Kommentar
11:53 Uhr, 13.02.2006

Europa – sind die Small Caps jetzt ausgereizt?

Man kann wohl nicht bestreiten, dass europäische Small- und Mid-Cap-Werte sowohl in absoluten Zahlen als auch im Vergleich zu Large Caps hervorragend abgeschnitten haben. 2005 erzielte der HSBC Smaller European Index auf Euro-Basis eine beachtliche Rendite von 37,3 Prozent und übertraf damit den ebenfalls ausgesprochen soliden MSCI Europe Index um rund 11,9 Prozent.

Über einen Zeithorizont von fünf Jahren ist die Outperformance sogar noch markanter: Während der MSCI Europe in den fünf Jahren bis Ende 2005 eine negative Rendite von -8,0 Prozent aufwies, brachte es der HSBC Smaller European Index auf beeindruckende 50,11 Prozent.

Sollte angesichts einer solch starken Outperformance nicht die Einschätzung dieses Marktsegments revidiert werden? Hat sich die Bewertungslücke zwischen Unternehmen mit geringer und solchen mit hoher Marktkapitalisierung nicht so sehr verringert, dass Small- und Mid-Cap-Aktien jetzt im Verhältnis zu ihrem Risikoprofil zu teuer sind?

Wir meinen, nein. Aufgrund der Größe und Vielfalt des Aktienuniversums sowie der Tatsache, dass die Zusammensetzung der Indizes sich laufend verändert, gibt es immer attraktiv bewertete Aktien unter den europäischen Small Caps.

Man kauft schließlich keinen Index

Die Analyse der Trendbewegungen von Small-Cap-Indizes ist zwar recht interessant, aber von wenig praktischer Bedeutung für die Analyse der Entwicklung von Blue-Chip-Indizes wie beispielsweise dem FTSE 100, CAC 40 oder DAX.

Die Betrachtung europäischer Small-Cap-Aktien auf Indexebene kommt in etwa dem Versuch gleich, den „Durchschnittseuropäer“ zu bestimmen: Es ist alles andere als einfach, denn bei der Größe und Vielfalt der Region gibt es kein typisches Unternehmen - ebenso wenig wie einen typischen Europäer. Ebenso wie es die verschiedensten Arten von Europäern gibt, gibt es kleinere Unternehmen in den verschiedensten Ausprägungen, ob mit teuren oder preiswerten Titeln, niedrigen oder hohen Wachstumsraten.

Bei über 1.000 Unternehmen im HSBC Smaller European Index können Anleger aus einer enormen Vielfalt von Aktienwerten wählen. Diese Vielfalt ist sogar weitaus größer als die der vergleichbaren Large-Cap-Indizes. So dominieren Finanz-, Pharma- und Telco-Werte den MSCI Europe, während die im Small-Cap-Index vertretenen Werte gleichmäßiger auf die verschiedenen Sektoren verteilt sind.

Zudem verändert sich die Zusammensetzung fortlaufend. Einerseits werden durch IPOs neue Gesellschaften eingeführt, während andere Unternehmen durch Konkurse oder Fusionen und Übernahmen (von denen es in den letzten zwei Jahren eine ganze Reihe gab) aus dem Index herausfallen. Für Investoren ergeben sich so ständig neue Gelegenheiten.

Dies wird insbesondere dann deutlich, wenn man die nach Marktkapitalisierung größten zehn Gesellschaften im MSCI Europe und im HSBC Smaller European Index jeweils Ende September 2003 und Ende September 2005 betrachtet.

Keines der Unternehmen, das im September 2003 den Small-Cap-Index anführte, war zwei Jahre später noch unter den Top Ten vertreten. Im Gegensatz dazu konnten acht der zehn Top-Unternehmen im MSCI Europe ihre Position bis September 2005 halten.

Gute Gelegenheiten gibt’s immer

Zugegeben, die Bewertung des Indexes ist in den letzten Jahren wohl gestiegen. Da sich seine Zusammensetzung jedoch regelmäßig ändert, werden ständig neue attraktiv bewertete Wachstumsaktien in den Index aufgenommen und ersetzen jene Titel, deren Bewertungen ausgereizt sind.

