Kommentar
10:10 Uhr, 25.10.2024

EZB: Besser spät als gar nicht

So scheint das Motto der europäischen Notenbanker zu lauten. Das macht den erneuten Fehlschlag nicht weniger gravierend.

Die EZB hat weniger lang auf eine Zinssenkung gewartet als die US-Notenbank. Deswegen hat sie dennoch keine Vorreiterrolle. Die US-Wirtschaft wuchs zu diesem Zeitpunkt mit 3 %. Die Eurozone hingegen stagnierte seit anderthalb Jahren. Jeder Schrecken hat ein Ende. Das gilt auch für die Wachstumsflaute in der Eurozone.

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Die Industrieproduktion tendierte von 2021 bis Ende 2023 konsequent abwärts. Seither bildet sich ein Boden. Für den letzten verfügbaren Datenpunkt zeigte sich sogar ein kleines Wachstum (Grafik 1). Die Produktion ist stark zyklisch. Ein Aufwärtszyklus scheint begonnen zu haben. Die bisherigen Zinssenkungen sind dafür nicht verantwortlich. Der letzte Datenpunkt ist aus August. Zinssenkungen hatten zu wenig Zeit, um bis dahin zu wirken.

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In vielen Ländern bildet sich ein Boden der Produktion. Selbst in Deutschland geht es nicht mehr konsequent abwärts (Grafik 2). Das gilt auch für den Einzelhandel. In vielen Ländern haben sich die verkauften Mengen stabilisiert oder tendieren nach oben (Grafik 3). Verkaufte Mengen zu betrachten, ist sinnvoller, als den Umsatz zu analysieren. Umsätze können steigen, selbst wenn die Mengen zurückgehen. Inflation macht es möglich. Steigende Umsätze sagen daher nicht viel darüber aus, ob tatsächlich mehr konsumiert wird.

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Verbraucher scheinen langsam wieder zuversichtlicher zu werden. Der Konsum steigt langsam an. Es gibt auch keinen Grund, weshalb er es nicht tun sollte. Die Arbeitslosenraten sind mit wenigen Ausnahmen weiter gefallen (Grafik 4). Wer Arbeit hat, hat Einkommen und kann konsumieren.

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Aus verschiedenen Gründen mangelt es an Konsumfreude. Die Sparquote war in den vergangenen zwei Jahren ungewöhnlich hoch. Verbraucher haben nun viel Erspartes. Wenn erst wieder Konsumlust aufkommt, kann es einen überraschend großen Schub geben. Zinssenkungen dürften dazu nur marginal beitragen.

Die Zinssenkungen schaden zweifellos nicht. Sie kommen nur deutlich zu spät. Die EZB hat ein ausgesprochen schlechtes Timing. Sie erhöht die Zinsen noch, wenn sich bereits eine deutliche Abkühlung der Wirtschaft zeigt. Das war zur Jahrtausendwende nicht anders als zur Zeit der Finanz- und beginnenden Eurokrise. Das Wachstum der Industrie und des Einzelhandels tendierte eindeutig nach unten. Trotzdem wurden in den Abschwung hinein der Zins noch ein letztes Mal erhöht (Grafik 5).

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Beim Arbeitsmarkt ist das Timing nicht besser (Grafik 6). Der einzige Grund, dass die Zinserhöhungen dieses Mal mitten in den Abschwung hinein nicht zu einer erneuten Krise geführt haben, war die hohe Nachfrage aus den USA und Unternehmen, die um jeden Preis an Arbeitnehmern festhalten wollen. Der Arbeitskräftemangel und das Chaos 2020 und 2021 steckt noch in den Knochen.

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Jetzt senkt die EZB nicht nur die Zinsen, sie könnte die Zinssenkungen beschleunigen. Das wäre stark prozyklisch, also eigentlich nicht optimal. Da Europa generell wenig dynamisch ist, wird es allerdings kaum zu einer Überhitzung der Wirtschaft führen. So bleibt es bei der Erkenntnis, dass die EZB wie immer zu spät und prozyklisch agiert.

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2 Kommentare

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  • Sascha Huber
    Sascha Huber Experte für Kryptowährungen

    EZB: Too little, too late. Wie immer. ;)

    12:32 Uhr, 25.10.
  • Gustaf-Anton
    Gustaf-Anton

    Unglaubliche Dilettanten, das stimmt

    und an der Spitze eine Juristin, die von Ökonomie keine Ahnung hat

    Glückwunsch EU

    10:15 Uhr, 25.10.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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