Kommentar
10:07 Uhr, 08.05.2007

EZB-Kompass: Wachsamkeit bleibt geboten

1. EZB-Kompass: Der bei 50 Punkten neutrale EZB-Kompass blieb im April mit 66,7 Punkten nach 66,6 Punkten im März auf sehr hohem Niveau. Sowohl die monetäre Säule (92,9 nach 94,0 Punkten) als auch die wirtschaftliche Säule (58,0 nach 57,5 Punkten) sprechen für ein restriktives Zinsniveau. Bei beiden Säulen erwarten wir für die nächsten sechs Monate eine Seitwärtstendenz, sodass die Argumente für steigende Leitzinsen bestehen bleiben. Wir bestätigen daher unsere Prognose weiterer Zinserhöhungen um jeweils 25 Basispunkte im Juni und im Dezember auf dann 4,25 %.

2. Beim EZB-Kompass sind diesen Monat drei Beobachtungen erwähnenswert: Erstens liegt die Inflationsrate mit 1,8 % yoy niedriger als von uns im Vormonat erwartet wurde. Zweitens ist die berechnete Outputlücke niedriger als die „gefühlte“. Unseren Berechnungen nach ist die Outputlücke nun geschlossen. Die gesamtwirtschaftlichen Kapazitäten sind folglich weder über- noch unterausgelastet. Angesichts der teilweise schon euphorischen Stimmung in Deutschland ist es bemerkenswert, dass die Outputlücke in Gesamteuroland bis zum Ende des Prognosezeitraums nicht positiv wird. Die Wirtschaft wächst folglich nicht schneller als ihr Produktionspotenzial. Dies begrenzt die mittelfristigen Inflationsgefahren. Drittens ist die Beschleunigung des Anstiegs der Lohnstückkosten von 0,5 % yoy im ersten Quartal auf prognostizierte 1,4 % yoy im zweiten Quartal bedeutsam, da sie signalisiert, dass die Lohnpolitik anders als in den letzten Jahren nicht mehr inflationsdämpfend wirkt. Der aktuelle Pilot-Tarifabschluss der IG-Metall in Baden-Württemberg reflektiert dies. Die Vereinbarung einer deutlich niedrigeren Lohnsteigerung ab Mitte 2008 zeigt aber auch, dass die Inflationserwartungen mittelfristig stabil sind und ein hoher Abschluss in diesem Jahr keine Prozesse in Gang setzt, die auch zu höheren Abschlüssen in der Zukunft führen. Für die Geldpolitik ist dies sehr beruhigend. Zusammengenommen bedeuten diese drei Beobachtungen, dass die Wirtschaft in Euroland in einer Situation ist, in der eine akkomodierende Geldpolitik nicht mehr angebracht erscheint, in der die Notenbank wachsam bezüglich der Lohnentwicklungen sein sollte, in der die Konjunktur- und die Preisentwicklung aber moderat bleiben und einen deutlich restriktiven Kurs noch nicht notwendig machen. Wir gehen davon aus, dass ein Leitzinsniveau von 4,25 % zum Ende 2007 ausreicht, um möglichen, aber nicht akuten Inflationsgefahren zu begegnen. Dies schließt nicht aus, dass die EZB im Verlauf von 2008 doch noch einmal den Leitzins auf 4,5 % erhöht. Dafür bräuchten wir aber eine Bestätigung dafür, dass der aktuelle Aufschwung sich mindestens mit unverminderter Stärke in das Jahr 2008 und evtl. sogar darüber hinaus fortsetzt. Diese Bestätigung können die aktuellen Vorlaufindikatoren für die Konjunkturentwicklung noch nicht geben. Ein schnelles Einpreisen von Leitzinserhöhungen auf 4,5 % erachten wir daher für noch nicht angemessen.

3. Kommunikationsprognose: Wir erwarten, dass Präsident Trichet auf der Pressekonferenz die „starke Wachsamkeit“ (strong vigilance) der EZB betont. Dies wird die Erwartung der am Geldmarkt bereits eingepreisten Zinserhöhung im Juni verbal bestärken. Hinweise auf eine mögliche Zinspause nach einer noch nicht beschlossenen Zinserhöhung im Juni sind auf der Sitzung am Donnerstag unangebracht. Sie würden die Kommunikation nur erschweren. Die Spekulation, wann und bei welchem Zinsniveau das Ende des Zinserhöhungszyklus erreicht wird, wird daher auch nach der Sitzung weitergehen. Wir erachten die aktuellen Niveaus der Geldmarktfutures für die derzeitige Situation als angemessen und die Zinsstrukturkurve von Bonds als fair gepreist.

Quelle: DekaBank

Die DekaBank ist im Jahr 1999 aus der Fusion von Deutsche Girozentrale - Deutsche Kommunalbank- und DekaBank GmbH hervorgegangen. Die Gesellschaft ist als Zentralinstitut der deutschen Sparkassenorganisation im Investmentfondsgeschäft aktiv. Mit einem Fondsvolumen von mehr als 135 Mrd. Euro und über fünf Millionen betreuten Depots gehört die DekaBank zu den größten Finanzdienstleistern Deutschlands. Im Publikumsfondsgeschäft hält der DekaBank-Konzern einen Marktanteil von etwa 20 Prozent.

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Über den Experten

Thomas Gansneder
Thomas Gansneder
Redakteur

Thomas Gansneder ist langjähriger Redakteur der BörseGo AG. Der gelernte Bankkaufmann hat sich während seiner Tätigkeit als Anlageberater umfangreiche Kenntnisse über die Finanzmärkte angeeignet. Thomas Gansneder ist seit 1994 an der Börse aktiv und seit 2002 als Finanz-Journalist tätig. In seiner Berichterstattung konzentriert er sich insbesondere auf die europäischen Aktienmärkte. Besonderes Augenmerk legt er seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 auf die Entwicklungen in der Euro-, Finanz- und Schuldenkrise. Thomas Gansneder ist ein Verfechter antizyklischer und langfristiger Anlagestrategien. Er empfiehlt insbesondere Einsteigern, sich strikt an eine festgelegte Anlagestrategie zu halten und nur nach klar definierten Mustern zu investieren. Typische Fehler in der Aktienanlage, die oft mit Entscheidungen aus dem Bauch heraus einhergehen, sollen damit vermieden werden.

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