Ein kluger, ausgewogener Investment-Ansatz sollte Aktien mit attraktiver Bewertung herausfiltern. Ein solcher Ansatz konzentriert sich auf gut geführte, finanzkräftige Unternehmen, die sich in einem Bereich engagieren, in dem die Nachfrage nach Produkten das Angebot übersteigt.

Schauen wir uns ein paar Beispiele näher an. So ist das Schweizer Bauchemieunternehmen Sika in einer hervorragenden Position, um mittelfristig gute Erträge zu erwirtschaften. Sika produziert Chemikalien, die als Zusatzstoffe die Bindefähigkeit und Festigkeit von Beton erhöhen. Daneben stellt das Unternehmen Produkte zur Vergütung und Abdichtung von Gebäuden her.

Da es in diesem Nischenmarkt bislang nur wenig Akteure gibt, verfügt Sika über erhebliche Preismacht. Das Unternehmen ist zudem global ausgerichtet. Aus den aktuellen Unternehmenszahlen geht insbesondere eine kräftige Nachfrage in Lateinamerika hervor, wo die Bautätigkeit vor allem in Brasilien, Mexiko und Argentinien äußerst lebhaft ist.

Ein Newcomer in diesem Jahr ist Saft, ein französisches Unternehmen, das High-Tech-Batteriesysteme entwickelt und herstellt. Nach der Markteinführung im Juni 2005 fiel der Aktienkurs des Unternehmens im November 2005 geradezu dramatisch. Dieser Einbruch war auf eine Entscheidung von Safts wichtigstem Kunden, den US-Streitkräften, zurückzuführen. Danach sollen die Streitkräfte ihr Beschaffungsvolumen erheblich reduzieren. Unserer Ansicht nach ist es unwahrscheinlich, dass die US-Regierung bei dieser Entscheidung bleiben wird, denn schließlich ist US-Militär weiterhin in hohem Maße im Irak und in Afghanistan engagiert. Wir erwarten daher mittelfristig eine Erholung der Wachstumszahlen.

Ein Beispiel wie Saft widerlegt das Argument, europäische Small Caps seien ausgereizt, und untermauert die hier vertretene Auffassung, sich weiterhin in diesem Marktsegment zu engagieren. Saft ist erst seit kurzem im Index vertreten (seit dem IPO im Juni 2005), es ist eine „andere Art“ von Unternehmen und besetzt eine Marktnische, und es bietet potenziell hohe Wachstumsraten bei einer angemessenen aber nicht billigen Bewertung.

Quelle: Schroders

Die Schroders-Gruppe ist eine führende internationale Vermögensverwaltungsgesellschaft, die 1804 gegründet wurde. Schroders verwaltet Anlagen für Pensionsfonds, Regierungsbehörden, Wohltätigkeitsorganisationen, Körperschaften, Familienunternehmen und vermögende Privatpersonen weltweit und ist ein führender Verwalter von Investmentfonds. Schroders bietet Anlagen in allen wichtigen Vermögenskategorien in entwickelten Ländern und Schwellenländern an: Aktien, Schuldtitel, Geldmarktinstrumente, Beteiligungen und Immobilien. Das weltweit verwaltete Vermögen betrug zum 31. März 2005 rund 158,2 Mrd. Euro.

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Über den Experten

Thomas Gansneder
Thomas Gansneder
Redakteur

Thomas Gansneder ist langjähriger Redakteur der BörseGo AG. Der gelernte Bankkaufmann hat sich während seiner Tätigkeit als Anlageberater umfangreiche Kenntnisse über die Finanzmärkte angeeignet. Thomas Gansneder ist seit 1994 an der Börse aktiv und seit 2002 als Finanz-Journalist tätig. In seiner Berichterstattung konzentriert er sich insbesondere auf die europäischen Aktienmärkte. Besonderes Augenmerk legt er seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 auf die Entwicklungen in der Euro-, Finanz- und Schuldenkrise. Thomas Gansneder ist ein Verfechter antizyklischer und langfristiger Anlagestrategien. Er empfiehlt insbesondere Einsteigern, sich strikt an eine festgelegte Anlagestrategie zu halten und nur nach klar definierten Mustern zu investieren. Typische Fehler in der Aktienanlage, die oft mit Entscheidungen aus dem Bauch heraus einhergehen, sollen damit vermieden werden.

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