Kommentar
09:24 Uhr, 16.05.2007

EWU: BIP steigt überdurchschnittlich stark

1. Das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist im ersten Quartal nach einer Schnellschätzung des europäischen Statistikamtes Eurostat kalender- und saisonbereinigt um 0,6 % qoq (3,1 % yoy) gestiegen. Das übertraf die Erwartungen der Mehrzahl der von Bloomberg befragten Konjunkturbeobachter wie auch unsere eigenen (Bloomberg-Median, DekaBank: 0,5 % qoq). Der wesentliche Grund für das überraschend kräftige BIP-Wachstum, war die deutsche Entwicklung. Hier war allgemein wegen der Mehrwertsteuererhöhung um drei Prozentpunkte zu Jahresbeginn von einem BIP-Anstieg um nur rund 0,3 % qoq ausgegangen worden. Tatsächlich wurde heute Morgen eine Rate von 0,5 % qoq veröffentlicht.

2. Das BIP-Wachstum des Euroraumes hat sich damit im Vergleich zum Jahresschluss 2006 verlangsamt. Im vierten Quartal hatte es noch 0,9 % qoq (3,3 % yoy) betragen. Diese Entwicklung ist allerdings aufgrund der genannten Mehrwertsteuererhöhung in Deutschland nicht erstaunlich. Überdies wurden in Italien Steuern heraufgesetzt. Dies führte jenseits der Alpen zu einer nur schwachen Zunahme der Wirtschaftsleistung um 0,2 % qoq (2,3 % yoy).

3. Außer Frankreich konnten alle großen Volkswirtschaften die Erwartungen der Analysten erfüllen oder übertreffen. Die Entwicklungen in Deutschland und Italien wurden bereits erwähnt, die Schnellschätzung zum BIP Spaniens wurde schon gestern mit 1,0 % qoq (4,0 % yoy) veröffentlicht. Überdies expandierten die Niederlande erwartungsgemäß um 0,6 % qoq. In Frankreich hingegen war die Mehrzahl der Konjunkturbeobachter von einem BIP-Anstieg zu Jahresbeginn um 0,7 % qoq ausgegangen. Wir waren mit einer Prognose von 0,8 % qoq wegen der kräftigen Konjunkturindikatoren sogar noch optimistischer gewesen.

4. Tatsächlich fiel die Wachstumsrate des BIP in Frankreich mit 0,5 % qoq (2,0 % yoy) sogar ein wenig stärker aus als noch im Vorquartal. Allerdings wurde dieses deutlich nach unten revidiert – von gut 0,7 % qoq auf nur noch knapp 0,5 % qoq. Auch kam es zu weiteren umfangreichen Revisionen, die hauptsächlich auf die Umstellung von einer festen Preisbasis (zuletzt des Jahres 2000) auf eine jährlich angepasste Vorjahrespreisbasis zurückzuführen sind. Das Statistikamt INSEE veröffentlichte heute – mit der Methodenumstellung – zudem bereits Details zum BIP, Schnellschätzungen gibt es nun nicht mehr. Diese Details beinhalten drei Lichtblicke: Erstens stiegen die Anlageinvestitionen erneut kräftig um 1,2 % qoq, zweitens konnten die Exporte (als Sorgenkind der französischen Wirtschaft) spürbar um 1,5 % qoq ausgeweitet werden und drittens wurde das BIP-Wachstum durch einen Lagerabbau gebremst. Dass es zu einem Rückgang der Lagerinvestitionen gekommen ist, ist bei guten Zahlen zur Industrieproduktion (+0,9 % qoq) nur mit einer die Erwartungen übersteigenden Nachfrage zu interpretieren. Dies sind – zusammen mit der durch die Präsidentschaftswahlen ausgelösten Aufbruchstimmung bei Deutschlands größtem Handelspartner – gute Vorzeichen für die weitere wirtschaftliche Entwicklung des Landes.

5. Über die Wachstumstreiber und –bremsen in der gesamten Eurozone gibt es noch keine harten Fakten. Der private Konsum sollte sich jedoch wegen der genannten Steuererhöhungen und wegen der relativ schwachen Zahlen aus Frankreich eher gedämpft entwickelt haben. Gleichzeitig dürften die Anlageinvestitionen das BIP-Wachstum spürbar positiv beeinflusst haben – das zumindest lässt sich aus den französischen Details und aus der Pressemitteilung des Statistischen Bundesamtes herauslesen.

6. Die weiteren Aussichten für Euroland sind hervorragend. Gerade die Robustheit der deutschen Konjunktur stimmt sehr zuversichtlich. Auch die angekündigten Maßnahmen des neuen französischen Präsidenten Sarkozy bezüglich Arbeits- und Wohnimmobilienmarkt sind als Positivfaktoren zu nennen. Zudem dürfte die italienische Schwäche wegen der Steuererhöhungen nur von vorübergehender Natur gewesen sein. Aber auch auf der aggregierten Euroland-Ebene ziehen die Auftragseingänge der Industrie wieder an, die Geschäftsklimata der großen Volkswirtschaften steigen und der Beschäftigungsaufbau geht weiter. Deshalb und vor dem Hintergrund der heute veröffentlichten Daten heben wir unsere Prognose für das BIP-Wachstum Eurolands für das Jahr 2007 von 2,4 % auf 2,6 % an. Hierin sind allerdings noch nicht mögliche Revisionen der vergangenen Quartale auf Eurolandebene enthalten.

Quelle: DekaBank

Die DekaBank ist im Jahr 1999 aus der Fusion von Deutsche Girozentrale - Deutsche Kommunalbank- und DekaBank GmbH hervorgegangen. Die Gesellschaft ist als Zentralinstitut der deutschen Sparkassenorganisation im Investmentfondsgeschäft aktiv. Mit einem Fondsvolumen von mehr als 135 Mrd. Euro und über fünf Millionen betreuten Depots gehört die DekaBank zu den größten Finanzdienstleistern Deutschlands. Im Publikumsfondsgeschäft hält der DekaBank-Konzern einen Marktanteil von etwa 20 Prozent.

Keine Kommentare

Du willst kommentieren?

Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.

  • für freie Beiträge: beliebiges Abonnement von stock3
  • für stock3 Plus-Beiträge: stock3 Plus-Abonnement
Zum Store Jetzt einloggen

Das könnte Dich auch interessieren

Über den Experten

Thomas Gansneder
Thomas Gansneder
Redakteur

Thomas Gansneder ist langjähriger Redakteur der BörseGo AG. Der gelernte Bankkaufmann hat sich während seiner Tätigkeit als Anlageberater umfangreiche Kenntnisse über die Finanzmärkte angeeignet. Thomas Gansneder ist seit 1994 an der Börse aktiv und seit 2002 als Finanz-Journalist tätig. In seiner Berichterstattung konzentriert er sich insbesondere auf die europäischen Aktienmärkte. Besonderes Augenmerk legt er seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 auf die Entwicklungen in der Euro-, Finanz- und Schuldenkrise. Thomas Gansneder ist ein Verfechter antizyklischer und langfristiger Anlagestrategien. Er empfiehlt insbesondere Einsteigern, sich strikt an eine festgelegte Anlagestrategie zu halten und nur nach klar definierten Mustern zu investieren. Typische Fehler in der Aktienanlage, die oft mit Entscheidungen aus dem Bauch heraus einhergehen, sollen damit vermieden werden.

Mehr Experten