Kommentar
14:48 Uhr, 23.06.2008

Euroland: Einkaufsmanagerindizes im Juni - Winterstarre

1. Der Gesamtindex der Einkaufsmanager fiel im Juni um 1,6 auf nur noch 49,5 Punkte. Damit notiert er erstmals seit dem Sommer 2003 wieder unter die Marke von 50 Punkten, die – strikt gesprochen – eine expandierende Wirtschaft (Werte über 50) von einer schrumpfenden (Werte unter 50) trennt. Dies stellte abermals für die meisten Konjunkturbeobachter eine negative Überraschung dar (Reuters-Median: 50,8; DekaBank: 50,2).

2. Der Index für die gewichtigeren Dienstleister gab auf 49,5 Punkte nach, der für das verarbeitende Gewerbe sogar auf 49,1. Beide Indizes hatten im Mai bei 50,6 Punkten gestanden. Bemerkenswert am Index des verarbeitenden Gewerbes ist, dass keine seiner bedeutenden Komponenten (Produktion, Neuaufträge, Beschäftigung, Vormateriallager) mehr über der Expansion signalisierenden Marke von 50 Punkten notiert.

3. Mit den Daten für Euroland insgesamt wurden heute auch die Einkaufsmanagerindizes für die bisherigen Stützen der Konjunktur der Eurozone, also Deutschland und Frankreich, veröffentlicht – noch nicht aber z.B. für die Sorgenkinder Italien, Spanien oder Irland. Unter den veröffentlichten Daten schockierten wiederholt die französischen: Der Index der Dienstleister sank von 50,5 auf 49,2 Punkte und notiert damit erstmals seit Juni 2006 wieder unter 50. Im Februar dieses Jahres hatte er noch bei 58,2 Punkten gestanden. Noch rasanter ging es im verarbeitenden Gewerbe Frankreichs bergab. Hier fiel der Index von 51,5 auf ebenfalls 49,2 Punkte. Damit ist nun eindeutig, dass Frankreich derzeit nicht mehr als Stütze der Eurolandkonjunktur bezeichnet werden kann. Deutschland dagegen hielt sich erneut relativ gut: Der Index des verarbeitenden Gewerbes sank um 1,3 Punkte auf 52,3, der der Dienstleister gab sogar nur um 0,4 Punkte auf 53,4 nach.

4. Aus den für Deutschland und Frankreich veröffentlichten Daten lässt sich ablesen, dass im Juni – wegen der relativ guten deutschen Zahlen – die Dienstleisterindizes in Spanien, Italien und Irland im gewichteten Durchschnitt um fast exakt 2 Punkte gefallen sein müssen, also überproportional stark. Damit würden die Indizes dieser drei Länder jeweils weiter deutlich im Kontraktionsbereich stehen (Mai-Wert für Italien: 48,1, für Spanien: 43,3, für Irland 43,9 Punkte).

5. Sofern man die Zukunft aus den Einkaufsmanagerindizes herauslesen kann, sieht sie schlecht aus. Dies kann einerseits festgemacht werden an den Indizes der Gesamtwirtschaft (verarbeitendes Gewerbe plus Dienstleister) für die Neuaufträge (48,5 Punkte) und den Auftragsbestand (46,5 Punkte). Beide sind im Juni weiter (um 1,3 bzw. 0,9 Punkte) gesunken und haben Niveaus erreicht, die zuletzt im Frühsommer des – von der deutschen Rezession geprägten – Jahres 2003 registriert wurden! Weiterhin sei an dieser Stelle zum wiederholten Male auf die (nicht-saisonbereinigten) Geschäftserwartungen der Dienstleister für die kommenden zwölf Monate erinnert. Sie haben im Juni den niedrigsten Stand (54,9 Punkte) ihrer zehnjährigen Geschichte erreicht. Und überdies: Die Geschäftserwartungen der Dienstleister liegen im Juni nun so weit von einem durchschnittlichen Monatswert für die Geschäftserwartungen entfernt wie noch nie in diesem Jahr!

6. Letzten Monat sprachen wir bei der Kommentierung der Einkaufsmanagerindizes etwas provokativ von einer neuen konjunkturellen Eiszeit. Die Anzeichen für ihre Ankunft haben sich diesen Monat verdichtet.

Quelle: DekaBank

Die DekaBank ist im Jahr 1999 aus der Fusion von Deutsche Girozentrale - Deutsche Kommunalbank- und DekaBank GmbH hervorgegangen. Die Gesellschaft ist als Zentralinstitut der deutschen Sparkassenorganisation im Investmentfondsgeschäft aktiv. Mit einem Fondsvolumen von mehr als 135 Mrd. Euro und über fünf Millionen betreuten Depots gehört die DekaBank zu den größten Finanzdienstleistern Deutschlands. Im Publikumsfondsgeschäft hält der DekaBank-Konzern einen Marktanteil von etwa 20 Prozent.

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Über den Experten

Thomas Gansneder
Thomas Gansneder
Redakteur

Thomas Gansneder ist langjähriger Redakteur der BörseGo AG. Der gelernte Bankkaufmann hat sich während seiner Tätigkeit als Anlageberater umfangreiche Kenntnisse über die Finanzmärkte angeeignet. Thomas Gansneder ist seit 1994 an der Börse aktiv und seit 2002 als Finanz-Journalist tätig. In seiner Berichterstattung konzentriert er sich insbesondere auf die europäischen Aktienmärkte. Besonderes Augenmerk legt er seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 auf die Entwicklungen in der Euro-, Finanz- und Schuldenkrise. Thomas Gansneder ist ein Verfechter antizyklischer und langfristiger Anlagestrategien. Er empfiehlt insbesondere Einsteigern, sich strikt an eine festgelegte Anlagestrategie zu halten und nur nach klar definierten Mustern zu investieren. Typische Fehler in der Aktienanlage, die oft mit Entscheidungen aus dem Bauch heraus einhergehen, sollen damit vermieden werden.

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