit 50,4. Die Sechsmonatsprognose zeigt ein Niveau von 46,0 Punkten an, sodass sich aus dieser Säule keine Argumente für steigende Leitzinsen ergeben. Im Vergleich zum Vormonat hat sich beim Economic Sentiment und bei der Industrieproduktion eine schlechtere Entwicklung eingestellt, die derzeit den gestiegenen Konjunkturpessimismus gut reflektieren. Ein deutlich höherer Wert als der im Vormonat geschätzte ergibt sich vor allem bei den Lohnstückkosten, bei denen auf eine neue Datengrundlage zurückgegriffen werden kann. Diesen Daten nach lagen die Lohnstückkosten bereits im 1. Quartal bei 1,8 % ggü. Vj. und steigen im 2. Quartal auf 2,2 % ggü. Vj. an. Dies liegt deutlich über unseren bisherigen Schätzungen von unter 1 %. Auch wenn es sich hierbei um Schätzwerte handelt, ist zu konstatieren, dass das Argument sinkender Zuwachsraten bei der Lohnstückkostenentwicklung nicht wie in der Vergangenheit zu verwenden ist.
3. Monetäre Analyse: Der Score der monetären Analyse fiel von 78,2 auf 76,7 Punkte. Die bis März vorliegenden Ist-Zahlen zeigen weiterhin eine robuste Entwicklung der Kreditvergabe, die für sich genommen auf keine Konjunkturabschwächung hinweist.
4. Problem Deutschland: Die monetären Bedingungen in Deutschland unterscheiden sich stark von denen in Euroland insgesamt. Dies führt dazu, dass sich die Kreditvergabe in Deutschland vollkommen anders entwickelt. Das u.a. Schaubild zeigt, dass sich die Kreditvergabe in Deutschland seit 1997 nur marginal erhöhen konnte, während sie in Euroland insgesamt stark anstieg. Der deutsche Anteil der Kredite an Nichtbanken in der EWU sank daher von 40,7 % in 1997 auf 30,2 % in 2004. Eine Trendwende ist nicht in Sicht.
5. Gesamtaussage des Kompass und Leitzinsprognose: Der aktuelle EZB-Kompass und seine Sechsmonatsprognose liegen derzeit nahe dem neutralen Wert von 50. Uns, genauso wie der EZB, unbekannt ist natürlich, bei welchem Leitzins die Geldpolitik neutral ist. Bislang war aber das Credo der EZB, dass Leitzinsen von 2,0 % expansiv und nicht neutral sind. Aus der Logik der Strategie könnten auch bei einem neutralen EZBKompass Leitzinserhöhungen resultieren – sie müssten es derzeit sogar. Aktuell zeigt aber allein die monetäre Analyse Inflationsgefahren an. In den vergangenen Wochen und Monaten haben die Äußerungen aus der EZB allerdings den Eindruck erweckt, dass der EZB-Rat nicht willens ist, die auf die eindeutigen Warnsignale der monetären Analyse hin zu handeln, wenn die wirtschaftliche Analyse nicht ein gleichgerichtetes Signal bezüglich steigender Inflationsgefahren gibt. Übersetzt in die Sprache unseres Kompass heißt dies, dass steigende Scores der wirtschaftlichen Säule notwendig wären, um eine Leitzinserhöhung zu begründen. Aus der EZB-Strategie lässt sich dieses Verhalten nicht ableiten. In der Strategie bekommt die monetäre Analyse eine eigenständige Bedeutung. Offiziell soll dann eine gegenseitige Überprüfung der Signale der einzelnen Analysebereiche stattfinden. Derzeit macht die Kommunikations- und Geldpolitik der EZB aber den Eindruck, dass die monetäre Analyse die Aufgabe hat, die Ergebnisse der wirtschaftlichen Analyse zu bestätigen. Und nur wenn sie das tut, wird sie auch beachtet. Damit bräuchte sie aber nicht mehr eigenständig beobachtet zu werden. Eine Fokussierung auf die wirtschaftliche Analyse würde ausreichen. Insgesamt sind wir seit dem letzten Zinsentscheid zu der Einschätzung gekommen, dass sich die konjunkturellen Perspektiven in der kurzen Frist verschlechtert haben und dass die EZB sich nicht gegen diese Entwicklung stemmen wird. Wir haben daher unsere Prognose einer Leitzinserhöhung im September revidiert und erwarten nun erst im Dezember 2005 eine Erhöhung um 25 Basispunkte. Mit den verschlechterten Konjunkturperspektiven fortsetzen, dürfte sich auch die Diskussion über sinkenden Leitzinsen. Wir halten diese Diskussion nicht für überflüssig, da sich eine Zentralbank nicht die Flexibilität nehmen lassen sollte, auch kurzfristig auf unerwartete Entwicklungen zu reagieren. Anders als in der Pressekonferenz vom Dezember dürfte die EZB nicht signalisieren, dass sie die Möglichkeit sinkender Leitzinsen prinzipiell nicht in Erwägung zieht. Die Chance sinkender Leitzinsen erachten wir allerdings weiterhin für sehr gering.
Quelle: DekaBank
Die DekaBank ist im Jahr 1999 aus der Fusion von Deutsche Girozentrale - Deutsche Kommunalbank- und DekaBank GmbH hervorgegangen. Die Gesellschaft ist als Zentralinstitut der deutschen Sparkassenorganisation im Investmentfondsgeschäft aktiv. Mit einem Fondsvolumen von rund 130 Mrd. Euro gehört die DekaBank zu den größten Finanzdienstleistern Deutschlands. Im Publikumsfondsgeschäft hält der DekaBank-Konzern einen Marktanteil von etwa 20 Prozent.
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